Nepal 2001 - Land der höchsten Berge

Nepal - Land der höchsten Berge?

 

 

 

 

 

21. Juli`01:

Nur noch vier Tage bis zum Start! So langsam haben wir alles für den Urlaub zusammen: Visa, Tickets, Abflugzeiten usw. In unserem Wohnzimmer sieht es mal wieder wie immer vor einer großen Reise aus; überall sind Tüten ausgebreitet, Ausrüstung, Kleider und Nahrungsmittel liegen wild durcheinander auf dem Boden. Mittlerweile habe ich auch Kontakt zu unserem Hotel aufgenommen und uns dort ein Zimmer für 15$ reservieren lassen. Der Mann am Telefon spricht englisch und ist sehr freundlich. Die politische Lage in Nepal hat sich nach dem Mord an der Königsfamilie wieder einigermaßen beruhigt, und nur hier und da hört man noch von Anschlägen der Maoisten, die aber im Großen und Ganzen fast nur Polizeiwachen und Beamtenwohnsitze zum Ziel haben.

 

25./26. Juli`01:

Frankfurt - Kathmandu

Endlich ist es soweit. Heute morgen bin ich schon sehr früh wach, da ich es einfach nicht mehr abwarten kann. Ich packe die restlichen Sachen zusammen und verbringe die mir verbleibende Zeit damit, das Haus aufzuräumen. Peter kommt gegen Mittag nach Hause und um 12.30 Uhr werden wir von meinen Eltern abgeholt, die uns zum Bahnhof begleiten. Von dort aus geht es mit dem Zug über Mainz nach Frankfurt zum Flughafen. Leider ist es ausgerechnet heute sehr heiß - ein Bilderbuchsommertag, aber zum Reisen absolut ungeeignet! Wir haben drei Stunden Zeit, bis unser Flugzeug endlich startet.

Unser Abflug verläuft planmäßig, über Dubai fliegen wir nach einem Zwischenstop weiter nach Kathmandu. Noch im Flughafengebäude tauschen wir Geld in nepalesische Rupien (NRP) um, bevor wir nach draußen gehen. Was uns hier erwartet, übertrifft unsere Befürchtungen bei weitem: über 50 Schlepper und Taxifahrer stehen draußen vor der Tür, um sich auf die ahnungslosen Neuankömmlinge zu stürzen. Es entsteht kurz Chaos, dann haben wir einen Minibus gefunden, der bereit ist, uns für 75 NRP (Rupien) bis vor die Tür des „Garuda“-Hotels zu bringen.

Unsere Strecke führt uns durch die schlimmsten Viertel von Kathmandu: überall Schmutz und Gestank, schmale, unasphaltierte Gassen, auf denen es vor hupenden Autos, Menschen und Tieren nur so wimmelt! Jedes Fahrzeug hupt ständig und es herrscht mehr Chaos, als wir uns vorgestellt haben. Unser Fahrzeug rast hupend mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Gassen - scheinbar ohne System. Dann kommen wir am Hotel an. Ein lächelnder, überaus freundlicher Türsteher nimmt uns das Gepäck ab und bringt es in die Halle. Wir bezahlen unser Taxi und werden sehr freundlich empfangen. Als wir in unser Zimmer kommen - das übrigens sehr sauber und ordentlich ist - stellen wir uns zuerst unter die Dusche. Es ist hier sehr heiß und schwül, so probieren wir nicht einmal, ob es heißes Wasser gibt.

Als wir uns „frischgemacht „ haben, gehen wir in den engen Gassen vom Stadtteil Thamel auf Erkundungstour. Wesentlich mehr als bei vergangenen Trips ist hier die Fremdartigkeit des Landes zu spüren. Es riecht nach Weihrauch und Räucherstäbchen, es ist alles sehr laut und man wird ständig angesprochen, um Waren zu kaufen. Immer wieder muss man hupenden Taxen ausweichen.

Nach einem guten einheimischen Essen und einem Glas Bier gehen wir zurück in unser Hotel. Wir sind von der Anreise müde und wollen früh schlafen gehen. Peter schläft sofort ein, während ich noch eine ganze Weile wach bin und dem Lärm auf der Straße zuhöre, der kein Ende nehmen will.

 

27. Juli`01, Do:

Kathmandu

Als wir heute morgen letztendlich wach werden, ist es schon halb elf. Ich fluche, denn wir müssen das Bett fluchtartig verlassen. Uns bleibt nur wenig Zeit, das Gebäude zu finden, in dem wir die Aufenthaltsgenehmigung des Annapurna-Nationalparks bekommen können.

Wir sind ganz außer Atem, als wir endlich vor dem Office stehen, Gott sei Dank noch geöffnet! Da wir uns außerhalb der Trekkingsaison befinden, ist nicht viel los und wir kommen sofort an die Reihe. Pro Person müssen wir 2000 NRP bezahlen (32 NRP = 1 DM), um das heiß begehrte „Trekking Permit“ zu bekommen. Anschließend schlendern wir erleichtert durch die Straßen von Thamel, Kathmandu`s Touristenviertel. Durch Zufall kommen wir zum Durbar Square, auf dem sich viele alte Tempel, der alte Königspalast und auch der Palast der Kumari (hinduistische, lebende Kindgöttin)befindet.

Auf dem großen Platz verbringen wir viel Zeit, doch die Kumari bekommen wir nicht zu Gesicht. Wir gehen schon früh wieder zurück in unser Hotel, da wir noch unsere Rucksäcke für die Abreise am nächsten Tag packen müssen. In dieser Nacht schlafe ich wieder sehr schlecht, da der Lärm draußen so groß ist.

 

28. Juli`01, Fr:

Kathmandu - Besisahar

Heute morgen um 5.00 Uhr klingelt unser Wecker. Schnell packen wir unsere restlichen Sachen zusammen und machen uns auf den Weg zur Busstation. Die Tickets bis nach Dumre haben wir gestern schon gekauft – für 550 Rupien pro Person. Die Geschäfte sind noch alle geschlossen und es ist äußerst schwierig, sich in den Gassen zurechtzufinden, die jetzt alle so anders aussehen. Als es wirklich Zeit für den Bus wird, entschließen wir uns, eine Fahrradrickshaw zu nehmen. Der Arme hat ganz schön zu strampeln mit uns und unserem Gepäck! Für 50 NRP setzt er uns direkt vor unserem Bus ab. Hier finden wir noch andere Rucksacktouristen, die auf dem Weg nach Pokhara sind.

Als unser Gepäck auf dem Dach verstaut ist, geht die Fahrt los. Über relativ gute Asphaltstraßen brauchen wir vier Stunden, bis wir in Dumre ankommen. Zu unserer Überraschung hält unser Bus jedoch schon nach zwei Stunden am Straßenrand - allgemeine Frühstückspause!

In Dumre müssen wir unseren Bus verlassen, da dieser nach Pokhara weiterfährt. Einen Moment lang stehen wir etwas verloren auf der Straße, dann werden wir sofort von einem Nepali zum nächsten Bus geführt. Hier finden wir leider keinen Sitzplatz mehr im Inneren des Busses, doch der Fahrer schlägt uns vor, zusammen mit unserem Gepäck auf dem Dach des Gefährts Platz zu nehmen. Etwas erstaunt klettern wir die Leiter nach oben und stellen fest, dass wir nicht die Einzigen sind, die in der „zweiten Etage“ mitfahren.

Als es endlich losgeht, werden wir ordentlich durchgeschüttelt. Es gibt kaum Möglichkeiten zum Festhalten und leider ist die Straße sehr schlecht. Oft müssen wir Erdrutsche überqueren, dann kommt eine holprige Wasserdurchfahrt. In den wenigen Dörfern müssen wir uns ständig ducken, da die Stromleitungen sehr tief hängen, und mehr als einmal werden wir von tiefhängenden Ästen fast vom Dach gefegt!

Als wir endlich in Besisahar ankommen, sind wir ziemlich geschlaucht und können es kaum erwarten, uns auf unseren eigenen Beinen fortzubewegen. Ohne Aufenthalt laufen wir sofort los. Die Streckenführung ist hier nicht ganz eindeutig. Der Fluss gabelt sich oft und wir müssen viele wacklige Bambusbrücken mit nur einem Geländer überqueren. Der Pfad an sich ist am Anfang noch trocken und gut zu begehen, doch später kommen immer mehr Erdrutsche und Geröllfelder.

Die Dörfer, durch die wir laufen, kann man nicht mehr mit der Großstadt Kathmandu vergleichen. Die Häuser sind überwiegend aus Lehm oder Brettern gebaut und mit Gras oder Wellblech überdacht.

Nachdem wir etwa die Hälfte der geplanten Strecke zurückgelegt haben, fängt es an zu schütten und in wenigen Minuten sind wir nass bis auf die Haut. Für den ersten Tag der Tour haben wir genug Kilometer hinter uns gebracht, wir entscheiden uns dafür, im Dorf Bhulbule zu übernachten.

Das „Heaven`s Guest House“ ist für europäische Verhältnisse wohl eher als Schuppen zu bezeichnen, doch für diese Gegend ist es sehr gepflegt und sauber. Unser Zimmer ist sehr klein - gerade groß genug für zwei Betten, zwei Rucksäcke und einen Nachtschrank. Die Bretterwände rechts und links sind mit Zeitung tapeziert, die Lehmaußenwand hat ein glasloses Fenster mit Blick auf den Fluss, der hinter dem Haus vorbeiläuft. In einer kleinen Hütte im Garten befinden sich Eimerdusche und Plumpsklo.

Nachdem wir einigermaßen trockene Kleider angezogen haben, gehen wir zum Essen ins hauseigene Restaurant. Die Preise sind relativ niedrig, das Essen gut und viel. Erstaunt stellen wir fest, dass wir nicht die einzigen Gäste sind. Neben uns am Tisch sitzen noch zwei Personen: ein etwas stämmiger Koreaner und sein Führer Tempa Sherpa. Der Sherpa erzählt uns, dass auch sie den Annapurna-Zirkel gehen wollen, sie haben sich 18 Tage dafür vorgenommen. Wir gehen früh ins Bett, da wir müde sind.

 

29. Juli`01, Sa:

Besisahar - Kanigaon

Als heute morgen um 6.00 Uhr der Wecker klingelt, wissen wir glücklicherweise noch nicht, was heute alles auf uns zukommt. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass es draußen in Strömen regnet. Die Motivation hält sich in Grenzen und es wird 8.00 Uhr, bis es endlich aufhört zu regnen und wir losgehen können. Der Koreaner und sein Führer sind schon lange weg.

Die Wege sind extrem schlammig und direkt am Anfang haben wir die erste Hürde. Wir kommen zu einem großen Bach, der durch die Regenfälle so viel Wasser führt, dass es unmöglich war, trockenen Fußes auf die andere Seite zu gelangen. Unsere Wanderschuhe erweisen sich nun wirklich als äußerst wasserdicht, denn das Wasser im Inneren der Schuhe kommt nicht mehr raus!

Unser Weg führt uns über große Steinstufen in einem ständigen Auf und Ab am Flusslauf entlang. Die Einheimischen haben hier richtige Treppen angelegt, teils in den Fels eingeschlagen und teils aus Steinplatten errichtet. Nach einer scharfen Kurve geht es über einen langen Anstieg nach Bahundanda (1.310m). Der Ort liegt wie eine Festung ganz oben auf einem Felsvorsprung. Überall treffen wir Einheimische, die uns die Richtung angeben, ohne dass wir danach fragen müssen.

Als wir weitergehen, sehen wir von einem der mächtigen Hänge einen Steinschlag abgehen. Riesige Steinbrocken poltern über unseren Pfad ins Tal hinunter - noch keine 200m vom nächsten Dorf entfernt! Wir hören Menschen schreien und bleiben wie angewurzelt stehen.

Hier wird uns erst bewusst, wie gefährlich eine Trekkingtour im Monsun ist. Nach einer kurzen Beratungspause gehen wir weiter, denn wir müssen ja sowieso in diese Richtung. Glücklicherweise ist niemandem etwas zugestoßen; selbst die Häuser sind ohne Schaden davongekommen. Da wir nun die Steilhänge möglichst schnell passieren wollen, wird es mit der Zeit sehr anstrengend, mit dem Gepäck zu wandern.

Erst gegen 16.00 Uhr kommen wir in unserem Zielort Syange an. Der Ort liegt auf der anderen Seite des Marsyangdi-River - unter einem steilen Felshang und direkt am Ufer des Flusses. Durch den erlebten Steinschlag sehr vorsichtig geworden ziehen wir es vor, im sicheren Kanigaon (1.180m) zu übernachten. Der kleine Ort liegt weit von den steilen Felswänden entfernt, hat aber nur eine sehr kleine Unterkunft zu bieten. Die „New Rainbow Lodge“ gehört zu einem kleinen tibetischen Haushalt und es ist das erste Mal, dass ich Nepali sprechen muss, um unsere Wünsche zu äußern. Wir bezahlen nur 60 NRP für unser kleines Zimmer und können im Garten sogar duschen.

Zum Abendessen gibt es eine riesige Portion Dhaal Bhaat, extra mit Nachschlag für Peter. Dies ist das Nationalgericht der Nepali, das hauptsächlich aus Reis, Linsenmus und sehr scharfem Gemüse besteht. Wir gönnen uns eine Flasche Bier und sind glücklich, die heutige Etappe hinter uns gebracht zu haben. Mir kommen Zweifel auf, ob die Entscheidung, diese Tour durchzuziehen, richtig ist. Die einzelnen Etappen erweisen sich schon nach dem zweiten Tag als furchtbar anstrengend, und Regen ist unser ständiger Begleiter. Doch heute Abend sind wir glücklich, es wenigstens bis hierher gebracht zu haben. Wir lassen den neuen Tag auf uns zukommen.

 

30. Juli`01, So:

Kanigaon - Tal

Welch ein schöner Anfang für einen neuen Tag! Als ich wach werde, tun mir die Bronchien weh und ich habe Kopfschmerzen. Ich schlucke ein Paracetamol und drehe mich wieder auf die andere Seite; draußen regnet es in Strömen.

Als ich eine halbe Stunde später wieder wach werde, regnet es zwar immer noch, aber die Schmerzen sind weg. Die Stimmung ist auf einem Nullpunkt angekommen, denn wir sind beide ziemlich geschlaucht. Lange sitzen wir im Zimmer und überlegen, was wir weiter tun sollen: umkehren, einen Träger anheuern oder einfach weitergehen? Wir erkundigen uns und kommen zum Entschluss, dass ein Träger zu teuer ist, Umkehren kommt nicht wirklich in Frage - die Blöße geben wir uns nicht, also können wir nur noch weiter.

Zuerst geht es sehr steil nach unten zum Fluss, dann überqueren wir eine Hängebrücke und kommen in den Ort Syange (1.190m). Hinter Syange führt der Weg wieder über Steinstufen sehr steil nach oben, dann kommen wir ins Erdrutschgebiet. Wir müssen durch drei relativ frische Erdrutsche durchklettern - Adrenalin bis zum Anschlag! Der Boden ist hier sehr weich und schlammig, ständig bröckelt Erde unter den Füßen weg. Der Fluss tost ein paar Meter unter uns und mir zittern die Finger, als ich endlich wieder auf festem Boden stehe. So habe ich mir die Tour wirklich nicht vorgestellt.

Nach zwei weiteren Kurven kommen wir in Chamje (1.430m) an. Etwas geschafft, machen wir erst einmal „große Pause“ im „Tibetan Hotel“. Während wir eine ganze Flasche Wasser trinken, kippen wir uns endlich das Wasser aus den Schuhen und drehen unsere Socken aus. Wir frischen unsere Wasservorräte auf und ruhen uns vom steilen Anstieg aus.

Hinter Chamje geht es wieder steil nach unten - wieder kommt eine große Hängebrücke. Der Marsyangdi-River hat durch den vielen Regen so viel Wasser, dass er mächtig unter uns tost.

Etwa eine Stunde später - wieder geht es steil nach oben - kommen wir nach Sattare (1.430m). Das Dorf ist sehr klein und besteht nur aus wenigen Holzhütten. Wir machen eine kleine Trinkpause, bevor wir zur härtesten Etappe des heutigen Tages kommen.

Über große Felsstufen haben wir einen Anstieg zu bewältigen, der es in sich hat. Ausgerechnet hier brennt zum erstenmal für heute die Sonne auf uns nieder. Nach einer vollen Stunde sind wir endlich oben angekommen. Neben uns stürzt der Marsyangdi-River mit einem beeindruckenden Wasserfall 200m in die Tiefe. Über uns ragen beeindruckende Felswände empor - ein recht beunruhigendes Bild, wenn ich an den Steinschlag von gestern denke. Als wir endlich - schweißnass - oben auf der Höhe ankommen, sehen wir den Ort Tal wie eine Erlösung vor uns liegen.

Die bisher schmale Schlucht wird hier sehr breit und flach, der Ort macht seinem Namen alle Ehre. Nach zwanzig Minuten haben wir die Ortsmitte von Tal (1.675m) erreicht. Das „Tibetan Hotel“ liegt am Ortsausgang des relativ großen Dorfes. Unsere Unterkunft ist sehr einfach - natürlich ohne Elektrizität und warmes Wasser. Das tibetische Personal ist sehr freundlich zu uns und macht uns sogar Platz auf ihrer Wäscheleine, damit wir unsere triefenden Sachen aufhängen können. Immerhin hat es heute nur genieselt, so dass die Kleider nicht ganz so nass sind wie gestern. Was die Schuhe betrifft, so haben wir schon seit Anfang unserer Tour keine trockenen Füße mehr, da wir ständig breite Bäche überqueren müssen - meistens ohne Brücke.

Als unser Essen fertig gekocht ist, gibt es für uns eine große Überraschung. Wir sind die einzigsten Gäste des Hauses und haben an einem der Tische des Restaurants Platz genommen, während die Familie in einem dunklen Nebenbau am Feuer sitzt. Die Frau kommt zu uns und bittet uns, zum Essen doch bitte zu ihnen hinein zu kommen. Wir ziehen die Schuhe aus und betreten den gemütlichen Raum, in dem zwei warme Feuer prasseln. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen sind wir mittlerweile so hoch, dass es Abends relativ kalt ist, und so sind wir froh, uns am Feuer wärmen zu können.

Wir werden sofort ins Gespräch einbezogen und ein Taubstummer kommt zu uns, mit dem wir uns am besten verständigen können, da die Zeichensprache sehr eindeutig ist. Die Leute versichern uns, dass das Wetter bald besser wird. Wir sitzen noch lange am Feuer, bevor wir endlich schlafen gehen. In dieser Nacht sind wir zum ersten Mal froh, unsere Schlafsäcke bei uns zu haben.

 

31. Juli, Mo:

Tal - Kotho

Als wir heute morgen aufstehen, nieselt es mal wieder. Nach Rührei und Tee machen wir uns auf den Weg. Nach 3,5 Stunden kommen wir nach Bagarchap (2.160m). Hier machen wir in der Marsyangdi-Lodge „Mittagspause“ mit tibetischem Brot und Tee.

Mittlerweile hat es auch aufgehört zu regnen und der Himmel wird heller - kein Wunder, denn wir sind ja mittlerweile auch auf „Wolkenhöhe“ angekommen. Nach unserer Pause gehen wir weiter in Richtung Chame. Hier gabelt sich der Weg und es gibt zwei Möglichkeiten.

Die „Abkürzung“ führt mit einer halsbrecherischen Steigung quer über den Hügel, während der normale Weg im weiten Bogen relativ flach am Fluss entlang führt. Nach dem wir uns kurz mit einem Träger unterhalten haben, ziehen wir es vor, den flachen und weiteren Weg zu nehmen, da wir beide nicht sehr scharf drauf sind, mit Gepäck so hoch zu klettern.

Wir sind schon eine halbe Stunde unterwegs, als uns ein Mann aufgeregt entgegen gelaufen kommt. Er spricht zwar kein Englisch, aber mit wilden Gesten gibt er uns zu verstehen, dass ein Erdrutsch abgegangen ist, der unseren Pfad unpassierbar macht. Also drehen wir um und müssen doch den steilen Pfad über den Berg nehmen. Das bedeutet für uns fast 1000m Aufstieg und dann wieder runter.

Wir sind zwei Stunden über Steinstufen unterwegs, um die erste Steigung bis nach Temang hinter uns zu bringen. Von dort aus geht es durch einen nebelverhangenen Wald ständig auf und ab. Wir haben schon lange unsere Vorstellung aufgegeben, heute bis nach Chame zu laufen. Da es mittlerweile zu regnen angefangen hat, sind kaum noch Menschen unterwegs und wir kommen uns ziemlich verloren vor.

Unsere Kräfte schwinden allmählich und wir haben keine Lust mehr, noch weiter zu gehen. Das Dumme ist nur, dass wir an keinem Dorf vorbeikommen, wo wir nach Herberge fragen können, also bleibt uns nichts anderes übrig, als immer weiter bergauf zu gehen.

Nach mehr als zwei Stunden kommt dann endlich der langersehnte Abstieg und wir sind beide ziemlich am Ende, als wir endlich in der nächsten Ortschaft ankommen. Kotho (2.560m) ist ein sehr kleiner Ort, in dem es kaum Häuser gibt. Durch nichts mehr zum Weitergehen zu bewegen kehren wir in die nächste kleine Herberge ein - glücklich, unsere Rucksäcke endlich loszuwerden.

Es gibt zwar keine Möglichkeit zum duschen, doch das ist uns heute ziemlich egal. Sofort werden die triefend nassen Sachen aufgehangen, dann gehen wir runter zum Essen. Das „Speisezimmer“ ist ein abgeschlossener Holzraum, der sich schnell aufheizt. Um wieder aufzutauen, bekommen wir heißen Zitronensaft mit Zucker zu trinken.

Wir sind heute 8,5 Stunden unterwegs gewesen - und das ständig bergauf und bergab! Als ich in meinen Schlafsack krieche (mit Thermounterwäsche und Angorasocken ausgestattet) schlafe ich sofort ein.

 

1. August`01, Di:

Kotho - Pisang

Als wir heute morgen aufbrechen, regnet es nicht - welch ein Wunder! Neu motiviert gehen wir auf die Strecke, die uns heute planmäßig bis nach Pisang führen soll. Dadurch, dass wir gestern so weit gelaufen sind und Bagarchap als Station übersprungen haben, haben wir fast einen ganzen Tag eingespart.

Im Gegensatz zu gestern haben wir heute nur 6 Marschstunden vor uns. Von Kotho aus sind wir in einer halben Stunde in Chame (2.630m), dem Ort, den wir gestern angestrebt, aber nicht mehr erreicht haben. Leider sind wir so damit beschäftigt, uns die hübschen Gassen genau anzusehen, dass wir völlig vergessen, unsere Wasservorräte aufzufüllen. Der nächste Ort - Teleku (2.775m) – ist so klein, dass es hier keine Läden gibt. Wir sind beide sehr durstig, als wir zwei Stunden später in Brathang ankommen. Das ehemalige „Rebellendorf“ ist ziemlich verlassen.

Wir fragen den Besitzer der einzigsten Lodge im Ort nach vier Flaschen Trinkwasser und hören entsetzt, dass es nur noch zwei davon im ganzen Dorf gibt. Es sind eben noch keine Lebensmittelträger vorbeigekommen. In unserer Not trinken wir gemeinsam 1,2 Liter heißen Zitronentee, kaufen die beiden Wasserflaschen und ziehen dann weiter.

Auf der anderen Seite von einer Hängebrücke haben wir wieder etliche steile Steigungen zu bewältigen - für unseren Geschmack zu viele! Nach drei Kilometern kommen wir in Pisang (3.190m) an. Der Ortsteil mit den ganzen Unterkünften liegt auf der einen Fluss-Seite, das eigentliche Dorf mit dem typischen tibetischen Kloster ist auf der anderen Seite.

Wir entschließen uns dazu, im „New Tibetan Guest House“ zu übernachten, da wir mit der tibetischen Bevölkerung bisher die besten Erfahrungen gesammelt haben. Vor dem Abendessen kommt die Besitzerin der Herberge und serviert uns heißen Zitronentee, damit wir wieder auftauen können, denn es ist mittlerweile abends sehr kalt draußen. Als es dunkel wird, kommen die Wolken aus dem Tal nach oben gezogen und es wird richtig kalt.

 

2. August`01, Mi:

Pisang - Manang

Auch heute Morgen regnet es nicht, als wir aufstehen. Die Kleider, die wir optimistisch auch über Nacht draußen hängen gelassen haben, sind fast alle trocken. Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Manang.

Da wir den Pass noch vor uns haben, entscheiden wir uns für einen flachen Pfad am Fluss entlang und nicht für den Höhenweg, von dem wir bei gutem Wetter eine schöne Aussicht haben würden - der aber auch zwei anstrengende Stunden länger dauern würde. Wir sind erstaunt, als wir in weniger als zwei Stunden schon Ongre (3.325m) erreicht haben.

Unser Weg führt wie am Vortag durch einen lichten Kiefernwald und überall auf den Grasflächen weiden Schafe und Pferde. Nach 1,5 Stunden leichter Wanderei, die uns beiden gut gefällt, kommen wir in Braga (3.475m) an.

Die Steinhäuser drängen sich an die ausgehöhlten Reste eines Bergsturzes und suchen Schutz vor dem Wind. Auf einer Klippe über dem Ort thront ein Kloster. Der Bau ist über 500 Jahre alt und beherbergt eine Reihe interessanter Kunstwerke, darunter 108 Terrakotta-Statuen. Da Peter sich nicht so ganz wohl fühlt, lassen wir diesen Ort rechts von uns liegen und gehen weiter nach Manang (3.535m).

Wir sind erstaunt, in dieser kargen Landschaft eine so große Siedlung anzutreffen. Das Dorf ist sehr groß und besitzt ein Krankenhaus, eine Bank, Telefonstation, Polizei und etliche Geschäfte, in denen man alles mögliche kaufen kann.

Wir entscheiden uns für eine Lodge, die nicht unmittelbar am Fluss liegt, da wir auch mal ohne das störende Rauschen schlafen wollen. Als wir hier ankommen, sind wir mal wieder die einzigen Gäste, und außer einem Jungen von etwa 15 Jahren ist niemand da.

Der große Schlafsaal der Lodge ist zwar mit vier Betten ausgestattet, aber da wir die einzigen Gäste sind, haben wir das Zimmer für uns alleine. Überrascht nehmen wir zur Kenntnis, dass es hier Strom gibt.

Zum Essen setzen wir uns in der Dachetage ins „Restaurant“ - einem großen holzvertäfelten Raum mit drei Glasseiten, aus dem man einen herrlichen Ausblick auf die Hauptstraße und auf den Eisfall auf der anderen Fluss-Seite hat. Während wir essen, sehen wir, dass in der Lodge auf der anderen Straßenseite unser Koreaner aus Bhulbhule Einzug hält.

Da hier oben in den Bergen sämtliche Geräusche der Zivilisation wie Motorenlärm, Telefon, Radio und Fernseher fehlen, ist es völlig still, wenn niemand spricht. Was uns an unserer Unterkunft etwas irritiert, ist der Mangel an Personal.

Mittlerweile ist es fast dunkel draußen, und außer dem Fünfzehnjährigen ist niemand zu sehen. Zugegeben, unser Essen ist sehr gut gewesen, aber wo sind die Erwachsenen? Viel später - als ich gerade ins Bad gehe - kommt plötzlich ein Mann auf einem Pferd angeritten und fragt mich, ob das Duschwasser denn auch warm sei. Ich bin ganz erstaunt, hier in fließendem Englisch angesprochen zu werden und habe erst recht nicht mit fließend heißem Wasser gerechnet.

Der Mann entpuppt sich als Herr des Hauses und zeigt mir, wie die Dusche funktioniert. Diese Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen und genieße eine heiße Dusche. Als ich dampfend in unserem Zimmer vor Peter stehe, der schon im Schlafsack gelegen hat, springt auch er wieder auf und verschwindet mit einem Handtuch in Richtung Bad.

Später komme ich noch einmal mit unserem Hausherrn ins Gespräch und er bietet uns an, am nächsten Morgen um 7.oo Uhr mit auf den Hügel zum tibetischen Tempel zu gehen und dort bei den Zeremonien zuzuhören. Dankbar und begeistert nehmen wir das Angebot an. Wir planen, an diesem Abend früh schlafen zu gehen, doch bis ich schließlich einschlafen kann, dauert es sehr lange. Zu viele Eindrücke stürmen in dieser sonderbaren Gegend auf uns ein.

Die Dörfer sind für europäische Verhältnisse sehr arm, und trotzdem sind die Menschen hier glücklich und zufrieden. In unserem Hotel können wir uns sogar glücklich schätzen, elektrisches Licht zu haben. Es ist seit Kathmandu das erste Mal, dass wir unsere Kerze nicht anzünden müssen. Doch das ändert sich schnell, denn kurz nach sieben Uhr ging das Licht in unserem Zimmer aus. Als wir erstaunt aus dem Fenster sehen, stellen wir fest, dass alle Lichter in ganz Manang erloschen sind. Damit ist der Tag für uns wirklich beendet.

 

3. August`01, Do:

Manang

Als wir heute morgen aus dem Fenster sehen, können wir es fast nicht glauben, es regnet tatsächlich. Man hat uns doch versichert, dass es hier im Wetterschatten der Annapurnas kaum Niederschläge gibt! Aber da wir ja doch nichts dran ändern können, nutzt es auch nichts, sich drüber zu ärgern. Statt dessen ziehen wir uns an und gehen noch schnell eine Tasse Tee trinken, bevor wir uns auf den Weg zum Kloster machen wollen.

Noch während wir oben in unserem „Aussichtszimmer“ sitzen, sichten wir unseren Hausherrn auf dem schmalen Pfad hinter der Lodge. Er führt sein Pferd am Zügel, und im Sattel sitzt ein sehr alter Lama - ein religiöser Gelehrter des tibetischen Buddhismus. Dem Pferd folgt eine ganze Gruppe von Pilgern und die kleine Prozession zieht in Richtung Kloster.

Nun müssen wir uns sputen, um nachzukommen; schnell trinken wir unsere Tassen leer und rennen der Gruppe nach. Am Hang kurz vor dem Tempel haben wir sie eingeholt, und wir werden von den Pilgern freundlich begrüßt. An der Türschwelle des Tempels ziehen alle ihre Schuhe aus, und uns wird eine Matte auf den Boden gelegt, auf der wir uns im Schneidersitz niederlassen.

Die Pilger sitzen an langen Reihen des Haupttempels, während der Lama auf einem erhöhten Podest Platz nimmt, ganz wie es seiner Stellung entspricht.

Da das Gebet nicht sofort beginnt, haben wir genügend Zeit, uns im Raum umzusehen. Die beiden Seitenwände haben je drei Milchglasfenster, die ein wenig Licht in den große Saal lassen. Von den Fenstern und der Tür abgesehen, ist fast jeder Zentimeter der Außenwände von Bildern bedeckt. An der gesamten Rückseite des Gebäudes stehen große goldene Buddhastatuen hinter dicken Glasscheiben. Die Decke des Saales ist mit zehn großen Holzpfosten abgestützt, an denen verschiedene Gegenstände hängen. Neben den typischen tibetischen Trommeln sehen wir bunte Dämonenmasken, Tücher und Schellen.

Dadurch, dass von der Decke selbst unzählige Stoffbahnen hinabhängen, macht der Raum einen sehr gedrängten und niedrigen Eindruck. Dieser wird noch durch die rauchige Luft verstärkt, die durch Räucherstäbchen und Weihrauchtöpfe ziemlich stickig ist.

Die Pilger haben sich auf ihren Kissen niedergelassen und packen ein dickes Gebetsbuch aus - lauter einzelne Blätter zwischen zwei dicken Holzbrettern. Als nächstes komm drei Frauen in den Raum, die sich zuerst einmal nach tibetischer Sitte ein paar mal vor dem Altar auf den Boden werfen, dann schenken sie allen - auch uns - eine Schale mit tibetischem Buttertee ein. Das milchig-weiße Getränk schmeckt eher salzig und ist für unsere Verhältnisse gar nicht mit Tee zu vergleichen; eher mit Suppe.

Als wir trinken, werden wir von lauter grinsenden Gesichtern abwartend betrachtet. Dann kommt wieder eine Frau und geht mit einer großen Platte Tsampa - tibetisches, grob gemahlenes Mehl - rund. Dieses wird zusammen mit Butter und Tee zu einem Teig vermischt und so verspeist. Als alle fertig gegessen haben, werden die Teeschalen neu aufgefüllt und nun wird gebetet.

Die nächsten drei Stunden vergehen mit dem dunklen monotonen Gemurmel der Betenden, das so richtig zum Träumen einläd. Zwischendurch werden immer wieder Trommeln geschlagen, mit großen Hörnern geblasen und mit Glöckchen geläutet.

Gegen Mittag gibt es wieder etwas zu essen. Diesmal bekommen wir Chapati - Brotfladen aus eben beschriebenem Teig - mit irgend einem scharfen Gemüse vorgesetzt. Diese Fladen sättigen unheimlich und ich kann nur dreiviertel von meinem essen. Nach der Mahlzeit gehen alle nach draußen an die frische Luft.

Der Lama versucht sich mit uns zu unterhalten, aber da er kaum englisch spricht und wir seine Sprache gar nicht beherrschen, ist dies sehr schwierig. Mit Hilfe eines Übersetzers - einige Pilger sprechen etwas englisch - können wir sagen, woher wir kommen und wohin wir wollen. Wir erfahren auch, dass dieser Lama eine sehr hohe Person ist, die hier nur auf der Durchreise ist und morgen bereits in Richtung Muktinath weiterziehen wird. Kurz bevor wir uns verabschieden, lassen wir uns von ihm den Segen geben. Als wir uns verabschieden, wünschen sie uns alle eine gute Reise und eine sichere Passüberquerung.

Tief in Gedanken versunken gehen wir den steilen Berg hinunter zurück ins Dorf, während die Pilger bis 18.00 Uhr weiterbeten. Es ist erst früher Nachmittag und uns gehen so langsam die Ideen aus, was wir im Dorf noch alles machen können, bis zum Abend. Es gibt zwar etliche Geschäfte und Trekkingläden, doch die sind außerhalb der Saison leider geschlossen. Wir entscheiden uns, zum kleinen Gletschersee zu wandern, der auf der anderen Seite des Flusses liegt. Er wird von dem großen Eisfall gespeist, den man im dichten Nebel noch geradeso erkennen kann.

Der Weg dorthin ist äußerst beschwerlich, da der schmale Trampelpfad total zugewuchert ist und der Untergrund ist durch den ganzen Regen sehr matschig.

Der See ist relativ klein und hellgrün - das Wasser sieht unangenehm kalt aus. Nach diesem kleine Ausflug kommen wir von Norden zurück ins Dorf und wandern durch die engen, schlammigen Gassen zurück in Richtung Lodge.

Wir setzen uns auf die Dachterrasse, um unseren Ruhetag ausklingen zu lassen. Nach dem Abendessen gehen wir runter in unser Zimmer und packen die Sachen zusammen, da es am nächsten Morgen wieder weitergeht. Als es dunkel wird, legen wir uns schlafen, da es noch immer kein Strom gibt und wir unsere eigene Kerze für Notfälle aufheben wollen.

 

August`01, Fr:

Manang - Thorong Phedi

Auch heute Morgen regnet es, als wir um 6.00 Uhr wach werden. Leider haben wir keine andere Möglichkeit, wir müssen aufstehen, um unsere Tour fortzusetzen. Nachdem wir alles wasserdicht in unsere Rucksäcke gepackt haben, gehen wir zuerst noch frühstücken, bevor wir im Regen aufbrechen.

Unsere Route verläuft heute die ganze Zeit relativ steil nach oben und es ist anstrengend, vorwärts zu kommen. Bereits nach einer Stunde haben wir das kleine Dorf Gunsang (3.960m) erreicht. Hier herrscht der reinste Bau-Boom. Überall werden große Touristenunterkünfte errichtet.

Die Strecke bis zum nächsten Dorf zieht sich unendlich lange hin und ich bin ziemlich außer Atem, als wir in Yak Kharka ankommen. Von hier aus geht es wieder ständig bergauf und die Strecke nimmt kein Ende, bis wir endlich in Ledhar (4.250m) ankommen. Als wir entmutigt über die schlammige Hauptstraße schlurfen, öffnet sich plötzlich eine Tür. Es ist eine unauffällige Herberge - ebenfalls im Umbau - doch hier bekommen wir freundlich Essen und heißen Tee angeboten.

Uns wird versichert, dass es nicht mehr weit bis Thorong Phedi ist, doch was Streckenangaben betrifft, sind wir mittlerweile vorsichtig geworden.

Als wir uns aufgewärmt haben, beenden wir unsere Pause und es geht wieder raus in den Regen. Im Schlepptau haben wir einen Einheimischen aus Phedi, der auf dem Nachhauseweg ist. An einer Weggabelung rät er uns, mit ihm den unteren Weg zu nehmen, da dieser um einiges kürzer ist.

Der nun folgende Wegabschnitt ist ziemlich gefährlich, da wir eine riesige Erdrutschzone durchwandern. Unser Freund ermahnt uns, nie stehen zu bleiben, da dann die Erde wegrutschen wird - bei der Steigung einfach gesagt!

Der Hang ist sehr steil und oft ist der angelegte Pfad so schmal, dass nur ein Fuß auf die Fläche passt. Wenn man zu lange wartet, rutscht der Boden unter den Füßen weg. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht abzustürzen. Als wir dann um die nächste Kurve kommen, liegt Thorong Phedi (4.420m) endlich vor uns. Dankbar verabschieden wir uns von unserem Begleiter und gehen zur einzigen Lodge, die hier steht.

Da wir beide von der heutigen Etappe ziemlich fertig sind, haben wir keine Lust, weitere 400 Höhenmeter bis zum „high camp“ aufzusteigen. Wir ziehen es vor, hier im etwas bequemeren „base camp“ zu verweilen.

Im Esszimmer und Aufenthaltsraum treffen wir noch andere Trekker, darunter ein Schwede, der mit einer privaten Gruppe unterwegs ist und unser alter Freund aus Korea. Der Koreaner ist nicht sehr gesprächig und sieht ziemlich müde aus, sein Führer Tempa Sherpa hingegen spricht sehr gut englisch und wir kommen ins Gespräch.

Er hat schon etliche Touren geleitet und hat schon zweimal auf dem Mount Everest gestanden, zudem ist er ein Großneffe vom berühmten Sherpa Tenzing Norgay, der zusammen mit Hillary als erster auf dem Mt. Everest war.

Durch seine Erfahrung vorsichtig geworden besteht er drauf, dass der Koreaner den Aufstieg zum Pass zu Pferd bewältigen soll. Später, als wir in gemütlicher Runde zusammensitzen, kommt ein weiterer, triefend nasser Trekker ziemlich k.o. in den Raum gestolpert.

Marcel ist Holländer und erst seit sechs Tagen von Besisahar aus unterwegs. Er hat diese Tour in seinen dreimonatigen Asienaufenthalt eingestrickt und will ebenfalls am nächsten Morgen über den Pass.

Kurz bevor es dunkel wird entschließen sich der Schwede und seine Gruppe, doch noch zum „high camp“ aufzusteigen, da sie heute noch nicht sehr lange gelaufen sind - sie kommen von Ledhar, der Hälfte unserer Strecke. Als die beiden gehen, wird es ziemlich ruhig im Raum.

Der Koreaner hat sich schon früh zu Bett gelegt, Peter geht auch schlafen, da er sich nicht wohl fühlt, also sitzen nur noch Marcel, Tempa Sherpa und ich am Tisch. Wir unterhalten uns prächtig.

Um 20.00 Uhr gehen wir schlafen; für Peter, Marcel und mich ist die Nacht schon um 4.30 Uhr zu Ende, Tempa und der Koreaner werden erst um 7.00 Uhr mit einem gemieteten Pferd starten.

Unser heutiges Domizil ist sehr feucht, da die Decke undicht ist. Außerdem ist es sehr kalt, so dass ich ständig wach werde, um weitere Kleider aus meinem Rucksack rauszuwühlen und überzuziehen.

 

5. August`01, Sa:

Thorong Phedi - Muktinath

Die Zeit ist einfach nicht aufzuhalten - um 4.30 Uhr klingelt der gottverdammte Wecker! Wir fangen an, unsere Sachen mit der Taschenlampe zusammen zu räumen.

Peter hat noch immer Kopfschmerzen und mir wird es ganz anders bei dem Gedanken, heute diesen fürchterlichen Pass zu überqueren. Um 5.15 Uhr sind wir dann soweit, dass wir aufbrechen können, und zwar alleine. Marcel hat verpennt und mit ihm ist in der nächsten halben Stunde nicht zu rechnen.

Temba Sherpa und der Koreaner sind noch nicht wach. Da die beiden mit dem Pferd schneller voran kommen, wollen sie erst um 7.00 Uhr starten. Temba hat uns am Vorabend erzählt, dass auf 14 Expeditionen, bei denen er dabei gewesen ist, Leute ums Leben gekommen sind, die ihre Kräfte überschätzt haben, also will er kein Risiko mehr eingehen und besteht drauf, dass der Koreaner reitet.

Wir brechen ganz alleine auf. Das erste Stück des Weges ist fürchterlich steil und beinhaltet einige leichte Kletterpassagen. Wir kommen nur in winzigen Schritten voran und müssen aufpassen, um nicht nach hinten zu rutschen.

Wir brauchen fast eine Stunde, bis wir am „high camp“ auf 4.800m ankommen. Hier ist schon alles leer und verlassen, also ist der Schwede mit seiner Gruppe schon auf dem Weg. Ab hier wird es sehr nebelig, und wir sehen keine zehn Meter weit.

Während wir weiter gehen, bekommen wir die Höhe gewaltig zu spüren: jeder Schritt kostet unheimlich viel Energie und die Luft brennt in unseren Lungen. Hinzu kommt, dass das Wetter nicht unbedingt auf unserer Seite ist. Die Sicht wird zunehmend schlechter und es fängt langsam an zu schneien.

Unendlich lange geht es immer nur bergauf, mal mehr und mal weniger steil. Etwa in der Hälfte des Aufstiegs kommen wir an einem Teehaus vorbei. Auch hier wird renoviert und gebaut - wie überall außerhalb der Saison. Die Arbeiter kommen raus, grüßen uns freundlich und verschwinden wieder im warmen Kerzenlicht ihrer Hütte.

Es fällt schwer, an dieser Behausung mit Gesellschaft vorüberzuziehen. Seit dem „base camp“ haben wir keine Menschenseele mehr gesehen und die einsame Gegend ist unheimlich. Vom Teehaus haben wir laut Temba Sherpa noch zwei schlimme Stunden Weg vor uns - wie schlimm, wird erst klar, als der Verlauf des Weges zunehmend unklarer wird. Ich habe ständig Angst, den richtigen Weg aus den Augen zu verlieren. Der Schnee macht die Sache nicht einfacher, denn nun werden die Steine glitschig. Nach fast zwei Stunden haben wir die Spitze des Passes noch immer nicht erreicht.

Ich werde langsam unruhig. Wenn wir uns hier oben verlaufen , können wir den Hauptweg im dichten Nebel nicht mehr finden. Außer dem Jungen im Teehaus haben wir noch niemand gesehen und es ist unangenehm still. In trostlose Gedanken versunken höre ich plötzlich Glöckchengebimmel. Habe ich nun endgültig mit Höhenhalluzinationen zu tun? Einige Zeit später hört auch Peter die Glöckchen und wir sehen große Gestalten im dichten Nebel auf uns zukommen.

Als sie uns fast erreicht haben, können wir einen Reiter erkennen, der zwei Lasttiere mit sich führt. Der Mann grüßt kurz und verschwindet dann wieder im dichten Nebel - eine fast unwirkliche Erscheinung.

Nun sind wir wieder ganz alleine, die Etappen werden immer kürzer und die Pausen immer länger! Wieder machen wir Pause im Nebel - und noch einmal werden wir durch Glöckchengebimmel aufgeschreckt.

Die Personen, die diesmal auf uns zukommen, entpuppen sich als unser Freund Temba Sherpa und der Koreaner, der ausgeruht auf seinem Pferd sitzt. Temba fragt, warum wir denn hier, nur zwei Minuten von der Spitze entfernt, Pause machen würden. Das beflügelt uns und mit neuer Energie stampfen wir hinter den Pferden her.

Ein paar Meter weiter stehen wir auf dem Pass. Kaum zu glauben, aber wir sind wirklich auf 5.416m Höhe angekommen. Wir sind ziemlich fertig und wollen sofort den Abstieg beginnen, doch Temba Sherpa nimmt unsere Kamera und schießt erst mal ein Erinnerungsphoto.

Gemeinsam gehen wir dann den langen und steilen Abstieg an - vom Holländer keine Spur! Hier und da bleibt Temba Sherpa stehen und erklärt uns die Gipfel, die man ab und zu durch die Wolken sehen kann.

Selbst beim Abstieg zeigt sich, dass der Koreaner seine Fähigkeiten bei weitem überschätzt hat. Immer wieder muss er stehen bleiben, um zu verschnaufen. Irgendwann trennen wir uns wieder, da Peter und ich etwas zügiger absteigen wollen. Die Geröllfelder sind teilweise sehr rutschig, so dass wir sehr vorsichtig sein müssen. Trotzdem brauchen wir noch vier Stunden, bis wir Muktinath (3.820m) endlich erreichen.

Wir finden Unterkunft im Nilgiri-Hotel - einem kleinen tibetischen Haus mit Panorama-Restaurant im ersten Stock. Da man auch hier vom Tisch aus die gesamte Hauptstraße im Blickfeld hat, sagt uns diese Lodge sofort zu. Nachdem wir uns endlich mal geduscht haben - das Wasser ist sogar lauwarm - setzen wir uns ans Fenster und bestellen uns etwas zu Essen.

Der Reis kommt uns nun fast schon aus den Ohren raus, deshalb bestellen wir uns tibetische Momos. Diese Teigtaschen sind mit einer gut gewürzten Gemüsemischung gefüllt; ähnlich wie italienische Ravioli. Während wir essen und unsere erste Coca-Cola seit Kathmandu trinken, kommen auch Temba Sherpa und der Koreaner ins Dorf.

Wir trauen unseren Augen nicht, als wir sehen, dass unser alter Bekannter aus Holland sich zu ihnen gesellt hat. Der muss ja die Strecke mit einer Riesengeschwindigkeit zurückgelegt haben! Wir winken ihnen zu und dann kommen auch sie in unsere Unterkunft.

Der Koreaner und Temba wollen hier die Nacht verbringen. Marcel überrascht uns, als er nach einer kleinen Pause aufsteht, um die zwei Stunden bis Kagbeni heute noch zu laufen.

Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und er verschwindet nach draußen. Auch unser Koreaner verschwindet nach seinem Essen, und zwar sofort ins Bett. Als wir uns von der Bergetappe etwas erholt haben, sehen wir uns Muktinath etwas genauer an.

In einem Pappelwäldchen liegt Muktinath, seit über 2.000 Jahren ein wichtiger Wallfahrtsort von Hindus sowie von Buddhisten. Aus einer Quelle sprudelt durch 108 Hähne in Form von Bullenköpfen heiliges Wasser in ein Becken. Als wir alles erkundet haben, gehen wir zurück in unser Hotel und verbringen den Rest des Abends auf unserem „Ausguck“.

Ständig ziehen beladene Maultierkaravanen den Berg hinauf zu einem Kloster und kommen später unbeladen wieder hinuntergelaufen. Wir sehen auch ein paar westliche Touristen, die hier ihren Akklimatisationstag verbringen und am nächsten Tag zum Thorong La aufbrechen - die Armen!

Während unseres Abendessens werden die ganzen Yaks und Kühe von den hohen Weiden abgetrieben, ein besonderes Schauspiel. Die Hauptstraße ist voll mit diesen Zotteltieren!

Kurz bevor die Sonne untergeht reißt die Wolkendecke auf und wir haben das Glück, etliche große Schneeberge zu sehen. Vom Dhaulagiri sehen wir allerdings nur die unteren zwei Drittel !    

 

6. August`01, So:

Muktinath - Marpha

Als wir heute morgen wach werden, hat es gerade aufgehört zu regnen. Die Straßen sind extrem schlammig, und da vor uns schon etliche Maultiere und Yaks hier durch getrabt sind, haben wir keine Chance, mit sauberen Füssen hier weg zu kommen. Wir packen unsere Sachen zusammen und frühstücken in Ruhe.

Tempa Sherpa und der Koreaner sind schon eine Stunde vor uns aufgebrochen und wir fragen uns, ob wir die beiden nochmal sehen werden. Über eine schrecklich rutschige und schlammige Straße kämpfen wir uns die nächste halbe Stunde nach Jharkot (3.500m) durch. Der mittelalterliche Ort liegt auf einem Grat wie eine Festung, die engen Gassen sind für uns eine echte Herausforderung - hier haben Maultiere und Yaks ganze Arbeit geleistet.

Wir brauchen eine ganze Weile, bis wir durch die verwinkelten Straßen den Ausgang des Dorfes wieder gefunden haben. Ständig geht es weiter bergab.

Nach dem letzten Dorf in diesem Tal wird die Straße endlich breiter und trockener. Es geht nun auf einem gut ausgebauten Weg ständig an einer langen Lehmmauer entlang in Richtung Kali Gandaki.

Zwischen den Bergen Annapurna (8.091m) und Dhaulagiri (8.167m) hat der Kali Gandaki-Fluß die tiefste Schlucht der Welt gebohrt. An der tiefsten Stelle beträgt der Höhenunterschied 6.000m!

Als wir auf unserem Pfad um die Ecke biegen, trifft uns der heftige Wind des neuen Tals. Nach Süden blicken wir in eine riesige Schlucht mit roten Felswänden, die uns beide an den Grand Canyon in Arizona erinnert. Als wir hier oben auf dem Berg stehen, können wir die Dächer von Kagbeni sehen - einem weiteren mittelalterlichen Dorf.

Wir gehen in die entgegengesetzte Richtung und kommen am Fuße des Berges in Eklai Bhatti (2.730m) an. Das kleine Dorf besteht eigentlich nur aus zwei Herbergen. Hier machen wir eine kleine Pause, bevor wir uns nun endgültig nach Süden wenden. Ein Dorfbewohner gibt und den Tipp, auf der anderen Fluss-Seite zu wandern, da dort weniger Erdrutsche sind.

Als wir über die Hängebrücke gehen wollen, werde ich fast von einer Windböe umgeworfen. Hier ist der Wind wirklich so stark, da man richtig dagegen ankämpfen muss.

Von nun an kommen uns ständig Maultierkarawanen entgegen, die schwerbeladen nach Norden ziehen. Das Flussbett ist so breit, dass unser Weg hauptsächlich über das Geröll am Rande des Ufers verläuft.

Nach vier Stunden kommen wir in Jomsom an. Die Stadt (2.713m) ist sehr geschäftig und hat sogar einen Flughafen. Überall in den Herbergen und Cafes sieht man Touristen sitzen, die vergeblich auf ein Flugzeug in Richtung Hauptstadt warten. Wir erfahren, dass wegen der starken Winde keine Maschinen starten können.

Als wir ins Zentrum des Ortes kommen, sehen wir auch unseren Koreaner wieder. Für ihn ist die Tour hier zu Ende - er will auf einen Rückflug warten.

Auch hier kommen wir wieder an einem Check-Point vorbei; schon der Zweite für heute. Wir lassen uns schnell einen Stempel geben und ziehen dann weiter nach Süden. Nach etwa 1,5 Stunden kommen wir in Marpha (2.665m)an.

Von Wind und Sandböen geschützt liegt Marpha in einer Bergeinbuchtung. Der Ort überrascht uns mit seiner Sauberkeit. Statt der üblichen Schmutzgassen sind die Wege hier durch große Schieferplatten gedeckt, unter denen die Kanalisation läuft. Nirgendwo liegt Schmutz umher, und wenn eine Maultierkarawane durchzieht, kommt sofort eine Gruppe Kinder mit Körbchen, um die organischen Abfälle zu beseitigen.

Nachdem wir uns in der „New Dhaulagiri Lodge“ eingebucht haben, bummeln wir über die Hauptstraße und sehen uns die hübschen Häuser an. Die Leute, die wir treffen, sind freundlich und grüßen uns. Später zum Abendessen gehen wir zurück in unser Hotel. Das Restaurant ist im windgeschützten Innenhof wie eine Art Wintergarten angelegt.

Während wir hier so sitzen, kommen auf einmal zwei Deutsche herein, die auch hier wohnen. Die beiden haben dieselbe Strecke wie wir zurückgelegt, aber noch einen Tag in Kagbeni verbracht. Wir sitzen noch bis spät in den Abend zusammen und unterhalten uns über unsere bisherigen Erlebnisse.

 

7. August`01, Mo:

Marpha - Kalopani

Nachdem ich die ganze Nacht ohne Unterbrechung durchgeschlafen habe, weckt uns um 6.30 Uhr der Wecker. Wir packen unsere Sachen zusammen, frühstücken und machen uns zusammen mit den anderen Deutschen auf den Weg.

Wieder haben wir Glück mit dem Wetter, denn obwohl es die ganze Nacht durchgeregnet hat, ist nun alles trocken. Unsere heutige Etappe ist zwar eher flach, dafür aber unheimlich lang.

Nachdem wir eine Zeitlang dem Flusslauf gefolgt sind, kommen wir in dem kleinen Örtchen Tukche (2.530m) an.

Tukche war einst ein wichtiger Umschlagplatz auf der alten Handelsroute. Hier trafen sich die Händler, hier wurde von Yak- auf Eselsrücken umgeladen. „Tuk“ wird mit „Getreide“ übersetzt, „che“ heißt „flacher Platz“, gemeint sind die Flachdachhäuser. Diese Dächer werden als Trockenplatz für Getreide und Früchte genutzt.

Als wir hier ankommen, zieht zwar gerade keine Yakkarawane durch den Ort, doch trotzdem sehen wir uns genauer um. Die beiden Deutschen ziehen mit ihrem Führer weiter, so dass wir nun wieder alleine unterwegs sind. Auch hier sind die Hauptstraßen sehr sauber und mit Steinplatten bedeckt, doch was uns besonders auffällt, sind die aufwendig geschnitzten Fensterrahmen.

Anschließend führt unser Pfad ständig steigend und abfallend über mehrere kleine Erdrutsche nach Kalopani (2.530m). Kurz bevor wir den Ort erreichen, müssen wir den Kali Gandaki auf einer abenteuerlichen Holzbrücke überqueren, die ihre besten Jahre auch schon lange hinter sich hat.

Als wir am Ortseingangs ankommen, fängt es an zu regnen. Als Unterkunft wählen wir das „Pine Forest Hotel“ - eine Empfehlung vom Führer der beiden Deutschen. Die Unterkunft ist riesig, die Zimmer erstklassig - der Preis auch! Wir bezahlen 120 NRP, so teuer haben wir seit Kathmandu nicht mehr übernachtet! Doch dafür haben wir zur Feier des Tages sogar eine richtige, gekachelte heiße Dusche - ebenfalls die erste seit Kathmandu.

Als wir zum Abendessen nach unten gehen, treffen wir auch Marco und Manuel - wieder. Sie sind unterwegs irgendwo zum Mittagessen eingekehrt und deshalb hinter uns gewesen. Auch an diesem Abend sitzen wir sehr lange zusammen und unterhalten uns. So gegen 21.00 Uhr kommt einer der Angestellten und bringt uns Kerzen, da der Strom abgeschaltet wird.

Als ich mich wenige Minuten später ganz modern mit Taschenlampe ausgerüstet auf den Weg ins Bad mache, bin ich völlig überrascht, als ich hier weißgekachelte Wände sehe. Ich bin fasziniert von diesem fast schon westlichen Bad. Statt der üblichen Plumpsklos gibt es hier richtige Toiletten - sogar mit Wasserspülung! Hier gibt es auch einen Spiegel über dem Waschbecken, doch es ist schon fast erschreckend, nach längerer Zeit mal wieder seinem Spiegelbild gegenüber zu stehen!

 

8. August `01, Di:

Kalopani - Tatopani

Zur Abwechslung regnet es mal wieder, als wir aufstehen. „Hochmotiviert“ packen wir unsere Sachen zusammen und frühstücken, bevor wir uns dann doch auf den Weg machen müssen. Die beiden Anderen haben heute auch nicht sonderlich viel Lust und sind noch am Packen, als wir uns in den dichten Nieselregen begeben.

Unsere Strecke führt uns nun durch den langgezogenen Ort abwärts. Als wir um die nächste Kurve kommen, sehen wir die Bescherung: ein riesiger Erdrutsch hat wohl gerade erst an diesem Morgen einen großen Teil unseres Weges abgetragen, so dass wir vor einem großen, steilen Abhang stehen, an dem noch ständig Steine hinabrutschen.

Wir warten, bis ein Einheimischer vor uns die Strecke passiert, um zu sehen, wo wir hintreten müssen. Meine Nerven sind bis ans Äußerste angespannt, als wir auf allen Vieren auf die andere Seite rutschen. An einer besonders steilen und rutschigen Stelle weiß ich fast nicht mehr weiter, da das Gewicht des Rucksacks mich nach hinten zieht. Der Boden ist so weich, dass Peter mir nicht zur Hilfe kommen kann.

Als wir beide wieder festen Boden unter den Füßen haben, machen wir im Ort Lete erst mal eine Pause. Nun führt unser Weg ständig am Flussufer entlang, bis wir nach zwei Stunden Ghasa (2.000m) erreichen. Der Ort ist sehr sauber und wie üblich mit großen Steinplatten gepflastert. Hinter Ghasa bringt uns eine große Hängebrücke auf die andere Seite des Kali Gandaki. Wir wählen bewusst das Ostufer des Flusses, da dort weniger Erdrutsche sind. Eigentlich haben wir uns in Manang noch drauf gefreut, dass es ab Muktinath überwiegend bergab geht, doch die heutige Strecke soll uns vom Gegenteil überzeugen. Direkt hinter der Brücke geht es lang und steil den Berg hinauf, um einen weiteren Erdrutsch zu umgehen.

Zwei Stunden später kommen wir in Kopchepani an. Hinter dem winzigen Dorf geht es wieder steil nach unten zum Kali Gandaki. Hier müssen wir den Fluss ein weiteres Mal überqueren und wieder hoch laufen, um Rupse Chahara (1.550m) zu erreichen. Der Name des Ortes bedeutet „schöner Wasserfall“, und wirklich, hoch oben über dem Dorf sieht man einen riesigen Wasserstrahl im hohen Bogen über die Felswand schießen.

Hier machen wir eine kurze Rast, da wir ja immerhin schon seit vier Stunden unterwegs sind. Im weiteren Streckenverlauf kommen nun mehrere Orte mit dem Namen „Dana“, so dass wir ganz konfus wurden. Wir sind schließlich etwas mehr als 7,5 Stunden unterwegs, als wir endlich hinter der nächsten Kurve Tatopani (1.190m) sehen.

Der Name bedeutet „heißes Wasser“ und rührt von den heißen Quellen weiter unten am Fluß her. Hier wollen wir eigentlich in der „Kamala-Lodge“ übernachten, die unser Büchlein empfiehlt, doch die wird gerade umgebaut. Statt dessen landen wir im „Hotel Himalaya“, gerade zwei Häuser weiter. Auch hier gibt es heiße Duschen, so heiß, dass man Kaltwasser beimischen muss.

Später sehen wir uns den Ort an und kaufen Wasser, Postkarten und Snickers. Die Schokoriegel sind für uns zu einer Belohnung für besonders harte Etappen geworden. Zum Abendessen setzen wir uns unten ins offene Restaurant. Lange können wir uns hier nicht aufhalten, da wir von den Moskitos fast gefressen werden.

Unser Gastwirt ist zwar so freundlich, uns zwei Räucherspiralen unter den Tisch zu stellen, doch darüber lachen die Biester nur. Uns bleibt nichts anderes übrig, als in unser „moskitofreies“ Schlafzimmer zu flüchten und den Rest des Abends dort zu verbringen. Es ist so feucht-warm draußen, dass an Einschlafen kaum zu denken ist. Ich muss auch ständig über den heutigen Tag nachgrübeln.

Wir haben mittlerweile die tibetische Gegend hinter uns gelassen und befinden uns wieder unter den Nepalis. Jetzt, wo wir mit unserer Tour fast am Ende sind, müssen wir feststellen, dass es uns beiden im nördlichen Marsyangdi-Tal am besten gefallen hat: die Zivilisation hat diese Gegend noch kaum erreicht und der Tourismus steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt dort zwar keine Elektrizität und die Toiletten sind immer im Garten, aber dafür wird man beim Essen satt, und was am wichtigsten ist, man wird abends mit ins Familienleben einbezogen. Jeder will wissen, wo man lebt, wo man gerade herkommt und wo man am nächsten Tag hingeht.

 

9. August`01, Mi:

Tatopani - Beni

Als heute morgen der Wecker klingelt, bin ich wirklich nicht ausgeschlafen. Die Nacht ist sehr warm gewesen und irgendwann hat es auch noch angefangen, wie aus Kübeln zu gießen. Nach einem reichhaltigen Frühstück machen wir uns auf den Weg, glücklicherweise ohne zu ahnen, dass dies die Etappe der großen Erdrutsche wird.

Hinter Tatopani haben wir ein hartes Stück Weg zu bewältigen, da wir etliche Höhenmeter und drei Hängebrücken hinter uns bringen müssen. Hinter der letzten biegt der Haupttrekkingweg nach links in Richtung Ghorapani ab - über 1500 Höhenmeter Aufstieg. Wir entschließen uns dazu, auf der wenig begangenen Route entlang des Kali Gandaki weiterzugehen, um so nach Beni zu gelangen.

Der erste Teil dieses Wegs ist sehr abenteuerlich und nass. Der Pfad ist komplett in den Felsen eingehauen worden. Da es immer noch nieselt, fließt das ganze Wasser am Fels entlang und wir bekommen eine Dauerdusche. Immer wieder müssen wir über Erdrutschgebiete klettern - doch glücklicherweise ist keiner mehr so schlimm wie der hinter Lete!

Nach vier Stunden anstrengender Kletterei kommen wir an der „See-You-Lodge“ in Baishari vorbei. Das Holzhaus ist sehr einfach und mit Gras bedeckt und wir fragen uns, in welchen Räumen hier die Gäste übernachten. Außer der Küche können wir keinen Raum sehen. An der Wand hängt eine Speisekarte, und weil wir beide schon sehr müde sind, beschließen wir, hier Mittagspause zu machen.

Nachdem wir uns gestärkt haben, müssen wir uns wieder auf den Weg machen. Weiter geht es über die nächsten Erdrutschgebiete, wobei wir immer wieder Maultierkarawanen ausweichen müssen - aber dies kennen wir ja mittlerweile schon seit Muktinath! Nach zwei weiteren unendlichen Wanderstunden kommen wir im nächsten Ort Ranipauwa an. Mittlerweile scheint die Sonne am strahlend blauen Himmel und uns strömt der Schweiß aus allen Poren.

Nach nur zwanzig Minuten kommen wir schon im nächsten Ort Raguhat an - dem Anfang der Zivilisation! Hier fängt eine Schotterstraße an, über die Jeeps und Motorräder fahren, um die Bevölkerung des Ortes zu versorgen. Nach fast zwei Wochen in der Stille der Berge ist es für uns fast wie ein Schlag ins Gesicht, als wir mit dem Lärm und Gestank der Fahrzeuge konfrontiert werden.

Es fällt uns beiden sehr schwer, die friedliche, wenn auch anstrengende Bergwelt hinter uns lassen zu müssen. Entlang der Schotterstraße wandern wir noch eine Stunde weiter bis nach Beni; dort wollen wir übernachten.

Der Ort ist riesig und laut, es gibt mehrere Straßen, Radios, Autos und alles, was sonst noch irgendwie Lärm erzeugt. Wir wandern circa fünf Minuten durch den Ort, bis wir endlich ein Hotel finden.

Nach einer erfrischend kalten Dusche hängen wir alle verschwitzten und stinkenden Kleider an das Balkongeländer und gehen runter ins Restaurant zum Essen.

Da der Raum diesmal völlig abgeschlossen ist, werden wir nicht durch Moskitos belästigt und können unsere Mahlzeit in aller Ruhe genießen.

Anschließend gehen wir noch einmal die Straße entlang - auf der verzweifelten Suche nach einem Snickers! In den Geschäften gibt es alles, was man sich nur vorstellen kann: Haushaltswaren, Kleider, Bäckereien, Momoküchen usw., aber keine Schokolade. Als wir schließlich an einer Apotheke vorbeikommen, sehen wir endlich das braun-weiße Papier hinter einer Fensterscheibe und erstehen das begehrte Objekt für 90 (!) NRP.

Nach diesem Kurzausflug gehen wir zurück in unser Hotel und setzen uns auf die Dachterrasse. Von hier aus ist es möglich, dem Treiben unten auf der Straße unbeobachtet zuzusehen. Als es dunkel wird, geht sogar eine Art Straßenbeleuchtung an, die aber zu schwach ist, um die Straße wirklich zu beleuchten.

Wir gehen verhältnismäßig früh ins Bett, doch es so warm, dass ich um Mitternacht noch kein Auge zugemacht habe.

 

10. August`01, Do:

Beni - Pokhara

An diesem Morgen werde ich nicht durch den Wecker wach, sondern durch den Lärm unten auf der Straße. Es ist erst 6.oo Uhr und draußen ist das Leben bereits in vollem Gange.

Wir packen unsere Sachen zusammen und gehen runter frühstücken - an diesem Morgen sind die Portionen wirklich riesig. Mit vollem Magen schultern wir unsere Rucksäcke ein letztes Mal und marschieren los. Wir sind noch nicht weit gelaufen - als am Ortsausgang von Beni ein Mann auf uns zugelaufen kommt und uns sein Taxi (sprich: Jeep) für nur 60 NRP bis nach Baglung anbietet.

Da wir nicht sonderlich viel Lust dazu haben, mehr als drei Stunden an der befahrenen Straße entlang zu laufen, nehmen wir sein Angebot gerne an. Unser Fahrer schafft es tatsächlich, 16 Personen ins Auto zu quetschen, obwohl es nur acht Passagierplätze gibt. Die Straße ist von Erdrutschen und vom Regen der Nacht so in Mitleidenschaft gezogen, dass wir nur eine Stunde schneller am Ziel sind als zu Fuß. Immer wieder müssen wir Anlauf nehmen, um über einen frischen Sandhaufen zu schlittern, und einmal bleiben wir trotz Allradantrieb in einer Pfütze stecken!

Unser Weg schlingt sich in engen Serpentinen den Berg hinauf und führt auf der anderen Seite eines hübschen Dörfchens wieder beängstigend steil ins Tal hinab. Nach einer schier endlosen Zeit sind wir froh, in Baglung endlich die Sitzbank verlassen zu können.

Wir schultern unsere Rucksäcke und wandern die Straße entlang in die Richtung, die uns Mitfahrer empfohlen haben. Nach nur fünf Minuten kommen wir an einem Buspark an und finden auch sofort den richtigen Bus in Richtung Pokhara. Diesmal haben wir einen ganz normalen Verkehrsbus erwischt, der sich sehr schnell füllt.

Mittags um 15.00 Uhr kommen wir in Pokhara an. Wir müssen uns ein Taxi nehmen, um in den Hotelbezirk von „Lakeside“ zu kommen. Wieder sind wir 60 NRP los, was aber nicht zuviel ist, da unser Taxifahrer seine Probleme damit hat, das „United Hotel“ zu finden.

Dieses ist uns vom Trekking-Guide der beiden Deutschen empfohlen worden - vor allem wegen der ruhigen Lage. Das Hotel liegt „in der zweiten Reihe“ von der Hauptstraße, nur über eine schmale Zufahrt zu erreichen. Nach langen Preisverhandlungen sagen wir zu, als der Manager uns zusätzlich anbietet, ein Busticket nach Kathmandu zu organisieren.

Nach einem reichhaltigen Essen und einer kalten Dusche gehen wir auf Erkundungstour. Der Phewa-See ist nur zwei Minuten vom Hotel entfernt - mit einer herrlichen Uferpromenade! Die ganze Hauptstraße ist mit Geschäften gesäumt, die sich vom Tourismus ernähren.

Als es dunkel wird, gehen wir zurück ins Hotel; wir trinken noch ein „Gute-Nacht-Bier“, bevor wir schlafen gehen. Wir haben wieder einen Ventilator an der Decke, der uns vor den aufdringlichen Moskitos schützt. An den Außenwänden des Hotels klettern Geckos, die diese Arbeit unterstützen.

 

11. August`01, Sa:

Pokhara - Kathmandu

Um 5.00 Uhr klingelt heute morgen der Wecker. Wir packen unsere Sachen zusammen - wie all die anderen Tage vorher auch. Nur dass wir diesmal anschließend nicht loslaufen, sondern auf das Sonnendach des Hotels steigen, um eventuell einen Ausblick auf die Berge zu haben. Die Gipfel der Annapurnas leuchten nur hier und da ein wenig durch, und vom Macchapuchhare sieht man nur die Spitze.

Um 6.oo Uhr gibt es Frühstück und anschließend nehmen wir uns ein Taxi zum Touristenbuspark; das Ticket haben wir ja schon vorher im Hotel gekauft. Die Fahrt bis nach Kathmandu dauert acht Stunden, wobei unser Fahrer alle zwei Stunden Pause macht.

So, wie es hier aussieht, ist auch diese Straße nicht von Erdrutschen verschont geblieben. Zweimal passieren wir Stellen, die vor zwei Wochen auf unserer Hinfahrt noch ganz anders ausgesehen haben. Mittlerweile ist der ganze Schlamm von Planierraupen einfach plattgedrückt worden, so dass der Bus mit relativ wenigen Problemen durchfahren kann.

Als wir in Kathmandu ankommen, hält der Bus leider nicht dort, wo wir damals losgefahren sind, so dass wir völlig orientierungslos am Straßenrand stehen. Wir wollen uns kein Taxi nehmen, deshalb müssen wir uns mühsam durchfragen, bis wir endlich in Thamel ankommen.

Vom Türsteher des „Garuda“ werden wir sehr freundlich begrüßt, und wir sind beide erstaunt, nach zwei Wochen überhaupt wieder erkannt zu werden. Wir können es doch kaum erwarten, zu duschen und saubere Kleider anzuziehen. Anschließend verschwinden wir im „Pilgrims Bookshop“, einem der größten Bücherläden in ganz Kathmandu. Als wir nach langem herumstöbern hungrig werden, zieht es uns mal wieder in die „Rum Doodle Bar“. Als wir in unser Hotel zurückgehen, ist es schon fast 22.00 Uhr - so spät sind wir schon lange nicht mehr schlafen gegangen!

Irgendwie fühlen wir uns im „Garuda“ heimisch, fast als wäre man nach Hause zurückgekommen.

 

12. August`01, So:

Kathmandu - Swayambhunath - Kathmandu

Heute morgen werden wir zum erstenmal seit langer Zeit nicht vom Wecker geweckt, doch wir haben trotzdem schon um 8.00 Uhr ausgeschlafen. Das Frühstück in unserem Hotel übertrifft alles, was wir in den letzten zwei Wochen gehabt haben: es gibt keine Chapatis, sondern richtiges Brot, und davon auch mehr als genug. Sogar Peter muss sich anstrengen, um keine Reste zu machen, so reichhaltig ist unsere Mahlzeit.

Später wandern wir zur Stupa von Swayambhunath. Dieses relativ große buddhistische Bauwerk befindet sich etwa 2 Kilometer westlich von unserem Hotel auf einem großen Hügel. Durch das enge Straßenchaos von Kathmandu sind wir lange unterwegs, bis wir endlich am Fuß des Berges ankommen. Unsere Orientierung in den engen Gassen ist nicht perfekt. Nach einigen Schleifen sind wir endlich am Hügel angekommen. Von hier aus führen 365 steile Steinstufen nach oben in den Tempelbezirk, der auf der Spitze des Berges liegt.

Das äußere Erscheinungsbild des Stupa geht auf das 14. Jahrhundert zurück. Den Stupa umschreitet man im Uhrzeigersinn; dadurch soll der Besucher aufnahmefähig für das Wesentliche werden. Bei der Umwanderung werden die Gebetsmühlen, die an dem Geländer um den Stupa befestigt sind, in Bewegung gesetzt. Sie vertausendfachen die Gebete.

Wir sehen uns alles ganz genau an und setzen uns anschließend ins „Cafe de la Stupa“, um eine Cola zu trinken. Die Dachterrasse des Cafes befindet sich genau hinter dem Kloster der tibetischen Mönche. Von hier aus kann man teilweise auf die Terrassen des Klosters sehen und die Mönche beobachten, die hier ihre Gewänder zum Trocknen aufhängen.

Wieder zurück im touristischen Thamel, gehen wir fürs Abendessen ins „Kashtumandap-Restaurant“, das dem Hotel „Mandap“ angeschlossen ist. Es gibt eine sehr gute Spinat-Lasagne, die aber mengenmäßig leider nicht Peters Appetit angepasst ist.

Anschließend landen wir wieder in der Rum Doodle Bar, um Apple-pie als Nachtisch zu essen und noch ein Bier zu trinken. Noch vor 22.00 Uhr gehen wir zurück in unser Hotel – vor dem wir wie immer von unserem Türsteher freundlich begrüßt werden.

 

13. August`01, Mo:

Kathmandu

Wieder ist unsere Nacht um 8.00 Uhr zu Ende. Nach einer erfrischend kalten Dusche machen wir uns auf den Weg zum Büro der Royal Nepal Airlines, um unseren Flug persönlich bestätigen zu lassen. Dort bekommen wir einen kleinen Zettel ausgedruckt, auf dem steht, dass unser Flug hiermit bestätigt ist. Diesen Zettel sollen wir am Abreisetag am Check-in vorzeigen.

Glücklich, diese Hürde nun endlich genommen zu haben, gehen wir zurück nach Thamel. Wir bummeln wieder durch die Gassen von Thamel und genießen die Atmosphäre. Später gehen wir ins Hotel: ich lese, während Peter die Holzfüße für die Rum Doodle Bar anmalt. Wie jeder, der einen erfolgreichen Trek oder eine Bergbesteigung hinter sich gebracht hat, schreiben auch wir unsere Taten auf einen Fuß, um ihn später am Abend in der Bar aufzuhängen.

Obwohl wir nun schon seit zwei Tagen in Kathmandu sind, ist der viele Verkehr noch immer sehr gewöhnungsbedürftig für uns. Alles wäre nicht so schlimm, wenn nicht jeder Autofahrer ständig auf die Hupe drücken würde - egal ob mit oder ohne Grund! Dann muss man auch noch auf die unzähligen Fahrradrickshaws aufpassen, die einem absichtlich in den Weg fahren und einen dann ganz scheinheilig fragen, ob man nicht mit ihnen fahren will. Ach wie ruhig und erholsam ist die Zeit in den Bergen doch gewesen , wo Motorengeräusche bis jetzt noch absolut unbekannt sind.

Wir können heute natürlich nichts Größeres mehr unternehmen, da die verbleibende Zeit bis zum Abend zu kurz ist. Also bummeln wir mal wieder durch die engen Straßen von Kathmandu. Da es hier so viele interessante Sachen zu sehen gibt, kommen wir immer wieder in Versuchung, zu kaufen und Geld auszugeben. Gegen 18.00 Uhr ist jedoch damit Schluss. Wir begeben uns ins Restaurant unseres Hotels und verbringen die nächste Zeit mit einem sehr reichhaltigen Abendessen.

Seit langem essen wir wieder die vegetarischen Momos und die Bedienung verwöhnt uns sehr. Zweimal bekommen wir eine Vorspeise vorgesetzt, und auch die Biergläser sind immer bis zum Rand gefüllt.

Nach dem Abendessen gehen wir rüber in die Rum Doodle Bar, um unsere bemalten Holzfüße abzugeben. Wir werden sehr freundlich empfangen und unsere Füße werden mit Interesse betrachtet. Zwei Stunden später, nach zwei guten Cocktails, verabschieden wir uns und kaufen noch eine Ausgabe von „The Ascendent of Rum Doodle“, dann gehen wir zurück in unser Hotel. Mit einem breiten Lächeln (wie immer) bekommen wir von dem Türsteher die Tür geöffnet. Nachdem wir „Gute Nacht“ gewünscht haben, gehen wir in unser Zimmer.

 

14. August`01, Di:

Kathmandu - Boudha - Pashupatinath - Kathmandu

Heute morgen stehen wir schon früh auf, da wir uns für diesen Tag sehr viel vorgenommen haben. Nach einem reichhaltigen Frühstück nehmen wir uns ein Taxi, das uns für 130 NRP nach Boudhanath bringt.

Hier finden wir einen Stupa, der zu den weltweit größten seiner Art gilt und der bekannt dafür ist, wichtigste Stätte des Buddhismus außerhalb von Tibet zu sein. Er hat einen Durchmesser von 40 Metern und besteht aus mehreren Sockeln. Unser Taxi lässt uns direkt am Eingangsbereich des Stupas raus; dort muss jeder 50 NRP Eintritt bezahlen. Die Außenseite des Platzes ist mit Geschäften gesäumt, die tibetische Waren anbieten.

Barfuss kann man die ersten vier Etagen des Stupas betreten, von denen man eine erstklassige Aussicht auf das Treiben unten hat. Gegen Mittag tauchen immer mehr Touristen auf, ganze Gruppen überfluten das Gelände. Wir flüchten nach oben auf die Dachterrasse des Hotels „Stupa View“. Von dort aus können wir das Gewimmel unten ungestört beobachten. Später wollen wir von Boudhna aus über den Bagmatifluß zum Tempelbezirk von Pashupatinath spazieren.

Laut unserem Reiseführer benötigt man nur 30 Minuten, um die Strecke zu bewältigen, doch wir schaffen es ohne Probleme, die angegebene Zeit zu verdreifachen. Über Trampelpfade ziehen wir durch Wohngebiet, Reisfelder und Schlammlöcher, bis wir endlich die Brücke über den schmutzigen Fluss gefunden haben. Das Wasser ist dunkelbraun von der Kanalisation und der Asche von verbrannten Leichen, die hier ins Wasser geworfen wird.

Wir wundern uns sehr, als wir überall am Ufer Menschen sehen, die sich im Fluss wuschen, dort baden und sogar drin schwimmen. Wir müssen weit gehen, bis wir endlich den Tempelbezirk erreichen.

Im Gegensatz zu tibetischen Klöstern ist es hier Nichthindus verboten, die Tempel zu betreten. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als die Tempel und die Einäscherungsstellen von der anderen Fluss-Seite her zu betrachten. Als wir dort genug gesehen haben, wandern wir die Steinstufen hinauf in den Tempelbezirk von Gorkhnath.

Dieser befindet sich in einem Waldgebiet, und die vielen, halb zerfallenen Shiva-Schreine, die hier zwischen alten, hohen Bäumen stehen, geben dem Ort ein fast romantisches Aussehen. Wir sehen hier viele Affen, und nachdem wir zwischen den alten Gebäuden umhergewandert sind müssen wir feststellen, dass hier auch Menschen leben.

Nachdem wir uns alles angesehen haben, gehe ich mit Peter zurück zur Hauptstraße, um ein Taxi zu finden. Auf dem Weg dorthin kommen wir durch ein übles Slum. Ich habe noch nie so viele Leprakranke auf einmal gesehen, und die hygienischen Zustände sind einfach katastrophal. Wir bezahlen gerne 100 NRP für ein Taxi, das uns schnell wieder zurück ins altbekannte Thamel bringt.

Das Chaos in diesen engen Gassen kann uns nun nicht mehr aus der Ruhe bringen - selbst Hasch- und Tigerbalsamhändler gehören zum normalen Leben. In unserem Hotel angekommen, duschen wir erst einmal, bevor wir weitere Unternehmungen starten. Zum Abendessen gehen wir diesmal ins Northfieldcafe, dort gibt es überwiegend mexikanische und italienische Gerichte. Wir sitzen unter einem Schilfdach, während es draußen in Strömen regnet.

Für das übliche „Gute-Nacht-Bier“ gehen wir wieder rüber ins Rum Doodle. Gegen 21.00 Uhr gehen wir wieder zurück ins Hotel, um - wie immer - früh schlafen zu gehen.

 

15. August`01, Mi:

Kathmandu - Patan - Kathmandu

Als ich heute morgen wach werde, ist es schon 9.00 Uhr. Nach einem kleinen Frühstück suchen wir uns ein Taxi, das uns für 100 NRP nach Patan bringen soll.

Patan ist nur durch den Bagmati von Kathmandu getrennt und somit dessen Zwillingsstadt. Sie wurde im 3. Jh nach der Zeitwende gegründet und ist eine der drei Königsstädte Nepals. Eine Reihe wichtiger Denkmäler zeugen von der einstigen Bedeutung Patans für den Buddhismus.

Als wir in der Altstadt ankommen, landen wir direkt vor einem Ticketschalter. Dort sollen wir 200 NRP Eintritt pro Person bezahlen, um ins Zentrum gehen zu dürfen. Da das uns eindeutig zu viel ist, tun wir so, als wenn wir wieder weggehen wollen. Der Beamte ruft uns nach, dass wir auch mit einem Ticket eintreten können, also bezahlen wir.

Der Hauptplatz ist hier riesig und mit alten Tempeln nur so übersäht. Leider wimmelt es hier auch außerhalb der Saison von Touristen, so dass das ursprüngliche Flair darunter leidet. Besonders beeindruckend hier sind die ganzen Holzschnitzereien, mit denen Tür- und Fensterrahmen versehen sind. Gegen Mittag setzen wir uns zum Essen auf die Dachterrasse eines nahegelegenen Restaurants. Von hier aus hat man eine phantastische Aussicht auf das ganze Gelände.

Nach dem Essen gehen wir zum „golden temple“. Dies ist eines der wenigen alten buddhistischen Klöster, die noch aus der prunkvollen Zeit von Patan stammen. Wir sind sehr erstaunt, als wir hier keine Mönche finden, sondern Nonnen! Das besondere an diesem Gebäude ist, dass sich hier die Ratten frei bewegen dürfen - wir sehen etliche Prachtexemplare auf den Altären rumklettern.

Nachdem wir uns alles angesehen haben, gehen wir den „Kumari-Palast“ von Patan suchen. Die lebende Kind-Göttin sollt ihr Domizil zwar in der Nähe des Durbar Square haben, doch so sehr wir auch suchen, wir finden das Haus nicht! Nachdem wir lange genug erfolglos durch die überfüllten Gassen geirrt sind, entschließen wir uns dazu, lieber Patans Zoo, als die heilige Berühmtheit zu besuchen.

Die Anlage ist wirklich einzigartig schön und gut gepflegt. Eine grüne Oase in der Großstadt. Neben vielen anderen Tieren gibt es hier sogar einen bengalischen Tiger. Später nehmen wir ein Taxi, das uns für 100 NRP wieder zurück nach Thamel bringt. Es ist mittlerweile 16.00 Uhr und nach einem kurzen Bummel durch die Gassen gehen wir essen. Der Rest des Abends verläuft sehr gemütlich. Gegen 21.30h sind wir wieder in unserem Hotel sind. Wie jeden Abend springt unser Türsteher auf, als er uns sieht - und wie jeden Abend reißt er uns mit einem freundlichen „Namaste“ die Tür auf. Wir wünschen „Gute Nacht“ und gehen hinauf in unser Zimmer.

 

16. Aug.`01, Do:

Kathmandu

Heute morgen werde ich schon um 7.00 Uhr wach, da der Lärm draußen so groß ist. Peter scheint sich dadurch beim Schlafen nicht stören zu lassen, so lese ich, bis er endlich wach wird.

Als wir nach unten zum Frühstück gehen, ist es schon relativ spät und wir sind die Einzigsten, die im kleinen Restaurant sitzen. Wir frühstücken schnell und gehen dann für die nächsten paar Stunden auf die Jagd nach Reiseandenken. Es macht richtig Spaß, die Läden in aller Ruhe zu durchstöbern.

In einem kleinen, gemütlichen Gartenrestaurant, essen wir zu Mittag. Hier sitzen noch mehr Rucksackreisende, die sich über ihre Touren unterhalten. Wir kommen ins Gespräch mit vier älteren Österreichern, die gerade von einem Trek aus Tibet zurückgekehrt sind und uns ganz begeistert davon erzählen. Natürlich mussten sie einen chinesischen Führer mitnehmen, aber in Lhasa hätten sie die Möglichkeit gehabt, sich mehr oder weniger frei in der Stadt bewegen zu können.

Am späten Nachmittag gehen wir dann zurück ins Hotel und fangen an, unsere Sachen zu packen. Nach einer erfrischend kalten Dusche gehen wir zum letzten Mal rüber ins Rum Doodle zum Abendessen. Irgendwie ist es schade, dass die 3,5 Wochen schon so schnell vergangen sind. So wenig mir Nepal am ersten Tag gefallen hat, so sehr wünsche ich mit nun, möglichst schnell wieder hierher zu kommen - vielleicht um von hier aus eine Tour nach Tibet zu starten?

Als wir später im Hotel ankommen, erwartet uns eine Überraschung: unser immer lächelnder Türsteher hat für jeden von uns einen Umschlag mit Karte in der Hand. Damit verabschiedet er sich von uns und wünscht uns viel Glück. Wir sind ganz gerührt, als wir uns trennen und nach oben in unser Zimmer gehen. Wirklich zu Tränen gerührt bin ich, als es wenig später an die Tür klopft, und unser Türsteher „Ram“ zusammen mit unserem Hotelführer dort steht, und uns die traditionellen tibetischen Seidenschleifen und Strohhüte zum Abschied überreicht. Nun fällt uns der Abschied erst so richtig schwer und es dauert unendlich lange, bis ich einschlafen kann.

 

17. August`01, Fr.:

Ich schlafe schlecht, denn die Nacht war so warm und mir gehen so viele Dinge durch den Kopf, dass die Zeit wie im Fluge vergeht, bis um 5.00 Uhr der Wecker klingelt.

Wir ziehen uns schnell an und packen die restlichen Sachen zusammen. Gerade als wir fertig sind, klopft es an der Tür und wir werden gefragt, ob wir ein Taxi haben wollen. Als wir am Flughafen ankommen, sind es zwar noch zwei Stunden bis zum Abflug, doch es steht bereits eine über 50 Meter lange Warteschlange vor der Tür.

Das „Check-in“ entpuppt sich als langwierige Sache. Zuerst wird das große Gepäck durchleuchtet und versiegelt, dann müssen wir es zu einem anderen Schalter bringen, um es abgeben zu können.

Erstaunlicherweise haben wir keine Probleme mit dem Gewicht, doch wir haben vergessen, die Ausreisegebühr an der Hauptkasse zu bezahlen, so dass wir nicht den entsprechenden Zettel besitzen, um die „boarding card“ zu bekommen. Peter bleibt also am Schalter stehen, während ich quer durch das Gebäude flitze, um Banknoten gegen Kärtchen einzutauschen.

Als alles erledigt ist, gehen wir weiter, um uns selbst einzuchecken. Die Kontrolle des Handgepäcks ist sehr genau und jede Tasche wird geöffnet.

Ohne Probleme besteht unser Gepäck die Prüfung und es sind wirklich fast zwei Stunden vergangen, als wir endlich das Flugzeug betreten. Es dauert eine weitere Stunde, bis wir endlich abheben, und als das Flugzeug sich durch eine dichte Wolkendecke empor gekämpft hat, sehen wir mit einem Blick die ganzen Himalayagipfel, die sich so lange vor unseren Blicken verborgen haben.

Wir sehen Dhaulagiri, die Annapurnas und den Machhapuchhare ganz deutlich über den Wolken und sind erstaunt, wie unvorstellbar riesig dieses Gebirge doch ist!

Die Zwischenlandung in Dubai verläuft ohne Probleme und ehe wir uns versehen, sind wir in Frankfurt angekommen. Im ersten Moment kommt uns das Treiben hier ungewöhnlich und fremd vor - so sehr haben wir uns an die asiatische Lebensweise gewöhnt.

Als wir zuhause ankommen, sind wir sehr müde und fallen in unsere Betten. Unser erstes asiatisches Abenteuer hat bleibende Eindrücke hinterlassen und ich sehne mich danach, es fortzuführen!

Uns beiden fällt es schwer, uns wieder in den Alltag einzugewöhnen , doch der nächste Urlaub kommt bestimmt...