Norwegen 2010

15. Juni 2010, Dienstag

Saarhölzbach

Wir stehen kurz vor der von Peter so heiß ersehnten Norwegenreise. Nach 10 Jahren hat er es endlich geschafft, mich zu einem Urlaub in den kalten Norden zu überreden – jetzt ist es endlich soweit.

Nach einigen Wochen sind die Vorbereitungen abgeschlossen: unser Bus ist regen- und fliegendicht geworden, die Ausrüstung ist von sommer- zu wintertauglich gewechselt worden und unsere Katzen befinden sich in – diesmal getrennten – Urlaubsdomizilen. Während Lucky Familienurlaub bei seinem Bruder in Tholey gebucht hat, lässt sich Luna bei meinen Eltern verwöhnen.

Was uns betrifft, so stehen wir vor etlichen Kisten mit Essen und Getränken, die alle irgendwie im Bus verstaut werden müssen. Unsere Reiseplanung ist soweit abgeschlossen, wir wissen: es geht nach Norden!

Den ganzen Abend verbringen wir damit, Zeug in den Bus zu schleppen. Der Vorrat an Lebensmitteln ist beachtlich: wir nehmen Essen für 3,5 Wochen mit, denn Einkaufen in Norwegen würde unsere Urlaubskasse sprengen. Gegen Abend ist jeder Winkel im Auto mit Nudeln, Soßen usw. aufgefüllt, wir müssen nur noch Gepäck, Räder und Boote verladen, dann sind wir startbereit.

Als dann endlich alles an seinem Platz ist, liegt unser Bus fast fünf Zentimeter tiefer und alle Staumöglichkeiten sind erschöpft. Auch wir sind erschöpft, und als wir dann endlich auch noch Haus und Garten versorgt haben, verabschieden wir uns von meinen Eltern und schlafen ein letztes Mal für die nächste Zeit im warmen Wasserbett.

 

16. Juni 2010, Mittwoch

Saarhölzbach – Hermeskeil - Flensburg

Der heutige Tag beginnt fast wie ein ganz normaler Arbeitstag. Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker wie gewohnt, zehn Minuten später fahre ich erschrocken aus dem Schlaf: verpennt! Der Alltag ist passé. Ich wecke Peter, der ja heute morgen mit muss, hetze unter die Dusche und packe noch schnell die letzten Sachen zusammen. Bis alles erledigt ist, bleibt fürs Frühstück keine Zeit mehr, denn auch unser Weg nach Hermeskeil dauert länger wie üblich: Brot kaufen, tanken, Luftdruck erhöhen, Peter absetzen – mein erster Patient wartet geduldig, bis das alles erledigt ist.

Um 16.00 Uhr ist es dann endlich vollbracht: ich schließe die Tür hinter mir und der Urlaub im sonnigen Norden kann beginnen.

Peter wird unterwegs aufgegriffen – Fahrerwechsel – er fährt die ersten 600 Km der heutigen Etappe längs durch Deutschland, ich übernehme die Navigation. Mit Tempo 100 befinden wir uns etwa in derselben Klasse wie die unzähligen LKW, die Fahrt über die A1 ist eher stressfrei mit erfreudig wenigen Staus.

Stunden später dann am Autobahnkreuz Hannover doch leichte Orientierungsschwierigkeiten, denn das „Unendliche Geschichte-Hörspiel“ ist so spannend, dass wir vergessen, nach Hamburg zu fahren, während Atreju Phantasien rettet. Doch nach einer kurzen Stadtrundfahrt Hannover (Umweltzone) finden wir den Weg nach Norden doch noch ( während Atreju sich in den Sümpfen der Traurigkeit verliert). Als Phantasien dann letztendlich gerettet ist, erfolgt ein Fahrerwechsel – Peter schläft, während ich mich durch den Elbtunnel fräse.

Gegen 0.30 Uhr kurz vor Flensburg habe auch ich dann die nötige Bettschwere, wir finden ein nettes Eckchen auf einem Burgerking-Parkplatz und beenden hier den Tag.

 

17. Juni 2010, Donnerstag

Kristiansand

Um 7.00 Uhr werden wir durch die Sonne geweckt, die uns ziemlich warm auf den Bus scheint. Nach schneller Morgentoilette und Kaffee vom Burgerking fahren wie los. Die letzten Kilometer bis zur dänischen Grenze haben wir schnell hinter uns gebracht, dann folgen 300 Kilometer Autobahn längs durch Dänemark.

Hier geht es nun auch etwas langsamer voran, die Fahrbahn ist nur zweispurig und Dänemark voll mit Baustellen. Am frühen Nachmittag erreichen wir das kleine Hafenstädtchen Hirtshals. Wir haben noch knapp 7 Stunden, bis die Fähre ablegt – also genug Zeit, um uns umzusehen. Den Bus können wir auf einem großen Platz direkt an den Dünen parken. Von dort aus sind es nur 100 Meter bis zum Meer, doch zuerst grillen wir unser Lamm, dass eigentlich schon für gestern geplant war.

Der starke Wind sorgt dafür, den Kohlen ordentlich einzuheizen – unser Essen ist in Rekordgeschwindigkeit fertig.

Anschließend machen wir einen großen Spaziergang am Meer, da unsere Hintern von der langen Fahrt plattgesessen sind und die Körper nach Bewegung schreien. Es ist sehr windig und dadurch kälter, als man denkt. Völlig durchgefroren beenden wir unseren Exkurs wieder. Wir wollen noch einmal preisgünstig voll tanken (1 L Diesel = 1,15 €) und uns das Städtchen ansehen. Tanken kann man hier nur am Automat mit der VISA-Karte – gut für uns, denn dänische Kronen hätten wir eh keine gehabt.

Unser Rundgang durch Hirtshals ist schnell beendet: 200m durch die Fußgängerzone in die eine Richtung, dieselbe Strecke an der Strandpromenade entlang wieder zurück und alles gesehen. Wieder am Bus angekommen fahren wir zum Hafen. Es ist mittlerweile 16.00 Uhr und wir können einchecken. Die nächsten 2 Stunden vergehen während des Mittagsschlafs wie im Flug und als wir aufwachen, haben sich die Reihen um uns schon gefüllt. Hier und da kommen wir mit anderen Reisenden ins Gespräch.

Eine riesige Gruppe jugendlicher Radfahrer wartet in der Spur neben uns, noch eins weiter steht ein Motorradfahrer aus Saarbrücken, der behauptet, mich aus der Kletterhalle zu kennen.

Um 19.45 Uhr können wir auf die Fähre rollen, eine Stunde später legen wir ab. Wir schauen uns noch eine Weile auf dem großen Schiff um, den Rest der 4 Stunden dauernden Überfahrt dösen wir vor uns hin.

Um 23.30 Uhr geht dann die Sonne unter, kurze Zeit später laufen wir im Hafen von Kristiansand ein. Wie schon befürchtet ist Zoll anwesend und macht Stichproben in Sachen Lebensmitteleinfuhr und Alkohol, doch glücklicherweise werden wir durchgewunken.

Da es mittlerweile schon spät ist, beschließen wir, den Tag so schnell wie möglich zu beenden. In der Stadt ist Parken für uns nicht möglich, also fahren wir über die Landstraße in Richtung Stavanger. An der nächsten Tankstelle finden wir einen Stellplatz für die Nacht – außer zwei LKW sind wir die Einzigsten hier. Von den gefürchteten Steckmücken haben wir bisher noch keine gesehen, nach einem verdienten, ersten Urlaubsbier legen wir uns schlafen.

 

18. Juni 2010, Freitag

Ven

Auch heute morgen werden wir schon um 7.00 Uhr von der Sonne aufgeweckt, die uns aufs Auto scheint. Nach einer schnellen Morgentoilette fahren wir los. Unser Weg führt uns entlang der Küste nach Norden. Vom Meer sehen wir unterwegs kaum etwas, die Straße führt uns durch Felsenlandschaft und durch unzählige kleine Tunnel. Überall sind Seen und wir halten oft an, um die schöne Landschaft zu bewundern.

In einer Schlucht ist es sogar möglich, über die steilen, kahlen Felsplatten bis zum Gipfel hoch zu wandern. Die Sohlen kleben fast auf den griffigen Felsen und der Wind bläst so stark, dass er uns fast nach oben schiebt. An einigen steileren Stellen müssen wir die Hände zur Hilfe nehmen – wir genießen „Plattenkletterei“ im 2.-3. Schwierigkeitsgrad. Oben angekommen können wir uns nicht sehr lange aufhalten, denn eisig pfeift der kalte Wind uns um die Ohren. Der Abstieg wird lustig, da wir nun Gegenwind haben. Wir müssen uns tatsächlich anstrengen, um uns nach unten fortzubewegen.

Wieder im Auto, geht es die nächsten Kilometer wieder entlang von Felsplatten, Seen und durch Tunnel. Unser nächster Halt gilt dem „Ruggestein“:

Dieser berühmte Felsbrocken von 70 Tonnen liegt auf einer Felsplatte so auf, dass Peter es schafft, ihn alleine leicht zum schaukeln zu bringen. Doch da es auch hier kalt und windig ist, halten wir uns nicht sehr lange auf und fahren weiter.

Unseren ursprünglichen Plan, uns früh am Tag einen schönen Campingplatz zum Duschen und Ausruhen zu suchen, haben wir wegen dem kalten und stürmischen Wetter wieder verworfen. Statt dessen wollen wir unser Glück im Landesinneren versuchen.

In einem kleinen Dorf kommen wir an einem Geldautomaten vorbei und wollen uns mit NOK eindecken, doch wir stellen verwundert fest, dass der Automat uns Euro ausspuckt. Ohne Bares in der Tasche ziehen wir weiter. Als wir etliche Kilometer später auf einem Campingplatz an einem See ankommen, hat sich das Wetter noch nicht gebessert. Es ist kalt und stürmisch, Regenwolken sind im Anzug.

Auf dem Platz selbst stehen zwar viele Wohnwagen, doch offensichtlich sind wir im Moment die einzigsten Personen, die sich hier aufhalten. Während ich am Kochen bin, fängt es dann auch noch an zu regnen. Nachdem wir unser Mahl dann gemütlich im warmen Bus sitzend verspeist haben, werden wir durch die Sturmböen in den Mittagsschlaf geschaukelt, der sich bis zum Abend ausdehnt. Als wir gegen 18.00 Uhr wach werden, hat sich das Wetter noch immer nicht positiv entwickelt. Es regnet zwar nicht mehr, ist aber dafür kälter geworden. Erstaunt stellen wir fest, dass wir nicht mehr alleine auf dem Platz sind. Etliche Hütten sind belegt und auf dem Spielplatz spielen warm eingepackte Kinder im Matsch.

Auch wir spielen – Brettspiele, im warmen Bus sitzend. Gegen 23.00 Uhr versuchen wir unser „Schlafzimmer“ so weit wie möglich abzudunkeln, denn zwischen den schwarzen Wolken lugt gerade die Sonne hervor, jetzt, wo wir sie auch nicht mehr brauchen können.

Obwohl wir heute Nachmittag schon gut vorgeschlafen haben, fällt uns die Fortsetzung nicht besonders schwer.

 

19. Juni 2010, Samstag

Lysebotn

Wie zu erwarten sind wir heute morgen schon um 6.00 Uhr wach und ausgeschlafen. Wir bleiben noch eine halbe Stunde im Bett, dann lockt uns das sonnige Wetter nach draußen. Heute können wir zum ersten Mal in Norwegen draußen frühstücken. Schon um 7.00 Uhr duften unsere Aldi-Aufbackbrötchen verführerisch über den Platz, kurze Zeit später sitzen wir auf der Bank und genießen einen skandinavischen Früh-Sommer-Morgen. Wir sind relativ früh aufbruchbereit und machen uns auf den langen, kurvenreichen Weg zum Preikenstolen.

Diese quadratische Felsnase ragt in 600m Höhe überhängend über das Wasser des Lysefjords. Schon unsere Fahrstrecke dorthin führt durch Felslandschaft, Tunnels und steinige Täler. Mal wieder muss unser Grüner aufs Wasser: die Fähre bringt uns auf die andere Seite des Fjords, wo sich auch der Wanderparkplatz befindet.

Obwohl es noch früh am Morgen ist, herrscht hier schon reger Betrieb. Erstaunlich, wie viele Menschen die lange und anstrengende Wanderstrecke in Angriff nehmen, um die wunderschöne Natur genießen zu können. Laut unserem Reiseführer ist man etwa 2 Stunden unterwegs, um die 400 Höhenmeter auf dem felsigen Wanderweg zu meistern – als erstes überholen wir eine große Gruppe Japaner, aber auch Familien mit kleinen Kindern und rüstige Senioren sind unterwegs.

Die Landschaft wechselt ständig zwischen Hochmoor und großen Felsplatten, und etwa auf der Hälfte der Strecke kommen wir sogar an Badegumpen vorbei, die sich in tiefen Felslöchern auf dem Plateau befinden.

Als wir dann in 600m Höhe den Rand des Fjords erreichen, sind wir beeindruckt: die rasiermesserscharfe Kante des Felsens fällt leicht überhängend bis zum Wasser ab. Wir sind erstaunt, wie viel Betrieb hier oben herrscht, überall sitzen Leute auf dem Plateau in der Sonne, manche liegen bäuchlings vorne an der Kante und schauen in die Tiefe, ständig kommen neue Menschen an.

Wir genießen eine zeitlang die Aussicht und schauen fasziniert dem Treiben zu, dann machen wir uns wieder auf den Weg nach unten. Obwohl es nun bergab geht, sind wir nicht schneller unterwegs, denn wir müssen ziemlich aufpassen, während wir auf dem sehr steilen Weg über die Felsbrocken nach unten klettern.

Am frühen Nachmittag kommen wir wieder auf dem Parkplatz an, essen noch eine Kleinigkeit und fahren dann weiter nach Osten. Mal wieder felsige karge Täler, Ziegen und Schafe – Autos sieht man eher selten. Wir wollen heute bis zum Ausgangspunkt für unsere morgige Wanderung fahren. Der Kjerag – ein 1000m hoher Felsen – liegt genau auf der anderen Seite des Fjords, um zum Wanderparkplatz zu gelangen, müssen wir einmal um das riesige Massiv fahren und einen steilen Pass überwinden. Auf der 34km langen Pass-Straße kommt der Grüne ganz schön ins Schnaufen. Die asphaltierte Strecke ist sehr schmal und sehr steil. In engen Serpentinen schlängeln wir uns nach oben, wenn Gegenverkehr kommt, müssen wir auf den Randstreifen oder in die Böschung ausweichen – und das müssen wir oft, den scheinbar bewegen wir uns gegen den Strom.

Da es mittlerweile schon später Nachmittag ist, halten wir nach einem Schlafplatz Ausschau. Auf der Passhöhe sind schon alle flachen Flächen durch Wohnmobile besetzt und wir haben die Hoffnung schon fast aufgegeben, als wir in einer Haarnadelkurve einen großen, geschotterten Platz sehen – leer!

Wir parken direkt an einem kleinen See am Wasserfall, zwar sehr laut, aber zweifellos auch idyllisch. Der Grüne wird mit der Schiebetür zum Tal ausgerichtet, so ist die Sonnenterrasse direkt vorm Schlafzimmer. Wir sind mutterseelenallein, genießen die schöne Landschaft und unseren See. Ich koche Abendessen und Peter versucht, ins sehr kalte Wasser zu steigen, scheitert aber an den arktischen Temperaturen.

Als wir nach dem Essen noch bei einer Tasse Wein auf unserer Panoramaterrasse sitzen, kommt ein deutsches Womo auf den Platz gerollt und richtet sich auf der anderen Seite des Wasserfalls häuslich ein. Die beiden Älteren grillen hinter ihrem Auto auf der Seeterrasse, bleiben also lieber alleine für sich. Während des ganzen Abends können wir in der Sonne sitzen und die Landschaft genießen.

Gegen 22.00 Uhr verschwindet die Sonne auf der anderen Seite hinter den Bergen. Sofort wird es kühl und wir ziehen uns in den Bus zurück, um noch eine Runde zu spielen. Als wir uns schlafen legen, stehen wir mit 3 Autos am Wasserfall, ein VW-Bus ist noch dazugekommen. Es fällt heute schwer, im fast noch Hellen beim lauten Rauschen des Wasserfalls einzuschlafen. Gegen Mitternacht werde ich noch einmal wach: es ist noch immer hell draußen und direkt vor uns steigt ein Hubschrauber aus dem Tal auf. Ich höre ihn noch lange durchs Tal hin und her fliegen. Erst am nächsten Tag erfahren wir, dass ein Basejumper am späten Abend abgestürzt ist.

 

 

20. Juni 2010, Sonntag

Valle

Mal wieder werden wir schon um 7.00 Uhr wach, weil es schon lange hell ist. Ein Blick nach draußen zeigt, dass irgendwann später am Abend noch ein weiterer VW-Bus zu uns auf den Parkplatz gesellt hat. Ein zweiter Blick aus dem Fenster zeigt uns, dass wir uns noch einmal gemütlich auf die andere Seite umdrehen können, denn der Frühnebel hängt so dicht um uns, dass an fröhliches Wandern nicht zu denken ist.

Gegen 10.00 Uhr stehen wir dann doch endlich mal auf. Nach einem schnellen Frühstück - denn der Nebel verflüchtigt sich – fahren wir bis zum Wanderparkplatz und brechen auf. Bis zum Kjerag-Felsen und zurück soll die Tour etwa 6 Stunden dauern, wobei wir von 600m Höhe auf 1000m aufsteigen müssen.

Im Gegensatz zu gestern sind wir heute fast nur auf steilen Felsplatten unterwegs, die teilweise mit Ketten abgesichert sind. Das ständige Gehen auf der schrägen Ebene ist recht anstrengend, mittlerweile kommt die Sonne auch durch den Nebel und treibt die ersten Schweißperlen auf die Stirn. Es geht ständig bergauf und bergab – über drei recht steile Hügel, die durch Schluchten und Hochmoore unterbrochen werden. Da wir parallel zum Lysefjord unterwegs sind, können wir hier und da einen Blick auf das grünblaue Wasser in der Tiefe genießen.

Die unbewachsenen, glatten Felsplatten sehen ziemlich unrealistisch aus, uns als wir in die Nähe des Gipfelplateaus kommen, müssen wir auch noch Schneefelder überqueren. Im Gegensatz zu gestern sind heute weniger Wanderer unterwegs, viele davon Norweger, die einen Sonntagsausflug unternehmen.

Irgendwann kommen wir auf dem Gipfel des Kjerag an und begeben uns auch sofort zur eigentlichen Attraktion: dem Kjerag-Bolten. Der große, runde Felsbrocken hat einen Durchmesser von etwa 2 Meter und schwebt freihängend 1000 m über dem Abgrund – sauber zwischen zwei glatten Felswänden eingeklemmt.

Es ist das Traumfoto jedes Norwegenurlaubs, sich freistehend auf dem Brocken ablichten zu lassen, das klare Wasser des Fjords weit unter sich. Wir schauen uns erst eine zeitlang die mutigen Versuche der anderen an, die rüber auf den Felsen springen, dann versuche ich es auch.

Erst beim zweiten Versuch kann ich mich dazu überwinden, mich über den Abgrund zu bewegen, mit einem ganz mulmigen Gefühl in der Magengegend. Ich bin froh, als Peter endlich das Foto gemacht hat und ich mich mit einem weiten Sprung wieder auf den soliden Boden retten kann. Leicht zitternd genieße ich erst mal ein Snickers und dann die Landschaft.

Von hier oben aus können wir zusehen, wie die Basejumper sich von der Kante weiter vorne 1000 m in die Tiefe stürzen. Schon beeindrucken, aber nix für mich!

Irgendwann wird es dann auch Zeit, den Rückweg in Angriff zu nehmen, nicht weniger anstrengend als der Hinweg, da ja die drei Täler dazwischen liegen. Gegen 15.00 Uhr kommen wir dann wieder beim Auto an und nach einer kurzen Pause kämpft sich der Grüne wieder die schmale Pass-Straße entlang zurück in die Zivilisation – diesmal mit dem Strom.

Mal wieder geht es durch steinige Täler und felsige Bergrücken weiter nach Osten. Unser nächtliches Domizil liegt kurz hinter dem kleinen Dorf Valle auf einem wunderschönen Picknickplatz.

Wir stehen direkt an einem großen, klaren Fluss, außer uns haben noch andere Deutsche, Österreicher und Schweizer den Weg hier hin gefunden. Nach Rotkraut und Semmelknödeln kann ich mich dazu überwinden, mich in die (doch recht kalten) Fluten zu stürzen. Den Rest des Abends verbringen wir in geselliger, internationaler Runde auf der Wiese am Ufer des Flusses. Es ist schon 22.30 Uhr, als die Sonne hinter den Bergen verschwindet, und viel später beenden wir unser geselliges Beisammensein – noch immer im Hellen. Als wir dann endlich im Bus liegen, ist es schon weit nach Mitternacht und die Vögel zwitschern uns in den wohlverdienten Schlaf.

 

21. Juni 2010, Montag

Sorfjorden

Schon wieder werden wir um 8.00 Uhr von der Sonne geweckt. Ich döst bei offener Tür im Bett weiter und lasse mich von der Sonne wärmen, während Peter in die eisigen Fluten springt. Etwas später sitzen wir am internationalen Frühstückstisch. Es dauert zwei Stunden, bis wir uns endlich losreißen und weiterfahren. Wir fahren nach Norden, Tagesziel haben wir keins festgelegt. Eigentlich ist das Wetter viel zu schade zum Autofahren, bei strahlend blauem Himmel herrschen fast sommerliche Temperaturen. Nach einigen Kilometern und drei Rentieren erreichen wir auf einer schneereichen Hochebene einen riesigen, glasklaren See. Die Landschaft ist herrlich und läd zum Bleiben ein. Als wir dann auch noch einen Weg finden, der über die Moorlandschaft bis hinunter ans Wasser führt, ist klar: wir müssen paddeln!

Kurz drauf parken wir am Ufer und laden die Boote vom Dach. Zuerst stellen wir mit Entsetzen fest, dass hier unzählige, kleine Stechmücken unterwegs sind, doch nach anfänglicher Panik merken wir, dass die gar nicht stechen, sondern einfach nur da sind.

Beruhigt begeben wir uns aufs Wasser. Der See ist glasklar und wir können etliche Meter tief nach unten blicken. Während wir paddeln merken wir schnell, dass die Entfernungen wesentlich größer sind, als zuerst angenommen. Bis zum anderen Ufer sind wir ziemlich lange unterwegs. Wir paddeln an Schneefeldern vorbei, die bis ins kalte Wasser reichen. Irgendwann später treffen wir auch noch einen weiteren Kajakfahrer. Der Schwede erzählt uns, dass er im Moment in Norwegen arbeitet und hier den Sommer genießt. Nach einer kurzen Unterhaltung paddeln wir den langen Weg zurück zum Bus.

Hier am Ufer ist es zwar landschaftlich wunderschön, doch da wir den Mücken nicht richtig trauen, wollen wir woanders übernachten. Zurück auf der Hauptstraße fahren wir zuerst nach Roldal, einem kleinen Dorf mit alter Stabkirche.

Wir kaufen noch schnell Brot im Supermarkt, dann geht es weiter. Unser nächster Haltepunkt ist der Buarbreen – ein großer Gletscher, von dessen Zunge ein Wildbach ins Tal stürzt. Vom Parkplatz aus wandern wir noch etwa 1,5 Stunden steil nach oben. Zuerst geht der Pfad ziemlich lange durch dichten Wald, dann wird es steil und felsig. Über unzählige Steinstufen und –platten geht es am Fluss entlang immer weiter nach oben, Metallstege und Fixseile erleichtern den Aufstieg.

Unser Pfad führt uns bis direkt an die Gletscherzunge. Außer Eismassen und Geröll gibt es hier oben nichts mehr. Da man ungesichert nicht aufs Eis gehen kann, machen wir uns nach einer Fotopause wieder an den Abstieg. Das Abrutschen an den Fixseilen macht Spaß: mit hoher Geschwindigkeit laufen wir die steilen Felsplatten hinab, es gibt fast Brandblasen an den Fingern.

Wieder am Auto entscheiden wir, dass es unklug ist, hier oben zu übernachten. Morgens früh fährt der ganze Touristenstrom über die winzig schmale Straße nach oben, um zum Gletscher zu wandern – wir würden Chaos verursachen und als Einzigte gegen den Strom schwimmen, und das bei nur ganz wenigen Ausweichbuchten.

Also fahren wir wieder runter und suchen uns ein anderes Nachtlager. Unsere Strecke führt uns nun am Sorfjorden entlang, eine relativ schmale Straße zwischen Fjord und Gletscher. Wir sind lange unterwegs, bis wir endlich einen geeigneten Parkplatz finden: direkt am Wasser und abseits von der Straße.

Es ist schon 19.30 Uhr, als wir hier ankommen, mal wieder sind wir nicht alleine, auf der anderen Seite des Platzes steht ein norwegisches Wohnmobil. Wir kommen kurz ins Gespräch, dann wird gekocht und gegessen. Da am Abend wieder Wind aufkommt, endet der Tag mit Spielen im Bus. Als wir um 23.00 Uhr schlafen gehen, scheint auf den Bergspitzen auf der anderen Seite des Fjords noch immer die Sonne. Ich höre noch lange den Kuckuck rufen, bevor ich endlich einschlafen kann.

 

22. Juni 2010, Dienstag

Voss

Als wir heute morgen um 8.00 Uhr aufstehen, ist es bewölkt. Nach einem kurzen Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Bergen. Den ersten Zwischenstop haben wir bereits nach 16 Kilometern im Städtchen Utne, denn wir müssen mal wieder mit der Fähre fahren.

Eine Viertelstunde später kommen wir ohne jeglichen Seegang auf der anderen Seite des Hardanger-Fjords an. Über eine enge Uferstraße geht es dann weiter. Je näher wir nach Bergen kommen, desto bewölkter wird der Himmel. Wir befürchten, einen von den 340 Regentagen im Jahr erwischt zu haben, denn für’s feuchte Klima ist Bergen berühmt.

Unser nächster interessanter Zwischenstop ist am Steindalsfossen. Dieser Wasserfall ist zwar nicht besonders hoch, aber man kann dahinter gehen, ohne nass zu werden. Mal wieder haben wir Glück und erwischen eine „reisebus-freie“ Phase. Ungestört können wir uns alles ansehen und Fotos machen.

Natürlich gibt es hier – wie bei den meisten norwegischen Sehenswürdigkeiten – auch Souvenier- und Verkaufsbuden, so dass die dazugehörende Shoppingtour auch sofort angeschlossen werden kann. Nach einem ergiebigen Bummel durch die Geschäfte geht es weiter.

Je näher wir Bergen kommen, umso mehr Autos sind auf der Straße unterwegs. Schnell haben wir den Stadtrand erreicht, doch bis wir eine Parkmöglichkeit gefunden haben, dauert es ziemlich lange. In der ersten Runde machen wir eine intensive Innenstadtbesichtigung, in der zweiten Runde biegen wir dann irgendwann mal auf gut Glück einfach mal nach rechts in eine unbedeutende Nebenstraße ab und siehe da: wir haben einen günstigen Parkplatz gefunden. Die zwei Kilometer zur Innenstadt sind relativ schnell gelaufen – wir haben schließlich Aktivurlaub gebucht.

Unser Weg bis in die Stadt ist recht interessant: zuerst durchwandern wir einen alten Stadtteil, in dessen Hafen alte Schiffe restauriert werden. Von hier aus haben wir auch eine phantastische Sicht auf das Clubschiff „Aida“, das gerade im Hafen von Bergen liegt. Als nächstes gelangen wir ins alte Stadtzentrum Bryggen. Wir bummeln lange durch die engen Gassen, die ganz mit Holzdielen belegt sind. Auch die etwa 300 Jahre alten Holzhäuser beeindrucken uns – alles ist eng und dunkel. Teilweise laufen wir durch endlose Häusertunnel, überall sind Geschäfte für die Touristen. Beim ersten Blick auf die Preisetiketten ist uns schon klar: Bergen ist nur zum Gucken da!

Direkt hinter Bryggen am Wasser liegt der Fischmarkt. Auf diesem Platz gibt es jedoch nicht nur Fisch zu kaufen, sondern auch Obst und die üblichen Norwegen-Souveniers. Die Preise sind hier im Vergleich zu den normalen Geschäften sehr hoch, also gucken wir wieder nur und kehren dann Bergen den Rücken. Mehr als 40 NOK für den Parkplatz haben wir hier nicht ausgegeben.

Ohne Probleme finden wir wieder aus der Stadt hinaus – diesmal schwimmen wir im dichten Verkehr der Pendler mit. Da es noch früh am Abend ist, wollen wir noch ein Stück weiter fahren. Wir finden es bemerkenswert, dass wir Bergen ganz ohne Regen erleben konnten.

Je weiter wir nun nach Osten fahren, desto besser wird das Wetter. Während wir durch eine enge, grüne Schlucht fahren, wird der Himmel wieder blau. Wir entscheiden uns, wegen einer Dusche heute auf einem Campingplatz zu übernachten. Da der Platz im Städtchen Voss uns zu teuer ist, fahren wir noch etwas weiter und finden einen günstigen an einem See.

Der Camping „Saue“ kostet 200 NOK, wir müssen eine zeitlang durch die engen Gassen kurven, bis wir einen Stellplatz gefunden haben. Wieder sehen wir viele Mücken in der Luft, doch wieder scheinen sie nicht zu stechen. Wir essen zur Sicherheit im Bus, denn draußen sind auffallend wenig Menschen zu sehen. Gegen Abend können wir dann einen strahlend blauen Himmel genießen.

Zur gewohnten Zeit – gegen 23.00 Uhr – ignorieren wir die Sonne und gehen schlafen.

 

23. Juni 2010, Mittwoch

Luster

Als wir heute morgen wach werden, scheint die Sonne in den Bus. Wir frühstücken draußen im Warmen, füllen unsere Wasservorräte auf und rollen schon um kurz nach 9.00 Uhr los. Unsere erste Etappe beträgt genau 2 Km, denn wir wollen uns den Tvindefossen, einen großen Wasserfall, ansehen.

Da wir so früh an sind, haben wir mal wieder das große Glück, den Andrang der Reisebusse vermeiden zu können. Wir wandern den kurzen Weg zum Wasserfall hoch, schauen uns alles an und machen Fotos. Schon als wir uns auf dem Rückweg zum Auto befinden, kommt uns der erste Reisebus entgegen – Glück gehabt!

Die nächste Etappe führt uns bis Gudvangen. Das kleine Dorf liegt am Ende des Naerovfjordens, dem – mit 250m Breite – schmalsten Fjord in Europa. Wir stellen den Grünen am großen Touristenparkplatz am Fährhafen ab und machen die Räder startklar. Von hier aus geht ein schmales Sträßchen 5km am Wasser entlang zum nächsten Dorf.

Da dies eine Sackgasse ist, fahren nur sehr wenig Autos und wir können die Aussicht auf die steilen Felswände des Fjords genießen. Für den 2 km langen Tunnel gibt es eine extra „Rad-Umgehung“. Als wir das Dörfchen Naeroy erreichen, schauen wir uns dort die kleine, alte Holzkirche an, die direkt am Wasser steht.

Der Rückweg nach Gudvangen ist schnell gefahren, wir bummeln noch kurz durch die Läden, bevor wir zum Auto zurückfahren. Zum Mittagessen kochen wir ein Süppchen, das wir bei bestem Wetter auf den Picknickbänken verspeisen. Mit dem Auto fahren wir dann weiter bis nach Flam.

Der Ort ist berühmt für seine Bahnlinie, die eine einzigartige Steigung aufzuweisen hat. Da der Fahrpreis von 300 NOK pro Person uns etwas zu teuer erscheint, beschränken wir uns darauf, uns den Ort anzusehen.

Mal wieder ist Ladenbummel und Shoppingtour angesagt. Im Hafen von Flam liegt ein riesiger Ozeandampfer – ich habe noch nie ein so großes Schiff gesehen. Unzählige Touristen laufen durchs Dorf, alle Läden haben reichlich Umsatz. Nachdem wir eingekauft haben, sehen wir uns das Falmbahnmuseum an. Hier wird über den Bau und die Geschichte der Bahn informiert.

Anschließend gehen wir noch in den Supermarkt Brot und Blaubeermarmelade kaufen, bevor wir unsere Fahrt fortsetzen. Zunächst geht es weiter durch den längsten Tunnel Norwegens. Hier wurde ein 25 Km langes Loch durch ein komplettes Bergmassiv gegraben. Alle 7 Km haben die Norweger große, mit blauem Licht beleuchtete Höhlen geschlagen, damit die Fahrt durch den Tunnel nicht so lang erscheint. Irgendwann kommen wir dann auch wieder ans Tageslicht, und geblendet schlagen wir den Weg nach Borgund ein.

In diesem Dorf steht die älteste Stabkirche von Norwegen. Das Gebäude besteht komplett aus Holz, das Dach hat mehrere Etagen und viele Gauben, die das Ganze sehr gemütlich wirken lassen. An den Spitzen der Gauben sind Holzverzierungen wie bei den Wikingern angebracht. Wir sehen uns das Gebäude nur von außen an, da uns 70 NOK Eintritt pro Person für so ein kleines Bauwerk doch ziemlich viel erscheinen.

Von hier aus fahren wir nun sehr lange durch sehr einsames Gebirge, an kalten Seen und an schneebedeckten Gipfeln vorbei. Die wenigen Dörfer, die wir hier oben sehen, sind wie ausgestorben, nirgends ein Mensch zu sehen.

Etliche Serpentinen-Kilometer weiter kommen wir dann unten im Tal am Ufer des nächsten Fjordes an. Hier in Ardal zweigt die winzig kleine Gebirgsstraße RV 55 ab, die uns ins 35 Km entfernte Bergdalen bringen soll. Die Straße ist beklemmend eng und windet sich in krampfaderähnlichen Kurven steil den Berg hoch. Nach einigen Km fällt uns auf, dass der Grüne im 2. Gang ab einer Geschwindigkeit von 30 Km/h komische Geräusche von sich gibt. Irgendetwas klackert beim Gas geben, doch obwohl wir mehrfach anhalten und nachsehen, können wir keine wirkliche Ursache finden. Wir entscheiden, dass es sich um ein loses Thermoblech handeln muss und fahren weiter.

Die Gegend wir immer karger und einsamer. Wir befinden uns mittlerweile auf über 1500 m Höhe, außer Felsen und flachen Sträuchern gibt es hier nichts mehr. Überall sind Eis- und Schneefelder zu sehen, im Hintergrund die großen, weißen Berge von Jotunheimen, die teilweise fast 2.500m hoch sind.

Die Straße ist nur teilweise asphaltiert und wir wunderen uns, dass auf der Passhöhe eine Mautstation eingerichtet ist. Um 70 NOK ärmer rollen wir talwärts. Vor uns tut sich bald die enge und steile Schlucht von Bergdalen auf, und etliche Kilometer weiter ist der Lustrafjord erreicht.

Mittlerweile ist es schon 20.00 Uhr und wir fangen an, nach einem Nachtplatz Ausschau zu halten. Wir müssen noch einige Kilometer fahren, bis wir einen schönen Parkplatz direkt am Wasser gefunden haben. Außer uns kamen auch schon Holländer und eine Gruppe Franzosen auf die Idee, hier zu übernachten, der kleine Platz ist voll!

Während wir unser Abendessen draußen am Wasser genießen, wärmen uns die letzten Sonnenstrahlen. Auf den Berggipfeln auf der anderen Seite des Fjords können wir noch Schneereste sehen. Den Rest des Abends lassen wir dann gemütlich ausgehen, denn der ganze Tag war sehr erlebnisreich gewesen und wir sind müde. Wie immer ist es noch hell draußen, als wir schlafen gehen.

 

24. Juni 2010, Donnerstag

Stryn

 

Als wir heute morgen wie immer um 8.00 Uhr aufstehen, sind die Franzosen schon mit dem Frühstück fertig. Wir lassen es etwas langsamer angehen und genießen während unserem Frühstück die Sonne am Wasser. Etwa eine halbe Stunde später sind auch wir zum Aufbruch bereit. Erstes Etappenziel heute morgen ist die Gletscherzunge des Nigardsbreen.

Ein Ausläufer des riesig großen Jostedal-Gletschers kommt hier runter und mündet in einen kleinen Bergsee. Der Weg bis zum See ist schmal und kurvig, doch da wir ja schon früh unterwegs sind, ist noch nicht so viel Verkehr auf der Straße. Zu unserer Verwunderung stellen wir fest, dass zwischen Parkplatz und Gletscherzunge ein Motorboot auf dem See fährt, um den Touristen den anstrengenden Wanderweg von 45 Minuten zu ersparen. Wir jedoch sparen uns die 80 NOK und gehen zu fuß – wir haben schließlich Aktivurlaub.

Der schöne Wanderweg führt über große, glatte Steinplatten, über Jahre hinweg vom Gletscher geschliffen. Wir können direkt bis ans Eis rangehen und in die leuchtend blauen Gletscherspalten sehen. Für Leute mit der entsprechenden Ausrüstung führen ins Eis geschlagene Stufen auf die Gletscherzunge drauf – ein richtiger Wanderweg. Da es uns jedoch an der Ausrüstung fehlt, bleiben wir auf den soliden Felsen und wandern wieder zurück zum Auto.

Mittlerweile sind auch die Touristenbusse mit den Reisegruppen angekommen, mal wieder Glück gehabt. Wieder am Auto angekommen entscheiden wir uns dazu, nicht den kurvigen und zeitaufwendigen Bergweg zum Geirangerfjord zu nehmen, sondern im Tal zu bleiben und an der Küste entlang der Fjorde ums Jostedalmassiv zu fahren.

Unterwegs halten wir in einem Supermarkt an und kaufen Grillfleisch für heute Abend. Den nächsten Etappenstop machen wir am Boyabreen, wo eine weitere Gletscherzunge des Jostedals über eine steile Kante zum Tal hängt.

Diesmal haben wir keine große Wanderung eingeplant, wir können mit dem Grünen fast bis ran fahren und müssen nur noch etwa 200m gehen, bis wir am Gletschersee ankommen. Leider treiben heute keine Eisschollen auf dem Wasser, obwohl große Teile des Gletschers ganz bedrohlich über die Kante hängen. Verwundert schauen wir einigen (japanischen) Touristen zu, die direkt darunter auf dem Geröllfeld spazieren, ohne die ganzen Warnschilder zu berücksichtigen.

Anschließend geht es etliche Kilometer weiter nach Osten, wir folgen den Fjorden ins Landesinnere. Da die Straße sehr schmal ist und viel Verkehr herrscht, kommen wir nur langsam voran.

Das Dorf Stryn wollen wir uns näher ansehen, da es in unserem Reiseführer als „Einkaufszentrum für den Touristen“ beschrieben ist. Wir stellen den Grünen ab und laufen durch die Gassen. Es ist erst kurz nach halb sechs, doch sämtliche Geschäfte sind schon geschlossen oder schließen gerade. Auch sonst scheint das Dorf ziemlich entvölkert zu sein – wir fahren enttäuscht weiter.

So langsam werden wir hungrig und sehen uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit um. Wir müssen noch etliche Kilometer fahren, bis wir endlich einen geeigneten Parkplatz am Wasser gefunden haben. Während wir grillen, fängt es an zu regnen, so dass wir unser Abendessen (mit Mousse ou Chocolat zum Nachtisch) im Bus genießen. Den Rest des Abends bleibt es kalt und windig, so dass wir die Zeit mit Spielen verbringen. Dies ist der erste Übernachtungsplatz, den wir ganz alleine haben, denken wir – bis ein großer LKW aus Slovenien angerollt kommt, der hier auch seine Tagesetappe beendet.

 

 

25. Juni 2010, Freitag

Dombas

Wie mittlerweile schon gewohnt werden wir um kurz vor 8.00 Uhr wach. Das Wetter ist noch nicht wesentlich besser als gestern Abend: es ist nass, kalt und wolkenverhangen. Wir verzichten heute aufs gewohnte Frühstück, denn wir wollen die Passage durch den Tunnel zum Geirangerfjord noch rechtzeitig schaffen, bevor wegen der Baustelle zwischen 9.00 und 11.00 Uhr geschlossen ist.

Zügig fahren wir los und es ist noch nicht einmal 9.00 Uhr, als wir hinter den Tunneln auf die Gebirgsstrasse zum Fjord abbiegen. Wieder kommen wir an einer Gletscherzunge vorbei, die in einen Bergsee kalbt. Das Wasser ist stellenweise noch gefroren, hier oben liegt überall noch Schnee.

Als wir dann um die nächste Kurve fahren, sehen wir einen Reisebus mitten auf der Straße stehen. Vorsichtig fahren wir näher und sehen dann drei Rentiere auf dem Weg. Zwei davon haben Geweihe, ein drittes Kleines ist ohne. Wir können noch ein paar Fotos machen, dann verschwinden die Tiere zwischen den Felsen.

Einige Kilometer weiter haben wir dann den berühmten Aussichtspunkt erreicht, von dem aus man auf den Geirangerfjord runter gucken kann. Der Himmel ist noch immer grau und wolkenverhangen, außer Nebel sehen wir in der Tiefe nichts. Die Wartezeit bis zum klaren Himmel verbringen wir damit, ein verspätetes Frühstück zu machen und bei den hier vorhandenen WC-Häuschen die noch ausstehende Morgentoilette nachzuholen.

Bis wir das alles erledigt haben, ist es auch etwas klarer geworden und wir können einen atemberaubenden Blick nach unten in die Tiefe genießen. Ein großes Kreuzfahr-Schiff liegt unten vor Anker, die hohen Berge rundherum sind teilweise noch durch Wolken verhangen.

Während wir uns über die engen Serpentinen steil nach unten kämpfen, fängt es wieder an zu regnen. Im Dorf Geiranger suchen wir uns einen passenden Parkplatz und machen einen „Hafen-Bummel“. Der Hafen selbst ist ziemlich unspektakulär, statt dessen sehen wir uns dann doch lieber die ganzen Läden an. Viele Touristen sind hier unterwegs, überrascht stellen wir fest, dass die Preise günstiger sind als in den Bergen. Mal wieder finden wir das ein oder andere Mitbringsel, bevor wir weiterfahren.

Im Nieselregen geht es auf der anderen Seite des Fjords wieder in engen Serpentinen steil den Berg hinauf, nach einigen Kurven sind wir erneut an einem Aussichtsplateau angekommen. Der Andrang der vielen Menschen auf der Plattform ist vielversprechend, doch als wir dann auch an der Kante stehen, sehen wir außer Wolken mal wieder nichts. Wir müssen lange warten, bis wir endlich ein Wolkenloch haben und nach unten aufs Wasser sehen können.

Von nun an fahren wir immer weiter nach Norden, zuerst über eine karge Hochebene und dann weiter bis zum Trollstigen, einer der eindrucksvollsten Serpentinenstraßen in ganz Europa. Es regnet und es ist so nebelig, dass wir kaum etwas sehen. Dadurch verpassen wir auch den Übergang von der Hochebene auf die Serpentinenstraße – für die nächsten Kilometer gibt es nun keine Anhaltemöglichkeit mehr. Bei Regen und Nebel kurven wir im Blindflug nach unten und erst im Tal können wir wenden und wieder hoch auf den Berg fahren. Unterwegs treffen wir einen Tourenradler aus der ehemaligen DDR, in Regensachen eingehüllt bis auf einen Augenschlitz. Wir unterhalten uns lange, haben echtes Mitgefühl mit dem armen Kerl.

Anschließend fahren wir wieder zurück auf den Berg, im strömenden Regen stapfen wir zum Aussichtspunkt, der in unserem Reiseführer so gelobt wird. Außer dem oberen Teil des beeindruckenden Wasserfalls, der von hier aus zu Tal stürzt, ist die weitere Aussicht uns leider mal wieder verwehrt. Der Weg war natürlich nicht umsonst, immerhin haben wir den Trollstigen aus zwei Richtungen erleben können.

Es regnet noch immer, als wir weiterfahren. An besonderen Höhepunkten ist heute bei dem Wetter nichts mehr geplant, wir folgen den Tälern nach Osten. Irgendwo im Romsdal machen wir dann an einer beeindruckenden Schlucht Halt, da hier ein Wasserfall mit enormer Wucht in die Tiefe stürzt. Etwas später sind wir dann mal wieder auf der Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht. Wir immer müssen wir einige Kilometer fahren, bis wir einen einsamen Parkplatz in einem Nadelwald abseits der Straße gefunden haben.

Doch so einsam, wie wir anfangs glaubten, ist es keinesfalls. Währen wir zu Abend essen, stehen um uns herum noch weitere fünf Autos und bereiten sich zum Übernachten vor. Mittlerweile hat es auch aufgehört zu regnen und der Boden ist fast schon wieder trocken. Den Rest des Abends verbringen wir mal wieder mit Spielen im Bus.

 

26. Juni 2010, Samstag

Dovrefjell

Heute morgen sind wir schon um kurz nach sieben Uhr wach, da wir gestern Abend doch recht früh ins Bett gegangen sind. Nach einem etwas länger dauernden Frühstück mit etlichen Tassen Kaffee rollen wir los. Es ist zwar trocken, aber sehr kalt – immerhin haben wir in der Nähe von Schneefeldern übernachtet. Nach ein paar Kurven haben wir schnell das Dorf Dombas erreicht.

Hier gibt es mal wieder alles, was das Herz begehrt: wir tanken, gehen Bargeld abheben, Wasser kaufen und Läden stöbern. Nach einem kurzen Besuch bei der Touristeninformation brechen wir dann wieder auf, der Plan steht fest. Wir wollen nach Norden fahren, einen Campingplatz zum Wäsche waschen suchen und ins Dovrefjell wandern, um einen Blick auf die Moschusochsen zu erhaschen.

Die Suche nach einem Campingplatz mit Waschmaschine und Trockner dauert ziemlich lange, denn die Auswahl fällt nicht leicht. Ein Platz ziemlich weit südlich und direkt an der Straße gefällt uns optisch und preislich am besten, doch wir wollen uns zuerst noch die Moschusochsen ansehen, da das Wetter passt.

Während wir weiterfahren, kommen uns immer wieder Rennradfahrer mit Startnummern entgegen, die großen Gruppen haben Begleitfahrzeuge. Unterwegs erfahren wir, dass es sich hier um ein großes, internationales Radrennen handelt. Die Fahrer sind in mehreren Etappen von Trondheim nach Oslo unterwegs. Einige Kilometer weiter nördlich kommen wir dann auf den Wanderparkplatz des Dovrefjell. Kaum angekommen fängt es auch schon wieder an zu regnen. Mal wieder legen wir eine Kaffeepause ein und warten, bis der Himmel wieder blauer wird.

Mit zwei Kameras und Regenjacken bewaffnet ziehen wir optimistisch los. Da es schon kurz vor Mittag ist, kommen uns mehr Leute entgegen, als noch hinauf auf das Fjell steigen. Der erste Teil des Wegs führt sehr steil durch den Wald hinauf, schnaufend kommen wir auf der kahlen Hochebene an. Hier oben ist Moorlandschaft, soweit das Auge reicht. Über einen matschigen und steinigen Pfad laufen wir über die Hochebene – alleine, es sind weder Touristen noch Moschusochsen zu sehen.

Wir sind vier Stunden lang unterwegs und können die Einsamkeit, schneebedeckte Berge und das Moor genießen. Während des ganzen Nachmittags treffen wir außer zwei Wanderern auf kein anderes Lebewesen. Wenigstens das Wetter hat Erbarmen mit uns, denn immer öfter schaut die Sonne zwischen den Wolken hervor und auch die Temperaturen sind jetzt angenehm. Irgendwann drehen wir enttäuscht um, denn wir wollen ja im Hellen noch am Auto ankommen.

Wir haben viele Hufabdrücke gesehen, einige Moschusochsenknödel und an einer Stelle hat sogar der Wind ganz intensiv danach gerochen, doch das Tier selber haben wir nicht gesehen. Nach fünf Stunden Wanderung, zweimal Umknicken und vier nassen Füssen wegen Bachdurchquerung kommen wir enttäuscht wieder am Auto an. Auf einer kleinen Schautafel am Parkplatz können wir sehen, was uns alles hätte begegnen können: Moschusochsen, Rentiere, Vielfraß, Wildkatzen und jede Menge sonstiges Kleingetier – selbst Letzteres blieb uns verwehrt.

Während einem kurzen Imbiss im Grünen schauen wir den Radfahrern zu, die noch immer unterwegs sind. Wir sehen auch ein deutsches Team mit Begleitfahrzeug. Die norwegischen Zuschauer grölen auch uns zu, als wir wieder nach Süden zum Campingplatz fahren. Dort angekommen, wird schnell das Zeug in die Waschmaschine gepackt, dann folgt auch für uns das wöchentliche Duschen.

Soweit funktioniert noch alles ganz gut, doch als ich die Kleider dann in den Trockner stecken will, funktioniert der nicht. Ich hole Hilfe an der Rezeption. Die Frau kommt mit, versucht ihr Glück selber, gibt mir das Geld vom Automaten zurück und sagt, dass es halt nicht funktioniert, aber sie hätte keine Zeit, sich drum zu kümmern.

Na toll, jetzt stehen wir da am späten Nachmittag mit einem Haufen nasser Wäsche, und das, obwohl wir vorher extra nach einem Trockner gefragt haben. Während wir etliche Meter Wäscheleine nach allen Seiten um unseren Bus spannen, werden wir von anderen Campingplatzbewohnern argwöhnisch angeguckt. Wir stören uns nicht dran und verschwinden kurze Zeit später in unserem Wäschekokon. Als wir uns gegen 21.00 Uhr in den Bus zurückziehen, weil es draußen zu kalt wird, ist ein großer Teil der Wäsche noch immer nass. Vom Campingplatzpersonal hat sich niemand mehr um den Trockner gekümmert.

Uns fällt auf, dass die Menschen hier oben im Norden Norwegens nicht so freundlich sind wie im Süden und im Fjordland – muss wohl mit dem rauen Klima zu tun haben. Der Rest des Abend verläuft eher ruhig. Als ich später zum Zähneputzen durch unsere Wäschebarriere nach draußen breche, erschrecke ich aus Versehen ein paar Kinder, die auch auf dem Weg zum Waschhaus sind. In der Zeit, die ich am Waschbecken verbringe, werde ich ununterbrochen angestarrt. Ich sage etwas auf englisch, die Kleinsten laufen weg, die Großen starren weiter. Die haben wohl noch nie eine dunkelhaarige Touristin gesehen? Grinsend ziehe ich mich wieder in unsere Wäscheburg zurück, die Nacht wird kalt und ruhig.

 

 

Sonntag, 27. Juni 2010,

Roros

Wie üblich erwachen wir um kurz vor acht bei blauem Himmel und Sonnenschein – nein, an der Helligkeit im Bus können wir erkennen, dass hinter der Wäsche die Sonne scheint. Wir kämpfen uns durch unsere Barriere nach draußen und frühstücken im Sonnenschein. Bis wir abreisebereit sind, sind auch unsere Kleider einigermaßen trocken.

Wir wollen heute bis zum nördlichsten Teil unserer Reiseroute vordringen, zur alten Minenstadt Roros. Die – laut Reiseführer – schönste Stadt von Norwegen ist Weltkulturerbe und sehr sehenswert.

Unser Weg dorthin führt uns durch endlose Wälder, doch so sehr wir auch Ausschau halten, es gelingt uns nicht, einen der zahlreichen Elche zu sehen. Etwa siebzig ereignislose Kilometer weiter nordöstlich haben wir unser Ziel dann erreicht.

Wir parken auf dem zentralen Touristenparkplatz und wundern uns, dass dieser so leer ist. Als wir dann durch die Fußgängerzone laufen, wird uns auch ganz schnell klar, weshalb dies so ist: heute ist Sonntag und alle Geschäfte und Läden haben geschlossen. Da wir uns aber auch Geschäfte ansehen wollen, beschließen wir, den Stadtbummel auf morgen zu verschieben. Statt dessen wollen wir das schöne Wetter ausnutzen und paddeln gehen.

Der Fluss Glama ist relativ groß und teilweise von der Straße aus einzusehen. Das, was wir sehen, ist ganz nach unserem Geschmack: Nicht sehr träge, mit kleinen Stromschnellen und klares Wasser!

Wir deponieren ein Rad im 14 Kilometer entfernten Dorf Os an der Flussbrücke im Gebüsch, parken den Grünen in den Hecken am Ufer kurz vor Roros und paddeln gespannt los. Nach den ersten flachen Stromschnellen wird der Fluss langsam, breit und tief. Rechts und links am Ufer ist nur noch Wald zu sehen, die Straße scheint eine andere Richtung eingeschlagen zu haben. Ab und zu hören wir in der Ferne ein Brummen, sonst nichts, keine Menschen, nur Vögel. Irgendwann entfernen sich die Ufer und wir kommen in einen See. Auch der war von der Straße aus nicht zu sehen. Wir brauchen eine zeitlang, bis wir den Ausgang des Sees gefunden haben, dann sind wir wieder in der Strömung. Nach etlichen ruhigen Paddelkilometern hören wir auf einmal lautes Rauschen vor uns. Verwundert sehen wir uns an; die Gegend hier ist doch absolut flach, da kann doch kein Wasserfall in Frage kommen?

Nach der nächsten Kurve rauscht es dann sehr laut und wir sehen unruhiges Wasser mit weißen Kronen. Da auch die Strömung nun immer stärker wird, beschließen wir, uns das Ganze erst mal vom Ufer aus zu betrachten. Ich schlage mit recht hoher Geschwindigkeit regelrecht in der Uferböschung ein und wate mit meinen „Crogs“ durchs Moor um die nächste Kurve. Erschrocken betrachte ich das Dilemma vor mir: Riesenstromschnellen in rauen Mengen, die ziemlich hoch sind. Wir überlegen lange, was wir machen sollen, doch da wir uns an einer Stelle befinden, von der aus wir die Straße nicht erreichen können, beschließen wir, dass wir den Abschnitt fahren können.

Peter stürzt sich todesmutig voraus – die Schwimmwesten sind sicher im Bus verstaut! Wir rasen beide in beeindruckender Geschwindigkeit mit den Wassermassen stromabwärts, teilweise sind die Wellen vor mir über einen Meter hoch. Mehr als einmal tauchen die Spitzen unserer Kajaks nach unten ab, der Spritzschutz verhindert das Schlimmste. Mittlerweile sind wir beide nass bis auf die Unterwäsche. Wir haben alle Hände voll damit zu tun, die Boote gerade in der Strömung zu halten, Ausweichmanöver passieren eher zufällig und mit viel Glück. Mir hat es eine Kontaktlinse weggespült, mit eingeschränkter Sicht geht es weiter . Nach dreihundert Metern ist ein Ende in Sich, überschüssiges Adrenalin lässt uns in euphorisches Gekicher ausbrechen. Sooo unruhiges Wasser hatten wir nicht erwartet, doch wir haben es ja heil überstanden – unsere erste richtige Wildwasserfahrt. In der nun folgenden ruhigen Passage können wir uns wieder neu sortieren: T-Shirts ausdrehen, Ersatzlinse einsetzen und Gepäck überprüfen. Alles noch da und heil.

Hinter der übernächsten Kurve dann eine neue Überraschung: vor uns taucht ein riesiges Wehr auf! Ein Warnschild weist darauf hin, dass man hier nicht durchfahren kann, wir müssen umtragen. Immerhin zeigt uns das Schild, dass wir offensichtlich auf einer Kajakstrecke unterwegs sind. Wir stranden erneut und tragen die Boote um das komplette Kraftwerk herum, ein Kajakwagen wäre hier von Vorteil. 300 Meter später bin ich froh, wieder einsteigen zu können.

Der Fluss ist nun bedeutend flacher und wir haben das Vergnügen, bis nach Os Stromschnellen fahren zu können, die kleiner und entspannender sind als die Vorherigen. An der Brücke, unter der wir das Rad abgestellt haben, herrscht starke Strömung und es ist sehr schwierig, hier kontrolliert aussteigen zu können. Ich bekomme Halt am Astwerk eines riesigen Baumes, während Peter ungebremst hinter der Brücke verschwindet. Als ich mein Kajak durch die Hecken zur Straße hoch zerre, sehe ich auch Peter von der anderen Seite her die Böschung hochklettern. Mission gelungen, alles noch ganz.

Ich kümmere mich um die nassen Sachen und die Boote, während Peter losradelt, um den Grünen zu holen. Lange warte ich nicht, da kommt der Bus auch schon um die Ecke gerollt – über die gerade Straße geht es doch schneller als über unbekannte Wasserwege! Als alles aufgeladen und verstaut ist, ist es schon kurz nach 17.00 Uhr. Wir beschließen, den Tag irgendwo in der Nähe von Roros locker ausklingen zu lassen. Kurz hinter dem Städtchen finden wir eine schöne Abstellmöglichkeit direkt an einem großen Bach. Jetzt wird erst mal gekocht, denn das Paddeln hat hungrig gemacht. Der Rest des Abends verläuft unspektakulär, ab und zu fährt mal eine Auto vorbei, sonst passiert nicht viel. Wir gehen recht früh ins Bett, denn der ereignisreiche Tag hat uns müde gemacht.

 

Montag, 28. Juni 2010,

Lom

Heute morgen werden wir um 7.15 Uhr von der Sonne geweckt. Neben uns steht ein Auto mit französischer Nummer, auf dem Weg am Bach ist ein Tunnelzelt aufgebaut. Wir frühstücken draußen, denn in der Sonne ist es heute morgen schon richtig warm. Nach der kleinen Morgentoilette und endlich mal Spülen machen wir uns wieder auf den Weg nach Roros. Obwohl wir sehr früh auf der Straße sind und durch dichten Wald fahren, verstecken sich auch heute die Elche mal wieder vor uns. So langsam glauben wir, dass es sich mit den Elchen genauso verhält wie mit den Trollen: beide dienen nur dazu, leichtgläubige Touristen anzulocken!

In Roros finden wir einen kostenlosen Parkplatz außerhalb der Stadt. Wir laufen die 500 Meter bis zum historischen Zentrum, mal wieder sind viele Reisegruppen unterwegs. Die schmalen Straßen bestehen komplett aus alten Holzhäusern, deren Dächer entweder bewachsen sind oder mit Schlacke „gedeckt“ wurden. Durch die bunten Tür- und Fensterrahmen sieht alles unheimlich warm und freundlich aus.

Hinter dem alten Schwefelwerk finden wir die ehemaligen Häuser der armen Bevölkerung. Hier sind die Gassen sehr schmal und ungepflastert, die Häuschen sind winzig und teilweise auch schief. Da die meisten Gebäude bewohnt sind, ist alles mit Blumen bepflanzt.

Wir bummeln lange durch die Gassen und klettern auch noch auf einen Schlackeberg, um einen Eindruck von oben zu bekommen. Die Schlackestücke sehen schön aus, wir folgen dem Beispiel der anderen Touristen und nehmen den ein oder anderen mit.

Es ist schon früher Nachmittag, als wir wieder los fahren. In Folldal machen wir den ersten Zwischenstop. Auf der Suche nach einer Tankstelle finden wir das alte Hüttengelände auf einem Berg. Ein Engländer, der hier wohnt, zeigt uns seine Mineraliensammlung und erklärt uns, dass wir uns das Grubenmuseum kostenlos ansehen können. Während wir durch das Freilichtmuseum bummeln, wird der Himmel über dem Rodane-Gebirge immer schwärzer und es zucken Blitze durch die Luft. Extrem starke Windböen künden einen Gewittersturm an. Wir flüchten ins Auto und fahren weiter. Schon am Ortsausgang von Folldal stürmt es so sehr, dass Massen schwarzer Erde vom Feld nebenan auf die Straße geweht werden. Wir haben kaum noch Sicht und fühlen uns wie in einem Sandsturm. Mit einem krachenden Donner setzt dann auch der Wolkenbruch ein. Wir biegen ins Grimsdal ein und wollen eine 30 Kilometer lange Erdpiste ins nächste Seitental nehmen.

Nach einigen hundert Metern stehen wir vor einer geschlossenen Schranke, daneben eine Minihütte, an deren Wand etwas angeschlagen ist. Wir halten an und warten, bis es draußen weniger schüttet, dann steige ich aus und lese das Schild. Man soll hier 80 Kronen in den Schlitz einwerfen, dann die Schranke öffnen und durchfahren. Das haben wir bis jetzt auch noch nicht erlebt. Wir werfen das Geld ein, ich mache die Schranke auf und es geht weiter. Die nächsten dreißig Kilometer fahren wir durch einsame Fjell-Landschaft, wir sehen hier keine Menschen, nur Tiere. Pferde, Kühe und Schafe sind hier so dreist, dass sie den Autos nicht ausweichen, sondern stehen bleiben. Peter schubst einmal ganz zart eine Kuh an, die absolut nicht aus dem Weg gehen will. Das blöde Vieh bleibt sogar noch stehen und leckt sich den Hintern! So viel Landschaft, doch mal wieder keine Wildtiere in Sicht.

Etliche Kilometer später kommen wir wieder an eine geschlossene Schranke – das Ende der Mautstrecke. Ein Mann kommt aus einer Holzhütte und öffnet uns den Schlagbaum; ein verdammt einsamer Arbeitsplatz.

Nun schlagen wir den Weg nach Lom ein. Eine weitere Abkürzung führt uns durch ein Seitental in Richtung Westen. Da es mittlerweile schon spät ist, suchen wir so langsam einen geeigneten Schlafplatz. An einem stehenden Gewässer fahren wir suchend etwas langsamer vorbei, schrecken jedoch entsetzt zurück: Hunderte von riesigen Schnacken schwirren durch die Luft – schnell wieder aufs Gas und weiter!

Auch auf der eigentlichen Hauptstraße nach Lom finden wir nichts Richtiges. Ständig Dörfer, Stellplätze zu dicht neben der Straße und ehe wir uns versehen, sind wir auch schon in Lom angekommen. Natürlich können wir im Dorf selbst nicht stehen bleiben, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als auf die andere Fluss-Seite zu fahren und hier weiter zu suchen.

Wir müssen nicht zu weit fahren, da finden wir auch schon einen Anglerparkplatz direkt am Fluss. Ich steige aus und mache den Mückentest: negativ, die Strömung ist zu stark. Wir suchen uns etwas abseits der Angler einen Platz am Ufer und erklären die heutige Etappe für beendet. Schnell ist das Abendessen gekocht, wir sind satt und zufrieden. Nach dem Gewitter haben wir nun wieder überwiegend blauen Himmel bei nicht zu kalten Temperaturen. Den Rest des Abends verbringe ich mit Lesen, da Peter schon sehr früh schläft.

 

Dienstag, 29. Juni 2010,

Spiterstulenhytta

Heute morgen schlafe ich ausnahmsweise mal länger als Peter. Es ist 8.00 Uhr, als ich wach werde, alleine im Bus. Ich sehe Peter drüben auf der Brücke stehen, der ist offensichtlich schon länger unterwegs.

Da ziemlich dicker Frühnebel über dem Tal hängt, frühstücken wir im Bus. Nach gemütlichem Kaffeetrinken fahren wir rüber nach Lom. Wir stellen unser Auto hier auf dem zentralen Parkplatz ab, da wir von hier aus gut alles zu fuß erledigen können. Zuerst sehen wir uns die Stabkirche an: das imposante Gebäude ist frisch geteert und sticht schwarz gegen die grüne Wiese ab. Wieder sehen wir uns die Kirche nur von außen an, da wir uns den Eintrittspreis von umgerechnet 10 Euro pro Person sparen wollen – drinnen darf man sowieso keine Fotos machen.

Anschließend wandern wir zum Mineralienmuseum, der größten Sammlung in ganz Norwegen. Fasziniert sehen wir uns die vielen verschiedenen Steine an. Unser nächster Weg führt – durch etliche Geschäfte – zur Touristeninformation, wo wir Informationsmaterial über das Naturschutzgebiet Jotunheimen finden. Nach einem kurzen Besuch des leider noch geschlossenen Freilichtmuseums machen wir noch einen Abstecher in den Nachbarort nach Nissendalen. Hier soll laut Reiseführer der Weihnachtsmann (norweg. „Nisse“) wohnen, doch wir haben kein Glück. Wir finden zwar die Hinweisschilder, aber das Christkind hält sich außerhalb der Saison scheinbar woanders auf. Enttäuscht kehren wir dem Tal den Rücken zu und machen uns auf den Weg ins Gebirge. Eine sehr schotterige Mautstraße führt uns nach 18 holprigen Kilometern auf den Parkplatz der Spiterstulenhytta.

Diese alte Bergalm liegt auf 1100m Höhe und ist Ausgangspunkt für die Wandertour zum Galdoppingen – der mit 2.469m Höhe der höchste Berg von Norwegen ist. Wir rollen auf den Parkplatz und gehen zur Hytta, um Mautgebühren und Übernachtungskosten zu bezahlen. Überrascht stellen wir fest, dass dies unser günstigster Campingplatz bisher ist. Für die heißen Duschen müssen wir zum ersten Mal nichts extra bezahlen.

Da es schon früher Nachmittag ist, können wir heute nicht mehr zum Gipfel aufsteigen, denn für die Tour muss man insgesamt 7-9 Stunden einplanen. Also kochen wir nur ein Mittagssüppchen und brechen anschließend zu einer kleinen Wanderung auf.

Alle Wege hier sind sehr steil und wir kämpfen uns etwa 500 Höhenmeter nach oben. Von hier oben haben wir eine herrliche Aussicht auf Hütte und Tal, im Hintergrund die schneebedeckten, hohen Berge von Jotunheimen. Am frühen Abend sind wir dann wieder beim Grünen und gehen erst mal heiß Duschen. Anschließend wird gegrillt: Es gibt norwegische Lamm-poise (Würstchen) mit gebratenen Klößen und Gurkensalat – eben alles, was die Campingküche so hergibt!

Während wir essen, sehen wir dem Treiben draußen zu. Es kommen noch immer Leute aus dem Tal an, die mit dicken Rucksäcken und Isomatten den ersten Steilanstieg des Wanderwegs hinaufstreben, um irgendwo zu zelten. Auf der anderen Seite des Flusses stehen jede Menge Zelte auf der Wiese. Auch von den oberen Wanderwegen steigen viele Leute ab, teils mehr, teils weniger erschöpft. Wir stehen mit der Windschutzscheibe in Richtung Fluss, Campingplatz und Einstiegshang und haben so quasi das Panoramafenster zum Geschehen.

Während wir drinnen essen, fängt es an zu nieseln. Wir spülen und schauen dem noch immer regen Treiben draußen zu. Gegen 22.00 Uhr schließen wir die Vorhänge und schlafen.

 

Mittwoch, 30. Juni 2010

Vestredalstjorna (Aurlandsdal)

Um 5.30 Uhr werde ich wach, denn eigentlich bin ich ausgeschlafen und draußen ist es schon hell. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass wir in einer riesigen Wolke übernachtet haben, es gibt absolut keine Sicht jenseits des Glases. Mittlerweile bin ich auch wach genug, um den Regen aufs Dach trommeln zu hören. Peter ist komplett unter dem Haufen Bettzeugs verschwunden – überhaupt keine Spur von „wach werden“ zu finden. Da mir nichts anderes übrig bleibt, beschließe ich, den Regen auch zu überschlafen.

Etwa drei Stunden später werden wir dann beide wach, doch dummerweise hat sich draußen noch immer nichts geändert. Wir frühstücken lange und ausgiebig im Bus, aber nach der fünften Tasse Kaffee hat sich unsere Regenwolke noch nicht fortbewegt. Auf dem Parkplatz um uns herum setzt Massenflucht ein, nach einem kurzen internationalen Gespräch im Waschraum der Hütte ist man sich einig, dass heute nichts mehr besser wird – überregionale Völkerverständigung!

Da wir Zeit haben, wollen wir den Vormittag noch abwarten. Wieder gibt es Kaffee. Irgendwann tauchen aus dem Nebel Gestalten auf: die Leute, die gestern aufgestiegen sind, um auf dem Plateau zu übernachten. Sie erzählen uns von einer nassen und kalten Nacht – jetzt geben auch wir unsere Gipfelhoffnung auf. Etwas enttäuscht rollen wir im Regen die Schlammpiste über 18 Kilometer ins Tal zurück. Dass es auch dort unten, außerhalb unserer Wolke regnet, wundert uns ein bisschen. Wir erleben unseren ersten richtigen Regentag in Norwegen. Damit hat sich die Freizeitaktivität „Wandern“ für heute erledigt, wir brauchen Alternativen.

Die finden wir dann 60 Kilometer weiter in Skjolden am Sognefjord: es ist noch immer am regnen, wir entscheiden uns für einen Badetag. Wir besuchen das öffentliche Hallenbad und ziehen da unsere Bahnen. Nach etlichen Kraul-Metern entdecke ich die Sauna, die man hier einfach mitbenutzen kann. Peter schwimmt weiter und hat das Becken für sich ganz alleine, während ich einsam zum Schwitzen verschwinde.

Nach unserer Wellness-Einheit fahren wir – gründlich gesäubert – weiter nach Westen. Bei Sogndal überqueren wir den Fjord, dann wenden wir uns nach Süden. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen, so dass wir uns statt des 25-Kilometer-Tunnels (den wir ja eh schon kennen) für die 40 Kilometer lange Pass-Straße nach Aurland entscheiden.

Der Grüne windet sich über Serpentinen auf 1.500m hoch, die Temperaturen sinken zwischen den Schneefeldern auf 5 Grad und wir durchqueren eine unwirklich wirkende Steinwüste. Wir sind fasziniert von dieser kahlen, lebensfeindlichen Gegend, doch hier oben übernachten wollen wir dann doch nicht. Also geht es auf der anderen Seite die steilen Serpentinen wieder hinab nach Aurland und wir suchen einen Stellplatz im Tal. Doch das Dorf ist sehr schmal und von steilen Felswänden umgeben, wir finden nichts. Mangels Übernachtungsmöglichkeit müssen wir also unsere geplante Route nach Süden weiter fortsetzen.

Die nächsten Kilometer führen uns nach einigen Tunnels und Serpentinen wieder ins Gebirge. Hier oben finden wir zwischen Schneefeldern einen schönen Platz direkt am See Vestredalstjorna. Nun doch wieder fasziniert von der Einsamkeit entscheiden wir uns zum Camp auf 1.400m Höhe. Den sonnigen, aber sehr kalten Abend verbringen wir nach einem kurzen Spaziergang im Bus und spielen – wie immer. Gegen 23.00 Uhr ziehen wir die Vorhänge zu und stellen uns auf eine einsame, eisige Nacht ein.

 

Donnerstag, 1. Juli 2010

Kinsarvik

Um 8.00 Uhr klingelt der innere Wecker, wir werden beide gleichzeitig wach und tauchen aus den Tiefen der Federbetten auf. Wir schon geahnt – die Nacht war kalt und einsam! Doch zur Entschädigung werden wir durchs Busfenster von der Sonne geweckt. Es gibt ein ausgiebiges Frühstück ohne jegliche Hektik, denn für heute ist eigentlich nichts besonderes geplant. Etwas später am Vormittag rollen wir dann langsam Richtung Süden weiter. Die Sonne scheint von einem absolut wolkenlosen Himmel, es sieht nach Sommer aus. Leider haben die Temperaturen die Komfortgrenze noch nicht erreicht. Immer wieder machen wir Pausen, um die schöne Aussicht zu genießen.

Im Dörfchen Al möchten wir uns das Freilichtmuseum ansehen, das in unserem Reiseführer so lobend erwähnt wird. Wir lesen im Buch, dass heute morgen um 11.00 Uhr die Pforten nach der Winterpause geöffnet werden und schrauben uns die Serpentinen zum Parkplatz hinauf.

Zeitgleich mit uns kommt auch die Angestellte des Museums dort oben an - wir erkennen sie an der norwegischen Tracht. Sie fragt uns, ob wir uns das Museum anschauen wollen, und öffnet uns das Gatter.

Auf dem Gelände wird zum Start der Sommersaison eifrig gemäht. Eine junge Norwegerin mäht mit einer Motorsense, während ein alter Mann ihr kopfschüttelnd zusieht. Nach einem kurzen Gespräch wird klar: er macht seine Arbeit entweder traditionell oder eben gar nicht! Die Frau in Tracht kommt mit einem großen Schlüsselbund zu uns zurück. Sie macht die Führung über das Gelände, sperrt uns jede Hütte mit den riesigen Eisenschlüsseln auf und erklärt alles auf englisch. Ihre Vergesslichkeit hier und da schiebt sie auf ihr Alter, erklärt uns bei manchen Gegenständen, dass sie diese schon als Kind vor dem Krieg genutzt hat und wie das Leben damals auf den norwegischen Bauernhöfen ausgesehen hat. Wir genießen die Privatführung mit traditionsreicher Familiengeschichte, die fast anderthalb Stunden dauert. Viele der alten Holzhäuser sind noch original eingerichtet, mit bemalten Innenwänden und Gegenständen aus dem täglichen Leben. Die Frau erzählt uns Geschichten aus ihrer Kindheit und erklärt dabei die Benutzung der einzelnen Einrichtungsgegenstände.

Die 50 NOK Eintritt waren es in diesem Fall wirklich wert – wir haben sehr viel über das alte Norwegen erfahren. Es ist schon früher Nachmittag, als wir endlich wieder im Auto sitzen.

Nun geht es nach Westen in Richtung Hardanger Vidda. Diese große Hochebene ist fast komplett ohne Straßen und wir haben von unserer Pass-Straße eine herrliche Aussicht auf die Landschaft, voll mit Schneefeldern, Felsen, Seen und Hochmooren.

Der nächste Höhepunkt des heutigen Tages – obwohl wir das am Anfang noch nicht ahnen – ist der Voringsfossen, der gewaltigste Wasserfall in Norwegen mit etwa 100m Höhe. Den Hinweisschildern folgend landen wir zuerst auf dem Parkplatz des Fossen-Hotels, wo wir 30 NOK fürs Parken bezahlen müssen. Da wir den Wasserfall ja sehen wollen, stellen wir den Grünen dort ab und gehen zur Aussichtsplattform. Von hier oben sieht man zwar den Wasserfall aus einer gewissen Entfernung, doch so richtig nahe dran kommen wir nicht. Statt dessen sehen wir aber auf der anderen Seite der Schlucht – hinter der Kurve über die Brücke – einen großen Parkplatz am Rande des Abgrunds, Verkaufsbuden und ein Informationscenter.

Wir fahren rüber und stellen fest, dass man hier kostenlos parken kann und zudem auch noch mehr von den Fällen sieht. Verärgert über den Nepp des Hotels können wir von hier aus eine herrliche Aussicht genießen. Unten im Tal sehen wir Leute über eine Hängebrücke laufen, also gibt es bestimmt auch einen Weg dorthin. Vom Parkplatz finden wir keine Abstiegsmöglichkeit, also fahren wir mit dem Auto einige Serpentinen nach unten, bis wir auf einen Wanderparkplatz stoßen.

Von hier aus geht ein kleiner, unbeschilderter Pfad zum Fluss. Etwa eine Stunde lang sind wir auf dem schmalen Pfad unterwegs, etliche Male über Felsgeröllfelder, über die man mehr klettert als wandert. Die großen Felsbrocken sind sehr unübersichtlich, wir sind ständig auf der Suche nach dem richtigen Weg, da dieser hier nicht wirklich gut gekennzeichnet ist.

Endlich kommen wir an der wackligen Hängebrücke an, die über den Fluss führt. Vom anderen Ufer können wir direkt auf den Wasserfall sehen. Zu dicht rangehen können wir nicht, denn durch das Spritzwasser wird jetzt schon alles tropfnass. Wir genießen, machen Fotos und begeben uns dann auf den Rückweg. Unterwegs treffen wir noch ein anderes deutsches Paar, die einen Weg vom oberen Parkplatz nach unten gefunden haben, doch der Rückweg ist nicht mehr zu finden. Sie begleiten uns zum Grünen, wir fahren sie nach oben zu ihrem Auto.

Nachdem wir uns verabschiedet haben, fahren wir runter zum Fjord und suchen uns einen Platz für die Nacht. Es ist mittlerweile schon recht spät und wir müssen noch bis Kinsarvik fahren, bevor wir etwas geeignetes finden. Der große Platz ist direkt am Fjord und wird von Deutschen und Franzosen bevölkert. Wir finden auch noch ein Eckchen für uns und kochen unsere Gnocchi in den letzten Sonnenstrahlen des Tages. Es ist schon am Dämmern, als eine Gruppe Dänen mit zwei Personen-Kleintransportern auf den Platz rollen. Die Jugendgruppe fängt an, ihre Zelte auf der Wiese neben dem Platz aufzubauen. Als wir wie gewohnt um 23.30 Uhr schlafen gehen, herrscht draußen noch Trubel.

 

 

 

Freitag, 2. Juli 2010

Odda

Fast schon wie üblich werden wir durch die Scheiben des Busses von der Sonne geweckt. Unüblich ist, dass es schon 9.00 Uhr ist – wir haben lange geschlafen! Auch nebenan im Dänen-Lager herrscht schon reges Treiben, Engländer und deutsche Hymer sind im Aufbruch, nur nebenan die Franzosen schlafen noch.

Wir setzen uns zum Frühstück in die Sonne und genießen den schönen Morgen. Als wir etwas später zu fuß in Richtung Dorf aufbrechen, sind auch die beiden jungen Franzosen mobil und wandern mit Rucksäcken an die Hauptstraße, um von dort aus zu trampen. Wir wundern uns darüber, da sie doch einen alten Mercedesbus als Wohnmobil dabei haben und so nicht wirklich auf andere Fahrzeuge angewiesen sind.

Als wir von unserem – eher unbedeutendem – Dorfbummel eine Stunde später zurückkommen, stehen die beiden noch immer an der Straße, jetzt mit einem Schild „Odda“ in der Hand. Da wir zum Wandern sowieso in die Richtung fahren wollen, nehmen wir sie mit. Unterwegs erfahren wir, dass die zwei schon seit drei Monaten reisen, jetzt aber Norwegen so schnell wie möglich nach Osten verlassen wollen, da hier alles so teuer ist. Gestern waren sie auch schon auf unserer Strecke unterwegs, wir hatten sie auf der Wanderung zum Voringsfossen getroffen. Jetzt wollen sie nach Odda trampen, da das Benzin für den alten Bus so furchtbar teuer ist, und von dort aus zur Gletscherzunge des Nigardsbreen wandern. Wir setzen sie an der Brücke von Odda ab, wünschen ihnen viel Spaß und Erfolg und fahren wieder zurück nach Tyssedal, da ich dort den Ausgangspunkt für unsere Wanderung zur „Trollzunge“ vermute.

Wir biegen in ein sieben Kilometer langes Seitental ein, die erste Privatstraße in Norwegen, die nicht gebührenpflichtig ist. Hinweisschilder zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Irgendwann kommen wir am Ende der Straße an einem Parkplatz an, nur wenige Autos stehen hier. Uns gegenüber am Berg sehen wir eine gewaltige Holzkonstruktion steil nach oben führen. Ein Hinweisschild erklärt uns, dass dies die Schienenkonstruktion einer offenen Schienenbahn ist, die früher als Touristenattraktion 700 Höhenmeter den Berg hinauf gefahren ist. Wir sehen uns das Ganze erstaunt an, leider sind wir einige Jahre zu spät an und die Bahn gibt es nicht mehr, also müssen wir notgedrungen zu fuß da hoch. Ein neues Schild zeigt uns den Fußweg zur Trollzunge, die Entfernung steht glücklicherweise nicht dabei ( sonst hätten wir das Unternehmen gar nicht erst in Angriff genommen!).

Als wir endlich am oberen Ende der Schienenbahn ankommen, sind wir nass geschwitzt und eigentlich schon müde. Die Müdigkeit verschwindet vor der Neugier. Erstaunt stellen wir fest, dass es hier oben ein ganzes Dorf mit bewohnten Hütten gibt – alles ohne Strom und Straßen. Wie wundern uns, wie die Siedlung so abgeschieden existieren kann. Menschen sehen wir nur aus der Ferne, obwohl wir mitten durch den kleinen Ort wandern, unser Weg führt auf der anderen Seite des Hochtals wieder steil den Berg hinauf. Es gibt keine Streckenangaben. Leicht verzweifelt folgen wir weiter den Hinweisschildern, den steilen Erdhang haben wir hinter uns gelassen, nun folgt ein steiler Felsenweg. Nach gerölligen Serpentinen geht der Weg über riesige Felsplatten weiter steil nach oben, hier treffen wir dann auch zum ersten Mal Leute, die uns entgegenwandern.

Als wir auf der Passhöhe angekommen sind, haben wir schon zwei Stunden Weg hinter uns gebracht. Vor uns öffnet sich ein weites, flaches Tal, ganz hinten am Horizont sehen wir eine Abbruchkante: das muss unser Ziel sein! Neu motiviert wandern wir ins Tal und kommen durch eine idyllisch-felsische Seenlandschaft. Hier finden wir auch eine Biwakschachtel, die Wanderern bei Wetterstürzen Obdach gewährt – so weit haben wir gar nicht gedacht, doch glücklicherweise ist der Himmel blau.

Von der Talsohle aus können wir auch den weiteren Verlauf des Wegs sehen. Sicher, die Landschaft ist wunderschön, doch eigentlich sind wir beide müde und würden gerne unser Ziel erreichen. Immer wieder geht es über Bäche und Schneefelder bergauf und bergab.

Nach einer weiteren Stunde treffen wir wieder zwei Wanderer, die wir nach der Entfernung fragen. Aufmunternd sagen sie uns, dass wir unser Ziel in gut einer Stunde erreicht hätten. Noch eine Stunde! Etwas frustriert wandern wir weiter, so intensiv hatten wir uns das Ganze nicht vorgestellt. Ziemlich platt kommen wir dann irgendwann an der vorstehenden, schmalen Granitschuppe an.

Wir müssen uns eingestehen, dass der fast fünfstündige Marsch sich trotzdem gelohnt hat. Außer uns ist hier oben noch ein Pärchen mit undefinierbarer Nation und Sprache. Wir fotografieren und gegenseitig auf der extrem exponierten Felsplatte hoch über dem blauen Stausee – die 1000 Meter Luft unter uns rufen ein prickelndes Gefühl hervor! Hoffentlich hält der nur 30 cm dicke Granit, hoffentlich gibt es kein Erdbeben!

Da es nun schon halb fünf ist, begeben wir uns schnell auf den langen Rückweg. Wieder begegnen uns Trekker, doch glücklicherweise fragt uns niemand nach der Länge des Wegs, so müssen wir niemand enttäuschen. Da die Zeit drängt, geht es fast im Laufschritt zurück. Als wir endlich – müde und platt – gegen 20.00 Uhr am Grünen ankommen, beginnt es zu regnen.

Wir entschließen uns, in Odda auf dem Campingplatz zu übernachten, da wir nach zwei Tagen wandern und schwitzen eine Dusche dringend nötig haben.

Geduscht haben wir auch schnell, nur mit dem Kochen dauert es etwas länger, denn unsere Gasflasche ist leer. Da unser Kühlschrank ja im Sommerdauerbetrieb war hatten wir so etwas schon befürchtet und zuhause schon eine Campinggas-Reserveflasche eingepackt. Schnell ist gewechselt, zum Kochen langt es, Kühlschrank fällt eben in der letzten Woche aus.

Es regnet den ganzen Abend, wir essen im Bus und spielen anschließend, aber nicht so lange wie sonst – todmüde fallen wir noch im hellen ins Bett, nach einer 9-Stunden-Wanderung haben wir uns das auch verdient.

 

Donnerstag, 3. Juli 2010

Valle

Heute morgen stehen wir erst um 9.00 Uhr auf – es ist schon lange hell! Ein skeptischer Blick aus dem Fenster zeigt, dass das Wetter eher durchwachsen ist: trocken und sehr wolkig. Rund um uns herum herrscht schon rege Aufbruchstimmung, doch wir frühstücken erst mal in Ruhe, bevor wir uns auf den Weg machen. Schnell stellen wir fest, dass heute anscheinend überall in Norwegen Tunnelarbeiten erledigt werden. Wir müssen die gesperrten Tunnel zweimal auf den schmalen, alten Landstraßen umfahren. Als Entschädigung für die schlechte Straße bekommen wir ein erstklassiges Bergpanorama geboten – wie es sich für Norwegen gehört auch mit tiefhängenden Wolken. Einziges Problem sind Norwegens Schafe, die einfach nicht von der Straße weichen wollen und uns bestenfalls träge ansehen, während wir hupend warten.

Erster Höhepunkt des Tages ist die kleine Holzhäusersiedlung Mjonoy, in der es laut unserem Reiseführer eine erstklassische Bäckerei gibt. Wir halten auf dem Parkplatz an der Straße und gehen zu fuß den Schildern nach. Alte, grasbewachsene Holzhütten stehen hier im Wald, eine nette Mischung aus Campingplatz, Picknickplatz und Freilichtmuseum. Auch die Bäckerei ist in einer solchen Hütte untergebracht, wir treten ein und staunen.

In der Mitte des unheimlich warmen Hauses steht ein Riesenbackofen, an allen vier Wänden befinden sich Drahtregale, die voll mit frischem Backwerk sind. Ein Schild erklärt uns, dass wir uns hier einfach bedienen sollen, um anschließend an der Rezeption des Campingplatzes zu bezahlen. Wir nehmen zwei duftende Hefeschnecken, die mit Nüssen, Zucker, Zimt und Kardamom gefüllt sind und essen die leckeren Teilchen auf den Bänken im Wald.

Nachdem wir uns so ordentlich gestärkt haben, biegen wir auf eine 18 Kilometer lange Schotterstraße ab, die uns zur „Raven-Schlucht“ führt. Laut unserem Reiseführer ist hier die Thermik so außergewöhnlich, dass ein Papier, das man von den Felsen in die 300m tiefe Schlucht wirft, nach kurzer Zeit wieder oben auftaucht.

Wir scheinen ein ungewöhnliches Tief erwischt zu haben oder die falsche Wurftechnik, denn der Papierflieger, den Peter wirft, stürzt ab wie ein Stein. Es kann aber auch an der falschen Falttechnik gelegen haben. Trotzdem genießen wir die schöne Aussicht über das weite Tal, denn heute ist die Sicht sehr klar.

Weiter geht es nach Süden, da wir uns im Dorf Amdal die Kupfergrube ansehen wollen. Unsere Minigruppe besteht aus fünf Personen inklusive Führerin, es geht zu fuß 600m weit in den Berg hinein. Bei nur 6° C ist es hier recht kühl und bei den steilen Treppen merken wir die Wandertour von gestern ganz gewaltig in den Oberschenkeln. Interessant ist, dass das Kupfer hier in diagonal laufenden Schichten abgetragen wurde. Die Führung dauert etwa 45 Minuten, dann sehen wir uns noch das angeschlossene Museum an, bevor wir weiter fahren.

Wir wollen von hier aus über einen schönen Pass nach Valle ins Otratal fahren und an der schönen Badestelle übernachten, wo wir vor zwei Wochen schon einmal gestanden hatten. Leider macht uns hier das Wetter einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Als wir die Pass-Straße mit der schönen Landschaft hochfahren, fängt es an zu regnen und außer sehr dichten Wolken sehen wir nichts mehr.

Also fahren wir ohne Unterbrechung direkt weiter bis nach Valle – hier oben zu Übernachten ist laut der Schilder an den Parkplätzen nicht erlaubt! In Valle wollen wir noch schnell eine Shoppingaktion starten, doch es ist schon nach 18.00 Uhr und die Läden bleiben alle bis Montag geschlossen.

Frustriert fahren wir zur Badestelle und reihen uns zwischen Österreicher, Norweger und Franzosen ein, die hier schon zum Übernachten stehen. Den Rest des Abends verbringen wir im Bus, es hat zwar aufgehört zu regnen, aber draußen ist doch alles nass und ungemütlich. Wie üblich spielen wir bis um 23.00 Uhr, dann gehen wir ins Bett. Ein letzter Blick aus dem Fenster zeigt, dass das Wetter sich wieder bessert.

 

Sonntag, 4. Juli 2010

Valle

Für heute haben wir einen Ruhetag geplant, also bleiben wir einfach mal bis um 9.00 Uhr im Bett liegen. Peter steht vor mir auf, ich liege noch eine zeitlang im Bus und lese. Als ich nach draußen gucke, sehe ich einen Lemming am Ufer entlang laufen – wild quietschend und im Zickzack! Staunend sehe ich ihm zu, das Verhalten des Tieres macht keinen Sinn.

Etwas später sitzen wir draußen am Tisch zusammen mit den älteren Norwegern und frühstücken. Der Mann erzählt uns über die Lemminge, dass sie sich ganz harmlose Sachen so aufregen und ärgern, dass sie tot umfallen können. Die hamsterähnlichen, braun-schwarzen Nager machen auf uns einen eher ängstlichen Eindruck, denn wir sehen sie immer nur aus der Ferne.

Nach dem Frühstück starten wir zu einer Radtour zum 40 Km entfernten Byklestiegen. Dieser Felsensteig führte früher über den Bergrücken, als es noch keinen Tunnel gab. Unser Weg führt an der Straße entlang flussaufwärts, folglich geht es die ersten 40 Kilometer nur berghoch.

Hier sehen wir nun auch noch mehr Lemminge im Straßengraben. Einer erschreckt sich durch die Räder, springt fast 30 cm hoch in die Luft und zetert uns noch lange nach. Wir sehen auch viele tote Lemminge im Straßengraben liegen – scheinbar ohne jegliche Spuren von Gewaltanwendung. Diese scheinen wirklich durch Ärger und Aufregung gestorben zu sein.

Nach etlichen Bergaufkilometern kommen wir an unserem Ziel an. Wir wandern den kurzen, alten Steig über den Berg und fahren dann wieder zurück. Schön, doch die wirkliche Attraktion unserer Tour waren wohl eher die Lemminge.

Wir freuen uns drauf, die nächsten Kilometer überwiegend bergab fahren zu können. Unterwegs werden wir von hinten angehupt, ein silberner T4 mit norwegischer Nummer überholt uns – die beiden Norweger vom Rastplatz! Als wir eine halbe Stunde später am Grünen ankommen, liegen die zwei schon in der Sonne. Wir springen erst mal in den Fluss, um uns abzukühlen – klappt bei den Wassertemperaturen auch ganz gut.

Als wir später zurück zum Auto kommen, hat sich auf dem Parkplatz einiges geändert. Etliche andere Womos und VW-Busse stehen um uns herum, die Norweger, Franzosen und Österreicher vom Vortag sind auch noch da. Während ich am Kochen bin, rollt ein weiteres deutsches Wohnmobil hinter uns. Wir machen schnell Bekanntschaft mit Daniel, Katja und der neun Monate alten Svenja.

Der Rest des warmen, sonnigen Nachmittags vergeht schnell mit Paddeln, Reden und Cappucchino-Trinken. Unsere neuen Bekannten sind nach einer Probefahrt von unseren Booten ganz begeistert. Das von ihnen gemietete Wohnmobil ist nur eine Notlösung, die Beiden halten nach einem VW-Bus Ausschau. Während die Österreicher am Nachbartisch zusammensitzen, haben wir uns nebenan im „Deutschen Eck“ niedergelassen. Die beiden Norweger sind mittlerweile weitergezogen, die Franzosen in der Mitte sind sehr zurückhaltend und von den Dänen sehen wir nichts.

Später am Abend – Svenja liegt schon auf einer Decke am Boden und schläft – kommt ein Womo mit Homburger Nummer angerollt, findet aber keinen Platz mehr und fährt weiter. Ich bin davon überzeugt, die beiden älteren Leute schon mal irgendwo gesehen zu haben.

Gegen 21.30 Uhr ziehen wir uns dann in den Bus zurück, es ist schon kalt draußen und Svenja muss schlafen. Wir spielen noch schnell ein Spiel zum Abschluss, töten die winzigen Stechmücken im Bus und gehen zur gewohnten Zeit um 23.00 Uhr schlafen.

 

Montag, 5. Juli 2010

Evje

Auch heute morgen schlafen wir bis um 8.30 Uhr. Ein Blick nach draußen zeigt, dass der Sommer von gestern heute gerade Pause macht – der Himmel ist bewölkt und es ist recht kühl. Außerhalb des Busses ist alles nass, anscheinend hat es heute Nacht geregnet.

Peter geht nach draußen zur Toilette und bleibt anschließend verschollen. Etwas später, als auch ich die sanitären Anlagen besuchen muss, bleibe ich in der kleinen Runde hängen, die sich laut schwatzend mitten auf dem Parkplatz gebildet hat. Von Daniel, Katja und Svenja ist noch nichts zu sehen, die trauen sich wohl nicht aus der warmen Gemütlichkeit ihres Wohnmobils hinaus. Um uns herum ist vom Ruhrgebiet bis Süddeutschland alles vereint, wir verquatschen den Morgen bis um 10.00 Uhr. Irgendwann beschwert sich eine der Frauen, dass die regelmäßige Aufbruchzeit schon lange überschritten ist und unsere Gruppe löst sich langsam auf.

Wir beginnen ein verspätetes Frühstück, ein Kinderquietschen verrät, dass auch unsere Nachbarn rausgekrochen sind. Nach einer weiteren Gesprächsrunde – diesmal mit Kaffee – verabschieden wir uns und ziehen langsam los in Richtung Süden.

Nach vielen Zwischenstops kommen wir an unserem Tagesziel in Evje an. Erster Anlaufpunkt hier im „Dorf der Steine“ (zu vergleichen mit Idar-Oberstein) ist die Steinschleiferei, denn ich suche ein Geburtstagsgeschenk für Mama. Nach einem ziemlich langen Entscheidungskampf können wir die Holzhütte wieder verlassen, mit vollen Taschen und leerem Geldbeutel.

Wir fahren weiter bis ins Dorf und sehen uns dort die Läden an. Leider kommen uns die Sonderangebote der hiesigen Sportgeschäfte so teuer vor, dass es bei einem Ladenbummel bleibt. Mittlerweile ist es schon Nachmittag und wir gehen Fleisch kaufen, da wir heute mal grillen wollen. Es gibt Schweineteile und einen großen gemischten Salat – Peter kann keine Nudelprodukte mehr sehen. Ein Blick in die Bäckerei des Dorfes zeigt, dass das frischgebackene Brot auch nicht knuspriger ist als die Angebote des Supermarktes. Ich kaufe nur die leckeren Hefe-Nuss-Zimt-Teilchen, dann suchen wir uns einen Platz zum Grillen.

Wir fahren wieder einige Kilometer in nördliche Richtung, denn hier sahen wir auf dem Hinweg einen großen Stellplatz direkt am Fluss. Wir grillen direkt auf den großen, flachen Steinplatten am Ufer. Vor uns auf dem Wasser befindet sich eine felsige Engstelle mit ordentlichen Stromschnellen, und den ganzen Nachmittag fahren hier die Raftingboote an uns vorbei – es wird während dem Essen nicht langweilig. Gegen Abend kommen keine Boote mehr und der Parkplatz leert sich so langsam. Wir können auf den noch warmen Steinplatten die herrliche Abendsonne genießen, denn mittlerweile haben wir wieder Sommer. Es ist kaum noch ein Wölkchen am Himmel und der Wind hat sich gelegt. So lässt sich der Urlaub mit Cappucchino und Boulespiel aushalten.

Später verlegen wir dann den Ort der Spielerei in den Bus, denn auch hier sind die kleinen Mückchen unterwegs. Draußen auf dem Parkplatz kommt noch das ein oder andere Wohnmobil an, während wir unser Carcassonne einpacken und wir gewohnt gegen 23.00 Uhr das Licht ausschalten.

 

Dienstag, 6. Juli 2010,

Halbinsel Lista

Um kurz nach acht werden wir wach, denn mal wieder scheint die Sonne in den Bus. Da wir mit unserer Norwegen-Rundfahrt eigentlich schon fertig sind, lassen wir uns heute morgen mit allem ziemlich viel Zeit. Fürs Frühstück setzen wir uns in die Sonne ans Ufer. Nach den üblichen morgendlichen Aufräumarbeiten im Bus rollen wir so gegen 10.00 Uhr los. Als Tagesziel haben wir uns die Küste in der Nähe von Kristiansand rausgeguckt, unterwegs gibt es nicht viel interessantes zu sehen. Wir fahren durch relativ langweilige, bewaldete Täler mit teilweise komplett abgeholzten Hängen – ähnlich wie bei uns, nur kälter.

Zum Übernachten habe ich unterwegs im Reiseführer die Halbinsel Lista rausgesucht. Laut Buch gibt es hier 3000 Jahre alte Felsmalereien zu besichtigen. Doch leider ist die Orientierung auf der Halbinsel recht schwierig, die Beschilderung ist wesentlich schlechter als sonst in Norwegen.

Den Supermarkt im größten Ort der Insel finden wir noch gut, dann verlassen uns Asphalt und Orientierung. Das Dorf Ode, das im Reiseführer angegeben ist, können wir noch finden, jegliche Hinweisschilder zu den Felsmalereien (auch im Reiseführer angegeben) halten sich jedoch gut vor uns versteckt.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich wohl alle Pfadfinder Norwegens heute diese Halbinsel als Wanderziel ausgesucht haben. Während wir uns auf dem engen, kurvigen Schotterweg durch die rücksichtslosen Kindermassen pflügen, halten wir vergeblich Ausschau nach irgendwelchen Hinweis-Schildern. Nach einer entnervenden Stunde geben wir auf und brechen unser Unternehmen ab.

Statt dessen fahren wir auf einen Campingplatz am Meer, denn es ist mal wieder Zeit für eine ordentliche Dusche. Den Rest des Nachmittags verbringen wir am Strand. Das Wetter ist leicht bewölkt und windig. In den Sonnenphasen ist es sehr angenehm und man kann im Badeanzug auf der Decke liegen, wenn Wolken kommen, ist es kalt genug, um eine Fleecejacke überzuziehen. Wellen gibt es in der von Felsen geschützten Bucht keine, das Meerwasser ist sehr kalt.

Am frühen Nachmittag gehen wir durch die Dünen zurück zum Bus. Nun geht es erst mal unter die ersehnte, heiße Dusche, denn vom Wind ist mir mittlerweile richtig kalt geworden. Anschließend koche ich Campingessen Nr. 1: Miraculi mit Tomatensoße!

Von dem normal regen Treiben auf Campingplätzen ist hier nicht sehr viel zu spüren, denn alle Nachbarn sind eher weit von uns entfernt und um uns herum ist es ziemlich waldig.

Gegen Abend machen wir noch einen kurzen Spaziergang an der Küste entlang, um noch etwas Bewegung zu bekommen. Wie bisher in Norwegen üblich, beinhaltet auch unser kurzer Spaziergang ordentlich Höhenmeter, und am Aussichtsberg hoch über dem Meer gibt es sogar ein Gipfelbuch, in das man sich eintragen kann.

Knapp zwei Stunden später sind wir dann wieder zuhause und widmen uns unserem üblichen Abendprogramm, bis wir wie üblich gegen 23.00 Uhr ins Bett gehen.

 

Mittwoch, 7. Juli 2010,

Lillesand

Heute morgen werden wir erst um 9.00 Uhr wach, denn es ist draußen dunkler als sonst. Ein Blick durchs Fenster klärt uns auf: grauer Himmel, der im Laufe des Morgens Regen verspricht. Aus diesem Grund lassen wir den Tag sehr langsam angehen, die Küste hat bei dem Wetter nicht sehr viel zu bieten. Da der Wetterbericht in den nächsten zwei Tagen keine Besserung zeigt, wollen wir unsere Fähre auf einen Tag früher umbuchen. Nach einem gemütlichen Frühstück im Bus fahren wir in den Hafen von Kristiansand und gehen ins Büro der „Color Line“. Dort können wir als nächstmöglichen Termin auf Donnerstag Nachmittag umbuchen, also immerhin etwas früher.

Da wir uns die Stadt erst morgen ansehen wollen, brauchen wir für heute noch ein „Schlechtwetteralternativprogramm“. Wir stöbern in unseren Reiseführern rum und entscheiden uns für den sehenswerten „Dyrepark“ – den einzigsten Zoo Norwegens.

Wir fahren also zum Südende von Kristiansand zum Zoo und suchen dort einen Parkplatz. Der erste ist voll, für den zweiten müssen wir 30 NOK Parkgebühren bezahlen. Das nehmen wir noch gelassen hin, Norwegen ist eben ziemlich teuer. Als wir dann jedoch zur Eingangspforte des Zoos kommen, stockt uns der Atem: umgerechnet 50 Euro Eintritt pro Person wollen die hier haben – und das, nur für die Tiere zu sehen!

Das ist uns entschieden zu teuer. Wir gehen zurück zum Auto und blättern im Reiseführer nach Alternativen. Auf der Landkarte finden wir ein Vermerk auf eine Sehenswürdigkeit, eine Siedlung aus der Bronzezeit. Wir fahren also wieder los und müssen ziemlich lange suchen, bis wir die Grabungsstätte an der kleinen Küstenstraße gefunden haben.

Wir zahlen ein verhältnismäßig günstiges Eintrittsgeld (freier Parkplatz) und sehen uns das teilweise rekonstruierte Gelände an. Ein Wikinger-Langhaus wurde wieder aufgebaut und eingerichtet, der Opferplatz im Wald ist rekonstruiert und an den Felswänden sind Malereien zu sehen.

Auf der großen Freifläche im Tal ist ein großes Lager aufgebaut, indem die Akteure wohnen. Während wir zwischen den Zelten umherwandern, erfahren wir, dass an diesem Wochenende ein großer Wikingermarkt stattfindet – leider zu spät für uns! Wir sehen uns die teilweise schon aufgebauten Stände an und fahren dann weiter.

Da wir noch immer Zeit haben und noch nicht so ganz genau wissen, wo wir übernachten wollen, fahren wir an der Küste entlang bis zum kleinen Hafenstädtchen Lillesand. Pünktlich mit unserer Ankunft hier setzt auch der Nieselregen ein, der den ganzen Tag schon in der Luft gehangen hat.

Zuerst überlegen wir, auf dem Wohnmobilstellplatz zu übernachten, doch 150 NOK für einen Platz ohne alles scheint uns zu teuer. Also sehen wir uns hier nur den Hafen und die winzige Fußgängerzone an, dann brechen wir wieder auf, um einen Nachtplatz zu finden.

Die Suche treibt uns wieder auf die kleine Küstenstraße in Richtung Kristiansand, und nach etlichen Fehlschlägen finden wir endlich einen großen Schotterplatz hinter einem Tunnel, den wir dann beziehen – sogar mit Meerblick!

Im Laufe des Abends hört auch der Nieselregen wieder auf, doch der Himmel bleibt grau und unfreundlich. Schade, dass das Wetter uns an unserem letzten Tag in Norwegen noch einen Strich durch die Rechnung macht, dabei war es doch bis jetzt so gut gelaufen!

Unser Abendspaziergang fällt also heute aus, statt dessen sitzen wir im trockenen Bus und spielen noch zwei Runden. Als wir uns gegen 23.00 Uhr ins Bett legen, ist es sogar dunkel draußen. Kurz bevor ich einschlafe, höre ich, wie wieder Regen aufs Dach trommelt.

 

Donnerstag, 8. Juli 2010,

Flensburg

Wir lassen den Tag heute mal wieder gemütlich beginnen, da wir viel Zeit haben. Es ist noch immer grau und nass draußen, das Frühstück findet im Bus statt. Unsere letzte Etappe in Norwegen führt uns heute nur ins 15 Kilometer entfernte Kristiansand. Wir finden einen Parkplatz zwischen Hafen und Innenstadt, ganz zentral gelegen. Die Parkgebühren bezahlt man hier, indem man die Kreditkarte durch den Automat zieht – einfach und stressfrei.

Die nächsten vier Stunden verbringen wir nun damit, einen Geschäftsbummel durch die Fußgängerzone zu machen. Die Menschen scheinen hier auf schlechtes Wetter vorbereitet zu sein: die Stadt hat vier große Einkaufsgalerien, in denen wir viele Geschäfte trockenen Fußes erreichen können. Uns fällt auf, dass etliche Menschen hier mit Gummistiefeln an den Füssen unterwegs sind.

Wir setzten einen Teil unserer letzten Kronen in Mitbringsel und Kaffeestückchen um und sehen uns dann noch den Hafen an. Mittlerweile schlägt das Wetter wieder um und es beginnt zu nieseln. Im ungemütlichen Wetter beschließen wir, genug von Kristiansand gesehen zu haben und gehen zurück zum Auto.

Der Check-in am Hafen beginnt erst in drei Stunden, wir haben noch viel Zeit. Da das Wetter nur wenig Alternativen bietet, machen wir es wie viele andere Reisende auch. Wir stellen uns in die Warteschlange am Hafen und halten noch einen Mittagsschlaf.

Gegen halb vier wird es dann ziemlich hektisch um uns. Die Lotsen zum Verladen der Fahrzeuge sind ziemlich spät dran und haben einige Mühe, die Fähre ordentlich zu beladen. Die Fahrzeuge werden auf drei Ebenen verteilt, diesmal sind ziemlich viele Wohnmobile dabei. Unser Grüner findet diesmal nur auf dem Aussendeck noch einen Platz, das ein- oder andere Wohnmobil muss wieder umdrehen und auf die nächste Fähre warten – alles ist komplett ausgebucht.

Mittlerweile scheint wieder die Sonne und es ist trocken – wir können draußen stehen, während wir ablegen. Diesmal können wir die Überfahrt bei Tageslicht genießen, wir haben Seegang und die Fähre schaukelt sich nach Dänemark.

Ein Blick aufs offene Autodeck bei der Ladeklappe zeigt, dass auch unser Bus diesmal etwas vom Meer mitbekommt. Jede Welle schickt einen Sprühregen übers Autodeck, die Fahrzeuge tropfen vor Meerwasser.

Da wir noch immer norwegische Kronen übrig haben, gönnen wir uns fettige Pommes zum Abendessen. Wir können glücklicherweise genießen, während andere Passagiere durch den Seegang leiden. Gegen 21.00 Uhr kommen wir in Dänemark im Hafen von Hirtshals an.

Wir entscheiden uns, heute noch bis zur deutschen Grenze zu fahren, denn am späten Abend lassen sich Dänemarks Autobahnbaustellen besser bewältigen. Kurz vor Mitternacht kommen wir auf den ersten Rastplatz auf deutschem Boden und beenden die heutige Etappe.

 

Freitag, 9. Juli 2010,

Saarhölzbach

Gegen 9.00 Uhr werden wir wach, denn auf den Parkplatz um uns herrscht reger Betrieb. Wir nehmen ein letztes Frühstück im Bus ein, das Spülen heben wir uns für Zuhause auf. Schnell wird alles fahrtauglich verstaut, dann rollen wir auch schon los.

Das Wetter verspricht, sonnig und warm zu werden. Da mittlerweile überall die Sommerferien begonnen haben, ist die Autobahn hoffnungslos verstopft. Wir stauen uns bei glühend heißen Sommertemperaturen längs durch Deutschland. Da wir diese Witterung nach drei nordischen Wochen nicht mehr gewöhnt sind, wünschen wir uns fast schon eine Klimaanlage.

Abends um kurz nach 21.00 Uhr kommen wir zu Hause an, eigentlich ganz froh, noch ein paar Tage einen südlichen Sommer genießen zu können.

Mein Fazit: Norwegen ist ein landschaftlich sehr schönes Land, nur sehr teuer und - für meine Verhältnisse – einfach zu kühl. Eine nette Abwechslung zu den Afrika-Touren, aber keine echte Alternative.