Ecuador 1998 - vereinfachtes Reisetagebuch

9. April 98, Donnerstag:

Heute morgen um 4.30 Uhr klingelt der Wecker und wir sind so weit - die Tour kann beginnen. Nachdem wir uns in Luxemburg auf dem Flughafen verabschiedet haben, warten 18 Stunden im Flugzeug auf uns. Mit gemischten Gefühlen machen wir uns auf den Weg nach Ecuador. Erste Zwischenlandung ist Paris. Etliche Stunden später kommen wir dann in Bogota an. Dort erfahren wir dann, dass unser kurzer "Zwischenstop" mit Umsteigen und 2 Stunden Aufenthalt verbunden ist. Wir fliegen auch nicht mit der Air France weiter, sondern mit einer kleinen Maschine der TAME, die uns jedoch sicher über die Gipfel der Anden bringt (was gar nicht so selbstverständlich ist, wie wir später noch erfahren werden!). Gegen 18.00 Uhr Ortszeit kommen wir dann in Quito an. Der Flughafen in Quito ist sehr klein. Die Landebahn ist zu den Seiten nicht abgesperrt, und hier und da stehen Leute, die den Maschinen aus nächster Nähe beim Starten und Landen zusehen. Wir steigen über eine Treppe aus unserem Flugzeug aus und marschieren quer über die Landebahn zu dem kleinen Gebäude - dem einzigen, was hier zu sehen ist. Wir müssen nicht sehr lange auf unser Gepäck warten, und auch unsere Pässe sind sehr schnell kontrolliert. Zuerst wechseln wir einige Traveller Cheques in Sucres um, damit wir wenigstens etwas Bargeld haben. Es ist schon dunkel, als wir aus dem Flughafen gehen, doch wir finden ein Taxi, das uns für 5 $ in unsere Unterkunft bringen will - das "Hostal L'Auberge Inn". Zu unserer großen Freude existiert dieses Hotel tatsächlich noch und unser Fahrer hat auch keine Probleme, es zu finden. Wir entscheiden uns für die Übernachtung im 4-Bett-Dormitorium, da diese mit 4 $ pro Person die günstigste Möglichkeit ist. Die Zimmer sind sehr sauber und machen einen guten Eindruck. Auf unserer Etage haben wir ein Gemeinschaftsbad, und das Wasser ist sogar warm! Wir haben auch die Möglichkeit, unser Gepäck für die Dauer unseres Urlaubs kostenlos zu deponieren. An diesem Abend rufen wir noch zu Hause an, um zu sagen, dass wir heil angekommen sind, dann warten auf uns schon die Schlafsäcke auf bequemen Holzpritschen.

 

10. April 98, Freitag:

Von wegen bequeme Pritschen - um 3.00 Uhr nachts ist es mit dem Schlaf vorbei. Uns tun die Knochen so weh, dass an Liegen nicht mehr zu denken ist. Um 7.00 Uhr morgens machen wir uns dann auf den Weg nach Otavalo, da wir uns dort den berühmten Samstagsmarkt anschauen wollen. In unserer Unterkunft erfahren wir, dass es in der Altstadt von Quito den zentralen Busbahnhof gibt, den " Terminal terreste". Hier angekommen haben wir keine Schwierigkeiten, den richtigen Bus nach Otavalo zu finden, da die Adjudantes (Helfer der Fahrer) den Zielort ihres Fahrzeugs lautstark über den Platz schreien. Doch wir hätten uns unseren Bus vielleicht etwas besser aussuchen sollen. Die Hinfahrt ist ein Alptraum! Nach zwei Stunden Fahrt fühlen wir uns wie gerädert und sind sehr froh, in Otavalo angekommen zu sein. Da auch am Vortag des großen Marktes schon sehr viele Stände aufgebaut sind, können wir unsere Einkäufe gut erledigen und haben viel zu sehen. Die Otavalo-Indigenas sind dafür bekannt, sehr gute Waren aus Lamawolle und anderen Stoffen herzustellen. Zudem sind sie sehr geschäftstüchtig. Hier kann man wirklich alles kaufen, vom Schwein bis zur Unterhose! Die einzelnen Handelsrichtungen sind in richtige Zonen eingeteilt. Zwischen den Ständen laufen überall Hunde umher und kleine Kinder scheuen sich nicht davor, ihr Geschäft im Straßengraben zu erledigen. Nachdem wir eine zeitlang in den Straßen rumgelaufen sind und etwas gegessen haben, machen wir uns auf den Heimweg. Die Straße durch die Anden ist traumhaft. Einmal haben wir auch Sicht auf den schneebedeckten Cayambe, einen der höheren Vulkane in der Gegend von Quito. Es geht ständig in Serpentinen bergauf und bergab. Wie fahren an sehr steilen Abhängen vorbei und über sehr hohe Brücken, und haben eine schöne Sicht. Die Rückkehr vom Terminal zum Hotel verläuft leichter, als ich es mir vorgestellt habe. Unser Bus bringt uns bis zum Terminal, und von dort aus rät man uns, die Trole (Oberleitungsbahn) zu nehmen, die zum Alameda-Park fährt. Von dort aus sind wir mit Hilfe des Stadtplans aus dem Reiseführer innerhalb von 10 Minuten in unserem Hotel. Nachdem wir unsere Einkäufe im Dorm abgelegt haben, machen wir uns zu Fuß auf den Weg in die Neustadt von Quito. Dort finden wir auch ein Restaurant, das nicht zu teuer ist. Anschließend gehen wir in die Hauptgeschäftsstraße Quitos, die Avenida Rio Amazonas. Dort sind die ganzen Restaurants und Souvenirläden, und dort sieht man auch mehr hellhäutige Reisende aus Einheimische. Quito an sich ist nicht sehr schön. Später packen wir unsere Sachen zusammen, da wir am nächsten Tag in den Dschungel aufbrechen wollen. Eine 10-stündige Busfahrt nach Lago Agrio erwartet uns.

 

11. April 98, Samstag:

On the road again! Soviel Eindrücke, wie der heutige Tag hinterlassen hat, sind kaum niederzuschreiben. In den frühen Morgenstunden haben wir erst mal unseren Plan geändert. Statt nach Lago Agrio zu fahren, machen wir uns um 7.00 Uhr auf den Weg nach Misahualli. Wie fahren einen Umweg über Banos, da die Sicht heute sehr gut ist und wir uns die Straße der Vulkane nicht entgehen lassen wollen. Wir fahren also in Richtung Ambato und haben eine atemberaubende Sicht auf die höchsten Berge der Anden Ecuadors. Als wir in Banos ankommen, entscheiden wir uns, ein kleines Stück in unsere Reiserichtung zu Fuß zu gehen. Die Gegend ist herrlich und wir werden von der Sonne verwöhnt. Nach einer halben Stunde kommt ein Bus, der uns weiter mitnimmt. Nun wird die Tour zu einem Erlebnis. Als erstes kommen wir in einen Platzregen, der sich dann als Wasserfall entpuppt, unter dem wir gerade durchfahren. Das Wasser plätschert hier einfach auf die unasphaltierte Straße und fließt dort in einem Rinnsal weiter. Auf der einen Seite der Straße fließt etwa 100 Meter tiefer der Rio Pastaza. Auf der anderen Seite der Schlucht sehen wir ständig Wasserfälle, die weit nach unten ins Tal stürzen, und einmal können wir ganz weit unten auch eine kleine, wackelige Hängebrücke erkennen. Am Anfang ist unser Weg sehr schmal, führt zweimal durch Tunnels und wird fast ständig von Felsen überhangen. Als wir dann später weiter nach unten kommen, wird die Straße dann breiter und die Landschaft ändert sich. Hier sind die Pflanzen des Dschungels nun so dicht, dass man nicht tief in den Wald schauen kann. Es gibt riesige Blätter - fast einen Quadratmeter groß - und Amazonaspapageien in den Bäumen. Unser Bus nimmt und mit bis Puerto Napo. Nachdem wir dort 30 Minuten auf einen Anschlussbus gewartet haben, halten wir einen Pick-up an, der uns mit nach Misahualli nimmt. Nach 40 Minuten haben wir unser Ziel erreicht: Wir stehen in dem kleinen Dschungeldorf und suchen ein Hotel. Doch wir haben sehr schlechte Karten! Dadurch, dass Misahualli ein guter Ausgangspunkt für Dschungeltouren ist, gibt es hier zwar einige Hotels, doch die sind alle ausgebucht. Dazu kommt noch, dass es Osterwochenende ist, sehr viele einheimische Touristen sind im Ort und wir können wirklich nirgends ein Zimmer bekommen. Was tun? Es ist kurz vor sechs Uhr abends, es wird dunkel, wir stehen im Dschungel und haben keine Möglichkeit, diesen Ort wieder zu verlassen. Im Hotel "Dayuma" treffen wir einen Mann (der anscheinend dort arbeitet), der uns eine notdürftige Unterkunft anbietet. Es handelt sich um einen kleinen Raum im Hinterhof des Hotels, und wir müssen annehmen, da wir ja gar keine andere Wahl haben. Als wir das Zimmer dann sehen, bin ich kurz davor, in Tränen auszubrechen. Es gibt kein Licht im Zimmer, keine Möbel außer einem uralten, schimmeligen und unbrauchbaren Sofa, aus dem die Sprungfedern schon herausstechen. Alles hier ist unheimlich feucht und stinkt nach Moder. Im abgetrennten "Bad" gibt es ein Waschbecken ohne Wasserhahn, das anscheinend als Abfalleimer dient, ein Klo, dessen Spülung nicht funktioniert und eine sehr schmutzige Dusche, aus der aber immerhin kaltes Wasser tropft. Überall an den Decken und Wänden sind undefinierbare, dunkle Flecken. Peter will noch das Sofa wegrücken, um nachzusehen, war sich drunter und dahinter befindet, doch ich will es gar nicht wissen und so lassen wir es bleiben. Mit graut vor dieser Nacht. Da wir mit den Schlafsäcken auf dem Steinboden schlafen müssen, kann alles mögliche über uns kriechen! Gott sei Dank haben wir uns wenigstens Kerzen eingepackt. Doch bevor wir uns schlafen legen - so spät wie nur irgendwie möglich! -, sehen wir uns den Ort an. Wir gehen runter zum Rio Napo, und unten am Fluss finden wir Klammeräffchen in den Bäumen. Anschließend gehen wir in ein Restaurant etwas essen. Die nächsten Stunden sitzen wir dann im Park und trinken eine Flasche Pilsner-Bier nach der anderen (insgesamt 6 0,7 L-Flaschen !), um uns für die kommende Nacht zu betäuben. Unfassbar!

 

12. April 98, Sonntag:

Da es die ganze Nacht über sehr warm und schwül ist, sitzen wir noch bis 1.00 Uhr im Park und unterhalten uns mit anderen Rucksackreisenden aus Holland, Belgien, Israel und Australien. Doch irgendwann ist es so spät, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt, als in unseren Verschlag zu gehen. Dank des Biers schaffe ich es sogar, zwei Stunden zu schlafen, doch dann ist es mit der Ruhe vorbei! Ich wache schweißgebadet auf, von Alpträumen über Insekten geplagt. Die Luft ist sehr stickig im Zimmer, der Schlafsack ist total nass vom Schwitzen, fix und fertig und mit Tränen in den Augen mache ich Peter wach, da ich keine Sekunde länger in diesem Raum bleiben will. Wir zünden erst mal Kerzen an, um Licht zu haben, und Peter erlegt eine riesige Kakerlake, die direkt neben seinem Schlafsack krabbelt. Nun beratschlagen wir, was wir machen können. Wer weiß, was draußen im Park für Ungeziefer rumkrabbelt! Peter hält es für keine gute Idee, mitten in der Nacht nach draußen zu gehen, um sich dort irgendwo niederzulassen. Außerdem haben wir hier wenigstens ein Dach über dem Kopf. Vernunft siegt über die Angst und wir bleiben. Es ist schrecklich heiß, doch wir wagen es nicht, uns auf die Schlafsäcke draufzulegen. Immer abwechselnd sind wir wach und schlafen. Als es dann gegen Morgen regnet, dauert es nicht sehr lange und die ersten Tropfen kommen durch die Decke gesickert. Um 6.00 Uhr packen wir unsere Sachen zusammen. Nach dem Frühstück im Restaurant bringen wir unser Gepäck ins Hotel "El Paisano"; dann geht es los in die grüne Hölle! Wir mieten uns für 44 $ einen Indigena mit Kanu, der uns über den Fluss fährt. Unser Führer erklärt uns alles in einem sehr gut verständlichen Spanisch und bringt uns zu sehr schönen Buchten am Fluss. Irgendwann kommen wir zu so einer Art Museum im Dschungel. Dort sind die einzelnen Fallenarten aufgestellt, die zeigen, wie die Eingeborenen Tiere ( und Feinde) fangen. Unser Führer zeigt uns auch die einheimischen Insekten und Schlangenarten und erklärt uns, welche giftig sind und welche nicht. Anschließend fahren wir weiter zu einem Freilandzoo im Dschungel, dem "AmaZOOnico". Hier macht der Regenwald seinem Namen alle Ehre. Wir werden in weniger als 2 Minuten nass bis auf die Haut. Im Zoo sehen wir Kaimane, Ozelots, Affen, Papageien, einen Bär, Tapire, eine Boa und andere kleine Tiere. Schade nur, dass es wie aus Kübeln gießt. Nach einer Stunde kommen wir total nass zum Boot zurück und machen uns auf den Rückweg. Nach insgesamt sechs Stunden sind wir wieder in Misahualli zurück, nass und glücklich! Auf der Terrasse des Restaurants treffen wir zwei andere Deutsche, die gerade von einer zweitägigen Dschungeltour zurückkommen und uns diese dringend empfehlen. Das Problem ist der Preis, da der Führer 100 $ pro Nase dafür haben will, die wir nicht mehr haben. Die Verhandlungen dauern lange, und letztendlich sind wir bei dem Preis von insgesamt 70 $ für eine Tagestour angekommen - wir sagen sofort zu. An diesem Abend gehen wir sehr früh ins Bett, da der nächste Tag anstrengend wird.

 

13. April 98, Montag:

Nach einer sehr guten und sicheren Nacht unter dem Moskitonetz stehen wir um 7.00 Uhr ausgeschlafen auf und packen unsere Sachen für die Dschungeltour zusammen. Eine Stunde später gibt es im Hotel "Dayuma" Frühstück, dann geht unsere Tour mir Pepe los. Zuerst fahren wir mit dem Boot ein Stück den Rio Napo hinunter, dann halten wir plötzlich an einer Sandbank und steigen aus. Pepe warnt uns davor, irgendetwas anzufassen, ohne ihn vorher zu fragen. Da er Biologie studiert hat, ist er in der Lage, uns alle Pflanzen und Tiere zu erklären, die wir unterwegs sehen. Immer öfter muss Pepe mit der Machete umgestürzte Bäume und schnell wucherndes Gestrüpp aus dem Weg schlagen. Zeitweise ist der Pfad so schlammig, dass man nur auf Stöcken und Steinen gehen kann. An einer Schlucht drückt uns Pepe dann eine Liane in die Hand, mit der wir uns auf die andere Seite schwingen. Er zeigt uns auch die Liane, aus der das Pfeilgift Curare gemacht wird und erklärt uns den Vorgang. Fasziniert betrachten wir den Gaspilz - ein kleiner, röhrenartiger Pilz, aus dem laut knisternd Gas strömt, wenn man ihn beschädigt. Wir sehen den bekannten Affenbrotbaum und dessen Frucht und ganze Horden von Koloniespinnen, die zusammen in einem riesigen Netz leben. Als Zwischenmahlzeit unterwegs essen wir das Fruchtfleisch der Kakaofrucht, das süß und gar nicht nach Schokolade schmeckt. Als wir weitergehen, sehen wir dann noch einen Zimtbaum, eine kleine Schlange, viele Insekten und ganz tolle Pflanzen und Blüten. Nach 3,5 Stunden Fußmarsch kommen wir dann im Dorf an. Es besteht aus mehreren Pfahlhütten, die ganz aus Bambusstäben und Palmenblättern gebaut sind. Die Einrichtung der Häuser ist sehr sauber und komfortabel, die Betten haben alle Moskitonetz, und auf jeder Terrasse ist eine Hängematte, in der man so richtig die Urwaldatmosphäre genießen kann. Auf den Bäumen sitzen Aras und Amazonaspapageien, und irgendwo tobt ein Klammeraffe durch die Äste. Wir gehen rüber in das große Gehege und sehen uns die Tiere an, die hier leben. Pepe nimmt eine Ladung Bananen mit, um die Tapire anzulocken, die wir damit füttern. In dem kleinen See sehen wir ab und zu Schildkröten auftauchen, und als Pepe einen Ast ins Wasser wirft, sehen wir einen großen Kaiman drauf zuschwimmen. Nach dieser Besichtigung geht es in Badesachen auf den Fluss - sehr beruhigend nachdem wir nun die Krokodile gesehen haben, die es natürlich auch außerhalb des Geheges gibt! Wir fahren mit dem Boot einige Kilometer flussaufwärts und lassen uns dann in Gummischläuchen vom Autoreifen den Fluss wieder hinuntertreiben. Die Stromschnellen machen unheimlich viel Spaß. In der Nähe vom Dorf paddeln wir dann in einen stillen Nebenfluss hinein, wo wir dann schwimmen gehen. Pepe erklärt uns, dass es hier auch Piranhas gibt, doch diese Tatsache verdrängen wir, solange wir uns im Wasser befinden. An den Ufern ranken die Pflanzen von den Bäumen bis ins Wasser hinein. Am späten Nachmittag machen wir uns dann wieder auf den Weg zurück nach Misahualli - mit dem Boot 2 Stunden. Im Dorf angekommen, reicht die Zeit gerade noch dafür aus, duschen zu gehen, bis es Abendessen im "Dayuma" gibt, das noch im Preis inbegriffen ist. Den Rest des Abends verbringen wir dann - wie immer - in der Bar des Restaurants "Posada", wo sich später auch Pepe und ein deutschsprachiger Ecuadorianer (Reiseführer Hans) zu uns gesellen und wir uns noch etliche Stunden gut unterhalten.

 

14. April 98, Dienstag:

Heute morgen stehen wir früh auf, packen unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg zurück zum Marktplatz, von wo aus wir mit dem Bus nach Quito fahren wollen. Die Planung ist gut, doch die Realität ist leider wieder anders. Wir erfahren, dass die Einheimischen Indigenas streiken, da die Regierung die Sozialversicherung streichen will. Als Folge hat die indianische Bevölkerung Ecuadors im ganzen Land Straßensperren errichtet und so den Verkehr lahmgelegt. Wir fahren mit unserem Bus über eine Schotterstraße bis nach Tena. Von dort aus finden wir auch einen Anschlussbus, der uns bis nach Archidona bringt, weitere 40 Km in Richtung Quito. Doch hier scheint nun Endstation zu sein, da wir keinen Bus finden, der auf dieser Straße weiterfährt, obwohl hier gar keine Sperren zu sehen sind. Doch irgendwie muss es ja weiter gehen, also halten wir einen Transporter an, auf dessen Ladefläche wir mit anderen Einheimischen bis zu den Barrieren fahren. Der Weg ist sehr steil und kurvig, und die Sonne meint es nicht gut mit uns. Da nirgends Schatten ist, werden wir regelrecht geröstet. Nach gut 1,5 Stunden Fahrt ist unsere Strecke zu Ende. Wir sind am berüchtigten Punkt "Km 24" angekommen, wo nun mit dem Auto kein Durchkommen mehr ist. Auf der Straße liegen gefällte Bäume und überall glimmen noch die Feuer mitten im Weg. Wir bezahlen den Fahrer, schultern unsere Rucksäcke und machen uns zu Fuß auf den Weg. Die Streikenden sind sehr freundlich zu uns und entschuldigen sich sogar für die Umstände. Nachdem wir eine Weile gegangen sind, sehen wir das Ende der Barrieren und auf der anderen Seite auch einen Bus stehen, dessen Fahrer uns freudig zuwinkt. Wir warten noch etwa eine Stunde, dann sind genug Leute im Bus und wir fahren nach Quito. Dort kommen wir abends um 18.00 Uhr an - ohne Zwischenfälle, damit hat wirklich keiner gerechnet und wir sind alle heilfroh. Wir gehen in unser Hotel zurück, essen erst mal etwas, spülen uns den Staub vom Körper und fallen in die Schlafsäcke.

 

15. April 98, Mittwoch:

Wolkenbruch! Draußen gießt es in Strömen, und nach 5 Metern ohne Überdachung ist man so nass, als wenn man sich mit den Kleidern unter die Dusche gestellt hätte. Heute ist ein Gammeltag und wir hängen die ganze Zeit in Quito rum, während unsere Wäsche in der Wäscherei ist. Wir gehen von einem Laden in den anderen, sehen uns die Handarbeiten der Einheimischen an und erkundigen uns nach dem Preis für eine Cotopaxi-Tour. Das billigste und beste Angebot liegt bei 145 $ mit allem inklusive. Nachdem wir den ganzen Tag rumgebummelt und etwas gegessen haben, gehen wir ins Hotel zurück und packen unsere Sachen für den nächsten Tag. Wir wollen uns nach Süden in Richtung Riobamba durchschlagen - zumindest mal so weit, wie wir durch die Barrikaden kommen. Gegen Abend ist unsere Wäsche zurück und wir verstauen unser Restgepäck wieder. Wir liegen wieder mal früh im Bett, da wir am nächsten Morgen schon um 6.00 Uhr aufbrechen wollen.

 

16. April 98, Donnerstag:

Von Quito aus verläuft alles noch planmäßig. Wie fahren mit der Trole zum Terminal und finden auch einen Bus, der als Ziel Ambato hat, ein Städtchen auf der Straße nach Riobamba. Wir sind in bester Laune und freuen uns, dass ein Bus tatsächlich fährt - aber leider nur bis 10 Km vor Latacunga, etwa 30 Km südlich von Quito. Nun stehen wir plötzlich vor einem Hügel gefällter Bäume, und mit dem Auto ist nicht mehr durchzukommen. Uns bleibt also nichts anderes übrig als die Rucksäcke zu schultern - wie am Vortag - und zu Fuß durch die Sperre zu gehen. Wir haben Glück; die Barrieren sind nicht so breit und bereits nach 10 Minuten Fußweg kommen wir an einen Pick-up, der uns mitnimmt bis zum nächsten Bus. Wir fahren die andere Hälfte der Strecke bis nach Ambato. Am Terminal finden wir auch sofort einen Bus, der nach Riobamba fährt (wie auf dem Schild steht). Während der Fahrt unterhalten wir uns mit einem belgischen Pärchen - bis der Bus auf einmal stehen bleibt und hektisch dreht. Der Grund dafür ist eine große Gruppe Indigenas, die mit Messern und spitzen Stöcken bewaffnet auf unser Gefährt losrennen, in der Absicht, die Reifen kaputt zu stechen, da wir zu nahe an die Blockaden gefahren sind. Wir schaffen es noch gerade so, rechtzeitig zu drehen, und fahren wieder zwei Kilometer den Weg zurück, den wir gerade erst gekommen sind. Dort hält der Bus kurz an, um uns und andere Reisende rauszulassen, dann fährt er mit Vollgas zurück nach Ambato. Wir stehen nun mitten auf der Panamericana und müssen nun schauen, wie wir weiterkommen. Es ist noch früh am Morgen und wir machen uns zu Fuß auf den Weg. Die Landschaft ist sehr schön, überall in der Nähe der Straße grasen Tiere und die Indigenas sind sehr freundlich zu uns. Unterwegs kommen wir immer wieder an Fahrzeugen vorbei, die im Laufe der Tage liegengeblieben sind - deren Fahrer sitzen im Schatten und warten. Einmal laden uns die Streiker sogar dazu ein, uns zu ihnen zu setzen, doch da wir ja noch im Hellen in Riobamba ankommen wollen - insgesamt etwa 20 Km - müssen wir weitergehen. Nach weiteren 2 Stunden Fußweg treffen wir auf ein Taxi, das zu uns gefahren kommt und uns mitnehmen will. Wir warnen den Fahrer und laufen zu Fuß weiter. Aus der Ferne sehen wir die Indigenas aus den Büschen springen und die Reifen platt stechen. Wenigstens haben wir sie gewarnt. Wir sind noch eine zeitlang unterwegs, als wir tatsächlich einen Bus sehen, der da steht und auf Mitfahrer wartet. Auf Umwegen fahren wir nach Riobamba, wo wir um 16.00 Uhr ankommen. Wir suchen uns ein Hotel, da an eine Weiterreise in Richtung Süden bei diesen Umständen nicht mehr zu denken ist. Wir können für 30000 Sucres (6 $) ein großes 4-Bett-Zimmer bekommen. Das Bad ist am Ende eines langen, unbeleuchteten Gangs, das Wasser fließt, aber leider nur kalt, was nach so einem anstrengenden Tag nicht sehr entspannend ist. Den Rest des Abends verbringen wir damit, durch die Stadt zu laufen, und enden Abends in einer Bar. Riobamba gefällt uns nicht. Die Stadt ist groß, laut und mit furchtbar viel Verkehr. Überall sind Geschäfte und Läden, und an diesem Abend ist auf dem Bahnhof Jahrmarkt. Ich finde Riobamba so enttäuschend, dass ich auf alle Fälle am nächsten Morgen weiter will - egal wie. Da bei dem Streik an eine Weiterreise in Richtung Süden nicht zu denken ist (wir haben Muskelkater vom letzten Marsch), schlage ich vor, zu Fuß über eine Nebenstraße nach Banos zu gehen; ein Fußmarsch von 50 Kilometern, der aber auf alle Fälle in zwei Tagen zu bewältigen ist. Wir bereiten uns also auf eine weitere Wanderung vor und gehen früh schlafen.

 

17. April 98, Freitag:

Die Nacht ist fürchterlich! Da eine unserer Fensterscheiben kaputt ist und der Lärm draußen enorm ist, können wir fast die ganze Nacht nicht schlafen. Diese Stadt scheint pausenlos wach zu sein: Automotoren, Gesang von Besoffenen und laute Musik! Nach einer erfrischenden kalten Dusche sind wir hellwach und bereit, uns den Überraschungen des neuen Tags entgegenzustellen. Doch es kommt mal wieder anders als erwartet. Als wir unser Zimmer bezahlen, erfahren wir vom Hotelangestellten, dass der Streik vorüber ist. Wir können es nicht glauben und fragen zur Vorsicht noch etliche andere Leute auf der Straße, bis wir ganz sicher sind. Unter diesen Umständen ist es natürlich möglich, weiter nach Süden zu reisen - wir können also die Ruinen von Ingapirca doch noch sehen. Bis um 9.00 Uhr haben wir Zeit, gemütlich zu frühstücken, dann gehen wir Geld wechseln und hetzen zurück zum Terminal, wo wir unseren Bus noch gerade so erreichen. Überall auf den Straßen sind noch die Reste des Streiks zu sehen. Hier und da qualmen noch die Feuer; Bäume und Erdwälle sind nur teilweise aus dem Weg geräumt worden, doch überall ist so viel Platz, dass sich ein Bus gerade so durchquetschen kann. Bis Alausi fahren wir ohne Probleme, doch dann wird die Straße sehr extrem. Da wir direkt hinter dem Busfahrer sitzen, haben wir eine gute Sicht auf das Geschehen. Der unasphaltierte Weg liegt durchgehend auf über 3000 m Höhe und schlängelt sich an der Westseite der Anden entlang. Da dies die Wetterseite der Anden ist, ist das Klima ganz schlecht. Es ist sehr nebelig, und wir können kaum etwas von den Serpentinen sehen, die unser Fahrer in so einem rasenden Tempo passiert. Hoffentlich sieht der mehr. Leitplanken sind keine vorhanden, und pro Kilometer kommen wir an zwei bis drei Erdrutschen vorbei. Doch die Geröllmassen werden nicht auf Seite geräumt, sondern einfach von den Fahrzeugen plattgefahren. Einmal muss unser Bus eine Vollbremsung machen, da ein Felsen von der Größe eines VW-Busses vor uns liegt - mitten auf dem Weg. Dieses Hindernis kann natürlich nicht platt gefahren werden, deshalb haben Arbeiter eine schmale Durchfahrt in den Hang gegraben. Unser Bus muss öfters hin und her rangieren, dann sind wir auch an dieser Hürde vorüber und weiter geht die Geisterfahrt. Es regnet in Strömen und draußen spielen nackte Kinder am Rand der Straße, die unseren Bus ganz entgeistert ansehen - zwei davon bekreuzigen sich sogar ( warum auch immer!). Nach sieben Stunden Fahrt kommen wir in Canar an, der Ort, der Ingapirca am nächsten ist. Von dem Dörfchen selbst sind wir ziemlich enttäuscht. Das Ort liegt so hoch in den Wolken, dass es total nebelig ist. Es gibt so wenig Straßenschilder, dass wir Probleme haben, eine Unterkunft zu finden, doch wir fragen uns durch und kommen auch tatsächlich im "Residencial Monica" an. Unser Zimmer sind sehr einfach, aber sauber. Im Ort selbst werden wir ziemlich verwundert angeschaut - kein Wunder so, wie wir aussehen - außerdem sind außer uns auch keine Touristen unterwegs; unser Hotel ist total leer. Zu den Ruinen können wir heute leider nicht mehr kommen, da diese ziemlich weit außerhalb liegen. Also gehen wir zuerst mal etwas essen und schauen uns dann den Ort an. Wir wandern bis zu der Abzweigung, die nach Ingapirca führt, es ist gut eine Viertelstunde Fußweg, und von dort sind es wieder 16 Kilometer bis zum Ort. Als wir wieder im Hotel ankommen, ist es erst 17.00 Uhr, draußen wird es schon dunkel und wir sind beide ziemlich enttäuscht, da wir noch bis zum nächsten Morgen hier festsitzen werden.

 

18.April 98, Samstag:

Bevor heute morgen der Wecker eine Chance hat, uns wach zu machen, werden wir durch Lärm von draußen geweckt. Es ist kurz vor halb sechs und ich höre religiösen Gesang mit so einer Art Blasmusik auf der Straße. Ich denke, ich träume, als ich zum Fenster rausgucke und eine Prozession direkt unter unserem Fenster vorbeimarschiert. Jedenfalls sind wir nun wach und können so wenigstens früh genug zu den Ruinen aufbrechen. Wer weiß, wie lange wir brauchen werden, um dieses Dorf zu erreichen! Wir packen unsere Sachen zusammen und tappen los. Wir sind gerade eine halbe Stunde unterwegs, da kommt ein Pick-up von hinten, und der Briefträger, der sowieso in den Ort muss, nimmt und auf der Ladefläche mit - für 20000 Sucres. Auf der Ladefläche ist es sehr kalt, da die Sonne noch nicht aufgegangen ist, und wir bereuen es nicht, unsere Jacken mitgenommen zu haben. Im Dorf Ingapirca angekommen müssen wir ein kurzes Stück zu Fuß gehen, dann stehen wir vor den Ruinen. Da wir sehr früh an sind, ist außer einer Herde Lamas niemand bei den Ruinen anzutreffen - der Wächter kommt ziemlich verschlafen aus einem Haus. Wir bezahlen 5 $ Eintritt pro Person, können dafür unsere Rucksäcke im Wachhaus deponieren und bekommen auch einiges geboten. Die Anlage ist in einem ganz fantastischen Zustand, und die Ruinen sind alle erklärt - auf spanisch! Der berühmte Sonnentempel ist sehr gut erhalten, und auch teilweise wieder aufgebaut. Zu der Anlage gehört ein 1 Kilometer langer Rundwanderweg, der von der Landschaft her einiges bietet. Wieder am Eingang angekommen, schauen wir uns das kleine Museum noch an und machen uns dann auf den Weg nach El Tambo, dem nächsten Dorf an der Panamericana. Wieder haben wir Glück und werden direkt bei den Ruinen von einem LKW-Fahrer mitgenommen, der runter bis an die Hauptstraße fährt. Er kann einige Brocken Englisch und unterhält sich mit uns. Wir erfahren, daß Ingapirca vom großen Tourismus weitgehend gemieden wird, da es sehr schlecht zu erreichen ist. Mit einem Taxi muss man 20-30 $ bezahlen! Unten angekommen, geben wir dem Mann 10000 als Dank und halten dann einen Bus an, der nach Ambato fährt. Doch es dauert sehr lange, bis wir endlich dort ankommen. Unterwegs haben wir eine Reifenpanne und somit eine längere Pause, bis es weitergeht. Diesmal haben wir mit dem Wetter mehr Glück als bei der Hinfahrt. Der Nebel ist nicht so dicht, und hin und wieder haben wir atemberaubende Ausblicke aus dem Busfenster. Wir fahren so knapp am Rand vorbei, dass wir oft gar keine Straße mehr sehen, sondern 60 -70 Meter weiter unten den Boden des Tals. Wieder halten wir unterwegs irgendwo, um etwas zu essen. Die "Sopa del dia" (Tagessuppe) besteht aus einer kräftigen Brühe mit Kartoffeln und einem Stück Suppenhuhn. Gesättigt fahren wir weiter und kommen abends um 17.30 Uhr in Ambato an. Von dort aus geht es weiter nach Banos, wo wir etwa eine Stunde später müde und hungrig aus dem Bus steigen. Es ist schon dunkel und wir haben Mühe, das Hostal "Plantas y Blanco" zu finden. Nachdem wir ein paar mal die Straße rauf und runter gelaufen sind, sind wir schließlich erfolgreich und unsere Unterkunft ist mehr als nur zufriedenstellend. Wir sind ganz alleine im Dormitorium und unser Zimmer ist sehr sauber. Kaum sind wir angekommen, legen wir unser Zeug ab und gehen zuerst mal in den Ort essen. Banos an sich ist eine Touristenhochburg, sowohl für einheimische Touristen als auch für Gringos. Es gibt überwiegend Geschäfte, Restaurants und Reisebüros, und die Einheimischen muss man außerhalb des Zentrums suchen. Aus dem Rückweg ins Hotel gehen wir noch durch ein paar Geschäfte, um uns saubere Kleider zu kaufen. Als ich im Dorm ankomme, bin ich fast zu müde, um noch duschen zu gehen, ich muss mich aber dazu zusammenreißen, da ich sonst vor Dreck am Bettzeug kleben bleiben würde.

 

19. April 98, Sonntag:

Nach einer sehr guten Nacht sind wir bereit, die Strapazen eines neuen Tags auf uns zu nehmen - was wir auch sofort tun. Zuerst gehen wir mal auf die Dachterrasse frühstücken, dann sehen wir uns Banos mal genauer an. Heute morgen - satt und ausgeschlafen - gefällt uns die Stadt schon besser. Es ist nicht sehr viel Verkehr in den Straßen, und alle Ecken sind sauber. Das größte und auffallendste im Ort ist die große Kirche. Banos ist ein Wallfahrtsort und hier wird das Wasser irgendeines Heiligen verkauft. Wir gehen durch die kleinen Straßen, die am Morgen noch fast leer sind. Am Stadtrand ragen an allen Seiten des Orts die hohen, steilen Berge über die Häuser, doch trotzdem ist es sonnig, da wir uns ja am Äquator befinden. Wir wandern also durch die Straßen und beratschlagen, was wir tun sollen, da kommen wir an einem kleinen Reisebüro vorbei, die Pferde mit Führer vermieten. Der Mann will für 4 Stunden 15 $ pro Person haben, was ja eigentlich total billig ist. Peter, der ja normalerweise gar nicht reitet, ist zwar zuerst skeptisch, doch dann sagen wir zu. Per Auto fahren wir zum Stall, der außerhalb des Ortes liegt. Die Pferde werden schnell fertig gemacht und dann beginnt unsere Tour. Am Anfang haben wir beide unsere Probleme mit den kleinen, stämmigen Andenpferdchen, die kaum größer als Ponys sind. Nach ein paar Metern haben wir uns schnell an diese ungewöhnliche Fortbewegungsart gewöhnt. Auch Peter, der zuvor noch kaum auf einem Pferd gesessen hat, kommt ohne Schwierigkeiten vorwärts - die kleinen Pferdchen haben einen erstaunlich leichten Gang und wir können uns bei jeder Geschwindigkeit ohne Probleme im Sattel halten. Zuerst geht es im Schritt aus dem Ort raus und an der Straße entlang, doch sobald wir im Gelände sind, wird das Tempo gesteigert. Im Trab geht es an zwei Wasserfälle, die in den Hängen von Banos sind. Die Landschaft im Tal des Flusses ist einfach atemberaubend. Anschließend reiten wir etwa 400 m auf einen Berg hoch, wo wir dann im gestreckten Galopp zu einer Aussichtsplattform jagen. Hier hätten wir nun fast Hans über den Haufen gerannt, der mit seiner Reisegruppe wandern geht. Wir sind alle sehr erstaunt darüber, dass wir uns wiedersehen und rufen uns zu, dass wir uns später in Banos zum Cerveza (Bier) treffen. Vom Aussichtspunkt kann man den ganzen Ort und das Flusstal sehen. Während wir unsere Aussicht genießen, grasen unsere Pferde am Hang. Nach einer längeren Rastpause machen wir uns wieder an den Abstieg. Der Weg ist sehr schmal, steil und felsig, und jedes europäische Pferd hätte sich nach 5 Metern schon die Beine gebrochen. Ich bin kurz davor, abzusteigen, so unsicher fühle ich mich auf dem Pferderücken. Doch erstaunlicherweise wandern wir absolut sicher - sogar ohne zu rutschen - langsam den Berg hinab und kommen wohlbehalten wieder im Tal an. Nach vier Stunden sind wir dann wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Im Hotel gehen wir erst mal duschen, um bleibenden Schäden von Flöhen oder Milben vorzubeugen. Dann bummeln wir rüber in die Hauptgeschäftsstraße, wo wir Hans mit einigen seiner Schützlinge treffen. Wir plaudern den Rest des Nachmittags miteinander, dann trennen sich unsere Wege wieder. Wir gehen nochmals durch die Hauptstraße und kaufen noch Kleider und andere Andenken ein. Zum Abendessen treffen wir uns dann wieder mit den Anderen in einem Restaurant, diesmal ist nicht nur Hans da, sondern die ganze Gruppe. Nach dem Essen gehen wir ins Hard Rock Cafe Banos, wo wir uns vor dem Schlafengehen noch ein Cocktail genehmigen.

 

20. April 98, Montag:

Heute morgen stehen wir mal wieder etwas früher auf, gehen auf die Dachterrasse frühstücken (welch ein Luxus!) und machen uns dann auf den Weg in die Stadt. Wir gehen zum selben Reisebüro, wo wir gestern die Pferde gemietet haben und nehmen uns für 3 $ pro Person Mountainbikes. Dann fahren wir in Richtung Puyo. Die ganze Strecke geht am Fluss vorbei - überwiegend bergab. Zuerst ist die Straße breit und asphaltiert, später kommt dann ein ziemlich unangenehmer Schotterweg. Die erste "Sehenswürdigkeit“ ist das Stauwerk, an dem der Fluss kakaofarben in einem riesigen Wasserfall in die Tiefe stürzt. Dahinter geht es über eine Brücke auf die andere Fluss-Seite, und der Weg der Hindernisse beginnt: zuerst müssen wir durch einen langen Tunnel fahren; die Straße ist dort natürlich unbeleuchtet, uneben und sehr eng. Vor allem geht der Tunnel um eine Kurve und man kann nicht sehen, ob Gegenverkehr kommt oder nicht. Wir rasen also so schnell wie möglich durch dieses dunkele Loch durch und hoffen, auf keine unvorhergesehenen Hindernisse zu stoßen. Hinter diesem Tunnel verläuft unser Fluss dann auf einmal 100 m unter der Straße in seinem Flussbett. Der Weg ist immer noch eng - Leitplanken oder andere Abgrenzungen sind keine zu erkennen. Ganz unten - auf der anderen Seite des Flusses (!) - sehen wir ein Autowrack liegen, das gestern mit viel Schwung über den Rand der Böschung gerast ist. Von der ursprünglichen Form des Autos ist nichts mehr zu erkennen. Als wir dann mit unseren Rädern weiterfahren, führt unser Weg unter den Felsen durch und wir werden ordentlich gewaschen, als ein Wasserfall direkt über uns aus den Weg fällt. Der Boden ist hier sehr matschig, und da wir ja schnell unter dem Wasser durchfahren wollen, werden wir über und über mit Matsch bespritzt. Als wir über eine weitere Brücke fahren, wird die Straße dann plötzlich etwas breiter und verliert dadurch ihren Reiz. Wir wollen schon umkehren, als wir einen Wasserfall sehen. Also beschließen wir, noch bis zu dieser Kurve zu fahren - zu unserem Glück! Dort angekommen, sehen wir ganz unten im Canyon eine Hängebrücke über den Fluss zum Wasserfall führen. Das müssen wir uns doch aus der Nähe ansehen. Wir stellen unsere Räder ab und klettern den ganzen - recht steilen - Weg nach unten ins Flusstal. Über diese Hängebrücke zu gehen, ist schon ein ziemlich komisches Gefühl, da man durch die Bretter hindurch nach unten auf das sprudelnde, braune Wasser gucken kann. Auf der anderen Seite kämpfen wir uns durch dichte Büsche und Schlamm-Massen bis zum Wasserfall des Rio Verde durch. Die Gischt ist so intensiv, dass wir innerhalb kürzester Zeit ziemlich nass werden (zum zweiten Mal für heute!). Wir machen einige Fotos, klettern den langen, steilen Hang wieder hinauf und fahren dann zurück in Richtung Banos. Mittlerweile ist es Mittag und die Sonne scheint so stark, dass wir regelrecht gegrillt werden. Wir kommen nur sehr langsam voran, da es ständig bergauf geht - und Schatten gibt es ja auch keinen, außer in diesem schrecklichen Tunnel, durch den wir wieder durch müssen. Wir halten an einem Straßenstand, wo uns eine freundliche Indigena-Frau eine Babaco (Papayafrucht) verkauft und uns diese auch aufschneidet. So erfrischt sind wir nun bereit, das letzte, anstrengende Stück nach Banos zurückzulegen. Dort angekommen geben wir unsere Räder ab, dann spülen wir uns in einer der Bars die Kehle mit einem frischen Cerveza Pilsner. Hier treffen wir auch wieder auf Hans, der den ganzen Morgen mit seiner Gruppe durch die Berge gewandert ist. Später gehen wir uns ins Hotel duschen - kalt; wir sind so schmutzig, das Wasser ist richtig schwarz. Frisch gesäubert gehen wir zurück in die Stadt, suchen uns eine gute Reiseagentur und buchen dort die Cotopaxi-Tour für 100 $ pro Person. Der Preis ist gut, die Ausrüstung macht einen sicheren Eindruck, und wir bekommen sogar einen Führer, der englisch spricht. Doch vorher müssen wir zurück nach Quito, da wir keine richtigen Kleider dabei haben. Wir machen also aus, dass wir uns Mittwochs um punkt 12.00 Uhr am Eingang des Nationalparks treffen werden. Zum Abendessen treffen wir uns wieder mit Hans. Wir sitzen noch eine zeitlang im Restaurant zusammen, dann verabschieden wir uns und gehen früh schlafen, da es am nächsten Morgen zeitig losgehen soll.

 

21. April 98, Dienstag:

Nachdem wir heute morgen unseren Kram zusammengepackt haben, machen wir uns auf den Weg zum Busterminal. Dort fährt unser Bus um 8.30 Uhr nach Quito ab - wir schaffen es gerade noch rechtzeitig. Um 13.00 Uhr kommen wir in Quito an. Wir nehmen Geld und gehen essen. Danach suchen wir uns die Sachen zusammen, die wir am nächsten Tag für die Cotopaxi-Tour benötigen werden. Abends telefonieren wir noch mit unseren Familien und sitzen noch eine Zeit lang unten im Aufenthaltsraum, um Postkarten zu schreiben und uns mit den wenigen anderen Reisenden zu unterhalten, die im Moment im Hostal sind. Hier erfahren wir auch, dass gestern abend ein Flugzeug in Bogota abgestürzt ist. Nach genauerem Nachfragen stellt sich dann heraus, dass es die TAME-Maschine war, mit der wir vor zwei Wochen hier angekommen sind. Wochentag, Uhrzeit und Zielort sind identisch! Es heißt, im dichten Nebel sei der Pilot drei Minuten nach dem Start gegen einen Berg geflogen.

 

22. April 98, Mittwoch:

Dies ist ein Tag - oder besser gesagt eine Nacht - die wir beide wohl nie mehr vergessen werden. Es fängt alles noch entspannt an. Als wir Quito morgens um 8.00 Uhr verlassen, ist der Himmel blau und es ist schon warm. Unser Bus braucht nur knapp eine Stunde, um uns zum Eingang des Nationalparks Cotopaxi zu bringen. Dort angekommen, haben wir also noch über zwei Stunden Zeit, bis wir uns mit unserem Führer treffen. Um halb zwölf sehen wir ein Auto vom Vulkan her auf uns zukommen und halten. Ein Mann steigt aus, der sich uns als Führer Carlos vorstellt. Mit ihm also werden wir die nächsten 24 Stunden verbringen. Im Auto befinden sich ebenfalls acht weitere Leute - Touristen, die gerade von ihrer Bergtour zurückkommen. Sie sind sehr niedergeschlagen und erzählen uns, dass sie alle höhenkrank geworden sind und "nur" bis auf 5000 m Höhe aufsteigen konnten. Wir sehen uns an und befürchten das Schlimmste. Die sehen so fertig aus; dabei steht im Reiseführer, dass die Tour auch für ungeübte Bergsteiger zu schaffen ist! Wir setzen uns auf die Ladefläche des Pick-ups und fahren in Richtung Berg. Der Weg ist schlecht und steil, und unterwegs wird es immer kälter - je höher wir kommen. Mit dem Auto fahren wir bis zu einem Parkplatz auf 4600 m Höhe. Von hier aus kann man nicht mehr weiter fahren. Wir ziehen und zuerst etwas wärmeres an, dann machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Refugio Jose F Ribas auf 4800m Höhe. Es sieht alles sehr nah aus - nach fast 1,5 Stunden sind wir oben, total geschafft und zum umfallen müde. Hier ist alles anstrengend und unsere Rucksäcke scheinen doppelt so viel zu wiegen als heute morgen. Direkt über uns fängt der Gletscher an, und vor uns können wir den Gipfel des Cotopaxi sehen, der mit 5.897m auf uns hinablächelt. Wir sind uns unserer Sache gar nicht mehr so sicher. Doch zuerst müssen wir ja den Rest des Tages und die Nacht hier oben auf dieser Hütte verbringen. Wir sind nicht alleine. Außer uns sind noch zwei Schweizer mit Führer da, mit denen wir uns sofort gut verstehen. In der Hütte treffen wir Vater und Sohn aus Colorado, die den Aufstieg alleine versuchen wollen und ein Pärchen aus Kanada - ebenfalls ohne Führer auf dem Weg zum Gipfel. Das Refugio ist sehr spartanisch ausgerüstet. Keine Heizmöglichkeit, ein kleines Notstromaggregat für Licht, wenn unbedingt nötig, viele harte Pritschen, auf die man sich mit Schlafsack legen muss. Die Toiletten sind außerhalb des Gebäudes, ohne Wasser! Nach einem spartanischen Abendessen sitzen wir noch eine zeitlang mit den Schweizern und unseren Führern unten in der Hütte und trinken literweise "Mate de Coca", ein Tee, der aus Cocablättern zubereitet wird und gut gegen die Höhe und gegen Anstrengungen sein soll. Peter möchte das nicht und trinkt Kakao. Das heiße Getränk ist das einzige, was hier einigermaßen warm ist, denn sogar in der Hütte ist es so kalt, dass die Atemluft dampft. Die Stimmung ist total ausgelassen und wir albern an einem Stück. Ich denke, es ist so eine Art von Galgenhumor, da uns beim Gedanken an den Aufstieg nicht so wohl ist. Als es nur noch fünf Stunden bis zum Aufstieg sind, werden wir allmählich leiser und ziehen uns dann in unsere eiskalten Schlafsäcke zurück, um noch eine zeitlang zu schlafen. Doch daran ist nicht zu denken! So langsam kommt die Angst vor dem großen Aufstieg. Draußen stürmt und schneit es. Um halb eins stehen wir auf. Das Wetter ist zwar noch nicht besser, doch Carlos meint, man kann es versuchen, da auch alle anderen sich auch rüsten. Es ist so kalt, dass wir Schwierigkeiten haben, mit den steifen Fingern unsere Ausrüstung vorzubereiten. Das Klettergeschirr wird angezogen, ebenso Mützen, Handschuhe und Grubenlampen. Steigeisen, Seil und Eispickel werden in die Rucksack gepackt, da wir das Zeug erst 200m weiter oben brauchen werden - an der Eiswand, die in den Gletscher führt. Doch bereits der Sandweg bis zum Eis hat es schon in sich. Der Belag ist lose, der Pfad unheimlich steil, und dazu kommt noch, dass der Wind stürmt und es regnet. Immer wieder müssen wir kurze Verschnaufpausen einlegen; um 2.45 Uhr ist der Gletscherrand dann endlich erreicht. Wir frieren, während wir Steigeisen und Seil befestigen. Dann nehmen wir unsere Pickel und gehen ans Werk. Dieser Teil ist nun schwerer, als ich ihn mir vorgestellt habe. Die Wand ist sehr steil und es kostet viel Mühe, Steigeisen und Pickel immer wieder ins Eis zu schlagen. Man kann so leicht abrutschen! Vater und Sohn aus Colorado kehren schon vor der Eiswand um, da das Wetter ihnen zu schlecht ist. Nach ein paar Minuten kommen uns auch die Kanadier entgegen und berichten uns über die Lage: einige Meter vor uns, auf einem flachen Stück, ist es so nebelig, dass Gletscherspalten nicht mehr zu erkennen sind. Außerdem regnet es und wir sind 1mm dick mit Eis bedeckt. Nun ist unser Aufstieg beendet - auf etwa 5200 m Höhe! Doch jetzt haben wir ein noch größeres Problem: der technisch schwierigere Abstieg am Seil! Es ist mittlerweile kurz nach drei Uhr, immer noch dunkel, kalt und nebelig. Wir brauchen sehr lange, da immer wieder das Sicherungsseil befestigt werden muss. Die Schneedecke ist nicht sehr griffig, und immer wieder rutschen wir ab. Der Eispickel ist hier oben wirklich Gold wert. Es wird immer kälter und nebeliger, und ich schwöre mir, nie wieder auf einen Gletscher zu steigen. Um 5.00 Uhr sind wir wieder unten am Refugio: total verfroren, müde und absolut k.o. Wir kriechen in unsere kalten Schlafsäcke und frieren noch zwei Stunden – alles Gepäck zum Wärmen über uns verteilt. Um sieben Uhr stehe ich auf, da ich mich unbedingt bewegen muss. Ich gehe in die Küche und falle über den heißen Tee her, der gerade gekocht wird. Auch die anderen frieren. Peter ist an diesem Morgen sehr ruhig, da es ihm von der Höhe fürchterlich übel ist. Wir frühstücken schnell, packen unsere Sachen zusammen und machen uns dann auf den Weg nach unten zum Parkplatz. Da es diesmal durch Sand und Geröll bergab geht, brauchen wir nur 10 Minuten bis zum Auto. Wir sind froh, Bewegung zu haben, so ist es wenigstens nicht so kalt. Es regnet immer noch, als wir unser Gepäck auf die Ladefläche des Pick-ups werfen und zu sechst ins Führerhaus klettern. Wenigstens ist es so etwas wärmer! Wir fahren zusammen bis runter zur Panamericana, dann verabschieden wir uns von den Schweizern und den Führern, die zurück nach Banos fahren, während wir einen Bus nach Quito nehmen. Dort angekommen, packen wir mal wieder unser Gepäck um, da es am nächsten Morgen nach Coca gehen soll. Dann gehen wir runter in die Stadt und bestellen und eine große Pizza für vier Personen - man kann ja nie wissen, wann man das nächste Mal etwas zu essen bekommt. Und außerdem sind wir beide von der Vulkantour ziemlich geschafft. Ansonsten passiert heute nicht mehr viel, da wir beide nicht mehr sehr unternehmungslustig sind. Um 20.00 Uhr fällt der Vorhang!

 

24. April 98, Freitag:

Als wir heute morgen wach werden, müssen wir feststellen, dass wir verschlafen haben. Statt früh aufzustehen, kommen wir erst um 7.30 h aus den Schlafsäcken. Im Eiltempo packen wir unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Als wir dann endlich im Bus nach Baeza sitzen, ist es schon 8.00h. Das bedeutet, dass wir frühestens um 18.00 Uhr in Coca ankommen, wenn nichts außergewöhnliches passiert. Im Bus beratschlagen wir uns und beschließen, über Misahualli zu fahren, da es uns dort bis jetzt am besten gefallen hat. Außerdem können wir ja auch von dort aus mit dem Boot nach Coca fahren. Nach nur 5 Stunden Fahrt kommen wir in Misahualli an. Es ist eine Wohltat, nach der frostigen Bergtour wieder im warmen Dschungel zu sein. Wir sind erstaunt, wie wenig Betrieb diesmal im Dorf ist und haben keine Probleme, eine Unterkunft zu finden. Wir übernachten bei Pepe in der Dayuma Lodge und werden von seiner Frau freundlich empfangen. Sie erklärt uns, dass Pepe im Moment auf einer Dschungeltour ist, am Abend aber wieder ins Dorf zurückkommt. Wir wechseln unsere nassgeschwitzten Kleider und gehen erst mal ins "Posada" etwas essen. Wir werden freundlich empfangen und als alte Freunde begrüßt, und der Eigentümer wirft sofort den Gasofen an, da mal wieder Stromausfall ist. Anschließend gehen wir runter zum Rio Misahualli, waten durch das seichte Wasser und sehen den Einheimischen beim Schwimmen zu. Es ist sehr warm und wir haben große Lust zum Schwimmen, trauen uns jedoch nicht, da es ein Urwaldfluss mit Tieren drin ist. Als wir ins Dorf zurückkommen, ist auf der Parkplaza ziemlich viel Betrieb. Kinder und Jugendliche spielen mit Murmeln, während die Affen versuchen, diese "Schätze" für sich zu rauben. Am Abend essen wir mal wieder auf der Terrasse des "Posada" (wo auch sonst?). Draußen werden riesige Lautsprecherboxen ins Dorf gefahren und auf der Straße abgeladen. Wir erfahren, dass am Wochenende ein großes Fest stattfinden wird, das wir auf keinen Fall verpassen sollen. Gott sei Dank sind wir diesmal schon früher gekommen, denn morgen hätten wir garantiert wieder Probleme mit der Unterkunft gehabt. Während wir essen, ist die Musik im Ort so laut, dass man sie in jeder Ecke hören muss! Die Atmosphäre ist unheimlich schön und wir fühlen uns richtig in die Dorfgemeinschaft mit eingeschlossen. Jeder kommt zu uns, begrüßt uns und unterhält sich mit uns. Auch der Ladenbesitzer des einzigen Lebensmittelgeschäfts ist mit uns mittlerweile per Du (vielleicht weil wir schon so viele Bierflaschen bei ihm gekauft haben?) und hat uns an diesem Mittag sogar Bananen geschenkt, als wir bei ihm Geld wechseln. In diesen Tagen sind nicht sehr viele Touristen im Dorf - und wir werden mittlerweile als alte Bekannte behandelt. Allmählich kommt Leben ins Dorf, da die Sonne weg ist und es etwas kühler wird. Man kann nun in kurzen Hosen draußen sitzen, ohne zu schwitzen. Es kurz nach 20.00 Uhr, als Pepe zu uns kommt. Wir werden herzlich begrüßt, trinken Cerveza und unterhalten uns miteinander. Nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hat, kommt auch Pepes Frau und gesellt sich zu uns. Wir sitzen bis nach Mitternacht zusammen. Pepe macht uns den Vorschlag, einige Tage im Dorf zu bleiben und die Feierlichkeiten zu sehen. Es verspricht sehr interessant zu werden, da außer Misswahlen auch andere Vorstellungen geboten werden. Außerdem können wir ja auch noch am Montag oder Dienstag nach Coca fahren. Nach etlichen Cervezas gehen wir gemeinsam rüber zum Dayuma und verabschieden uns.

 

25. April 98, Samstag:

Als wir heute morgen aufstehen, sind die Straßen nass und schlammig, aber es sieht so aus, als wenn es heute trocken bleibt. Wir machen uns zu Fuß auf den Weg zum Rio Latas, von wo aus ein schöner Weg den Fluss entlang zu einem Wasserfall führen soll. Laut Reiseführer (Lonely Planet) ist dieser Fluss nur 30 Minuten vom Dorf entfernt. Nachdem wir 2 Stunden gelaufen sind, haben wir keine Lust mehr und halten einen Bus an, der uns das letzte Stück mitnimmt. Das Flusstal ist wirklich sehr schön, doch es führt kein richtiger Weg zum Wasserfall, und da es die ganze Nacht über geregnet hat, sind Felsen und Steine so glitschig, dass wir nicht bis hin kommen. Statt dessen sitzen wir eine zeitlang am Rand eines Wasserbeckens und sehen den riesigen Schmetterlingen zu, die hierher zum Trinken kommen. Als wir auf dem Rückweg ins Dorf sind - wieder zu Fuß, da kein Bus kommt - fängt es an, wie aus Eimern zu schütten. Das Laubdach der Bäume bietet nur kurze Zeit Schutz, dann werden wir nass bis auf die Haut. Glücklicherweise kommt bald ein Bus von hinten, der uns triefend einläd und mitnimmt. Die Regenfälle im Urwald sind zwar immer sehr kurz, aber dafür umso heftiger. Im Dorf angekommen, gehen wir erst mal etwas essen, da wir beide vom Wandern und Klettern Kohldampf haben. Mittlerweile ist das Wetter wieder herrlich, und wir gehen später runter zum Fluss, weil wir nun doch endlich schwimmen gehen wollen. Die Hitze hat gewonnen! Durch den Regen hat der Fluss jedoch Hochwasser und es wird noch ein paar Stunden dauern, bis die Strömung wieder schwächer sein wird. Um 15.00 Uhr sammeln sich die Leute auf dem Platz und das Spektakel geht los. Es werden Tänze gezeigt, aus dem Hochland und aus dem Busch. Die Kostüme sind sehr schön - so kommt die indianische Herkunft richtig zur Geltung. Moderne Kleidung wird durch Felle und Pflanzenfasern ersetzt. Anstelle von Armbanduhren und Goldketten werden Indianderschmuck und Speere genommen. Zu diesem Anlass sind auch viele Familien mit Kanus von tief aus dem Dschungel gekommen, und als weiße Frau mit heller Haut werde ich erstaunt von den Kindern betrachtet und einmal sogar prüfend angefasst. Eine Indigena-Frau bietet mir sogar etwas von ihrem Essen an. Nach zwei Stunden ist das Programm vorläufig beendet und wird erst am Abend auf dem Schulhof fortgesetzt. Wir gehen noch mal runter zum Fluss, da es noch immer sehr heiß ist. Das Wasser ist mittlerweile gesunken, und da auch andere am Schwimmen sind, stürze auch ich mich in die Fluten. Als wir zu unserem Zimmer gehen, da ich mir etwas trockenes anziehen will, treffen wir den Musiker Anton, der uns bei unserem ersten Aufenthalt das Zimmer zur Verfügung gestellt hat. Er ist sehr froh, uns wiederzusehen. Als wir in der Schule ankommen und 5000 Sucres als Eintritt bezahlt haben, stellen wir fest, dass wir die einzigsten "Weißen" sind. Wir werden freundlich begrüßt - auch Anton ist schon da. Das Programm ist sehr interessant. Von drei Bewerberinnen wird im Laufe des Abends die Miss Misahuallí gewählt. Die Teilnehmerinnen müssen tanzen, eine Ansprache halten und sich im Bikini zeigen. Zwischendurch spielen immer wieder Musikgruppen und es werden Tänze aufgeführt. Die "Missen" sind unserer Meinung nach alle nicht sehr hübsch, da sie sehr kräftig gebaut sind und alle sehr breite Becken haben. Erstaunlicherweise gewinnt das Mädchen, das am dicksten ist. Anschließend baut eine Bongo-Gruppe ihre Instrumente auf und spielt Tanzmusik. Zuerst sitzen wir bei Pepe und Frau und sehen den Tänzern zu. Die Stimmung auf dem Festplatz ist sehr gut und uns wird von sämtlichen Leuten, die wir kennen und auch von denen, die wir nicht kennen, hochprozentiger Rum angeboten, mal mit Cola und mal mit Wasser verdünnt. Später trauen auch wir uns auf die Tanzfläche, und nachdem Pepe mich ein paar mal zum Tanzen aufgefordert hat, kommen andauernd irgendwelche Männer, um mit mir zu tanzen. Peter wird jedoch immer zuerst um Erlaubnis gefragt. Wir tanzen bis um halb fünf morgens, dann sind wir müde und total verschwitzt. Allmählich werden die Leute immer weniger, und die, die noch da sind, werden immer betrunkener. Pepe sagt, dass wir nun am besten den Rückzug antreten sollen, da bei solchen Festen immer irgendwelche Schlägereien entstehen. Viel ist ja sowieso nicht mehr los. Als wir zum Dayuma gehen, spielt die Musik noch immer. Wir sind alle der Meinung, dass dies ein sehr schöner Abend gewesen ist. Vor allem hat man als Tourist ja kaum die Gelegenheit, ein solches Fest zu erleben und es ist noch seltener, dass man dann so ins Geschehen einbezogen wird wie wir an diesem Abend. Der Abstecher nach Misahuallí ist es also wirklich wert gewesen, auch wenn wir dadurch ein paar Tage in unserem geplanten Programm verloren haben. Doch am Montag werden wir ja weiter fahren. Wir haben uns entschlossen, doch mit dem Bus zu fahren, da das Boot für 70000 Sucres einfach zu teuer ist.

 

26. April 98, Sonntag:

Als wir heute morgen wach werden, ist es schon fast Nachmittag! Es ist schon sehr warm und die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel. Da wir heute nichts besonderes geplant haben, gehen wir an den Strand vom Rio Misahuallí. Dort treffen wir uns mit Pepe und seiner Familie. Nahe am Ufer können wir sehr gut schwimmen, aber in der Mitte des Flusses ist das Wasser so tief und reißend, dass man ziemlich schnell im Rio Napo landen kann, der etwa 200m weiter stromabwärts fließt. In der Mitte des Flusses an unserer Badestelle liegt ein großer Felsen im Wasser, an dem ein umgestürzter Baum hängt. Dort kann man hinschwimmen, hochklettern und von oben ins tiefe Wasser springen. Wir bleiben bis zum Abend am Fluss. Die Atmosphäre ist einfach schön. Überall rankende Dschungelpflanzen an den Ufern, wir kommen uns vor wie im Dschungelbuch. Peter fährt ein paar mal mit einem alten Autoreifen flussabwärts bis an die Einmündung. Wenn wir nicht gerade im Wasser sind, spielen wir Nachlauf und Fußball auf der großen Sandbank, die uns als Strand dient. Zwischendurch verteilt Pepe´s Frau immer wieder kleine Essenshäppchen an uns: Schweinefleisch als Klumpen, Käsebrote mit getrockneten Feigen drauf und Kekse. Als wir unseren Badenachmittag beendet haben, müssen wir zuerst mal duschen gehen, um den ganzen Sand aus den Badesachen und vom Körper zu waschen. Nachdem wir uns "frischgemacht" haben, gehen wir in unser Stammrestaurant etwas essen. Um 21.00 Uhr gehen wir wieder in die Schule, da dort heute die Miss Misahuallí der Indigenas gewählt wird. Die Kandidatinnen erscheinen in den traditionellen Kleidern ihrer Stämme und tanzen. Heute müssen wir wieder feststellen, dass die Vorstellungen von "schön" zwischen Europäern und Südamerikanern sehr unterschiedlich sind. Die neue Miss ist sehr kräftig und hat keine gute Figur. Nach den Entscheidungen gibt es wieder Tanzmusik. Diesmal halten wir es nicht so lange aus wie am Vortag, und auch die anderen Leute sind müde vom langen Feiern. Um 2.00 Uhr machen wir uns mit Pepe und Frau auf den Rückweg zum Hotel. In der Nacht gibt es ein ganz gewaltiges Gewitter.

 

27. April 98, Montag:

Als wir heute morgen vom Hotel ins Dorf gehen, läuft alles seinen gewohnten Gang. Der Park ist fast menschenleer, Touristen sind auch keine zu sehen und die Bevölkerung geht seiner gewohnten Beschäftigung nach. Wir haben uns dazu entschieden, erst morgen nach Coca zu fahren und den heutigen Tag noch am Strand zu verbringen, da das Wetter so schön ist. Zuerst gehen wir zum Telefonisten, um endlich unseren Rückflug zu bestätigen. Ich kämpfe mich mit meinem schlechten Spanisch durch und erkläre dem Mann mühevoll, was wir wollen. Nach mehreren Versuchen versteht er mich und erklärt sich dazu bereit, den Anruf für uns zu erledigen. Zuerst benötigt er über eine halbe Stunde, um die Telefonnummer herauszubekommen, da jeder etwas anderes sagt und die Auskunft gleich fünf verschiedene Nummern zur Auswahl hat. Schließlich erfährt er bei der TAME, dass von denen kein Flug nach Bogota gehen wird, wegen eines Unfalls. Die Fluggesellschaft rät uns, mit einem Bus nach Bogota zu fahren und von dort aus Air France zu fliegen. Wir sind empört und versuchen, bei der Air France anzurufen, da Busfahren in Kolumbien gar nicht in Frage kommt. Der Telefonist bekommt keinen Anschluss und sagt uns, dass er es später am Nachmittag wieder versuchen wird. Da wir sowieso nichts daran ändern können, gehen wir an den Fluss schwimmen. Als wir zurück ans Ufer kommen, wollen wir Sojakerne essen - doch wir haben nicht mit den Affen gerechnet: kaum habe ich die Tüte in der Hand, wackeln über uns die Äste und ein relativ großes Klammeräffchen lässt sich zu uns in den Sand fallen. Es kommt auf mich losgestürzt und legt sofort seine Hände auf meine. Zuerst reagiere ich nicht auf ihn, doch dann greift er in meine Hand und fängt an zu schreien. Als ich ihm eine handvoll Kerne gebe, isst er sie vorsichtig auf und beobachtet dabei sorgfältig seine Umgebung, um eventuelle Nebenbuhler zu vertreiben. Später wird es Zeit, wieder zum Telefonisten zu gehen. Als wir ankommen, werde ich von einem gewaltigen Schwall Spanisch übergossen. Wir brauchen eine ganze Weile, bis wir alles übersetzt haben. Die Air France hat eine Möglichkeit gefunden, und wir werden nun mit der SAETA bis nach Bogota fliegen, und von dort aus mit der Air France weiter. Nun müssen wir nur noch ins Büro der SAETA nach Quito fahren, um unsere Tickets umschreiben zu lassen. Wir sind froh, die Sache mit dem Flug endlich soweit erledigt zu haben. Nass geschwitzt gehen wir nochmals zum Fluss, um uns nach diesen Strapazen nochmals zu erfrischen. Unten ist eine Gruppe älterer Touristen, die uns ganz entgeistert zusehen und die Kamera zücken, als wir uns in die Fluten stürzen. Auf dem Rückweg zum Hotel treffen wir wieder Anton, den Musiker. Er ist ganz traurig, als er hört, dass wir morgen abreisen. Da wir heute abend einmal nicht im "Posada" essen wollen, erkundigen wir uns bei alternativen Möglichkeiten bei uns im Hotel und erfahren, dass es ab halb acht etwas zu essen gibt. Wir haben noch anderthalb Stunden Zeit, und da wir nicht wissen, was wir machen sollen, gehen wir doch ins "Posada", allerdings nur um ein Bier zu trinken. Unterwegs werden wir von vielen Einheimischen gegrüßt und nach unseren weiteren Plänen gefragt. Wir kennen nun viele Leute im Dorf, da wir schon seit vier Tagen im Dorf sind und ich beim Fest mit vielen getanzt habe. Das Abendessen im "Dayuma" ist eher traurig. Unsere Bedienung ist nicht sehr freundlich zu uns, das drückt die Stimmung etwas. Sie macht einen ziemlich überheblichen Eindruck und verschwindet sogar, ohne uns das Wechselgeld ausbezahlt zu haben (5000 sucres). Leider treffen wir an diesem Abend weder Pepe, noch sonst jemand von seiner Familie. Wir gehen etwas bedrückt wieder zurück ins "Posada", dort trinken wir noch ein Abschieds-Cerveza. Ich finde es sehr schade, da ich mir den letzten Abend etwas anders vorgestellt habe. Im "Posada" ist auch nicht viel Betrieb. Wir haben keine Lust, heute Abend wieder auf die Feier zu gehen, deshalb gehen wir heute mal früh ins Bett.

 

28. April 98, Dienstag:

Der Tag fängt heute echt gut an: ich wache auf, stürze auf die Toilette und muss mich zuerst mal übergeben. Dazu kommt noch Durchfall, also ist das Chaos perfekt. Ich nehme an, dass ich gestern am Fluss etwas von dem Wasser geschluckt und mir so den Magen verdorben habe. Nachdem ich im Bad fertig bin, geht es mir wieder etwas besser und wir packen unsere Sachen zusammen, um früh aufbrechen zu können. Als wir mit unseren Sachen durch den Hof zur Rezeption gehen, um unser Zimmer zu bezahlen, ruft uns Pepes Frau vom Dach des Hauses auf Wiedersehen zu. Als wir bezahlen, bekommen wir auch unser Wechselgeld vom vorherigen Abend zurück. Von Pepe keine Spur! Wir treffen ihn im Laden bei der Bushaltestelle und drücken uns noch einmal. Dann steigen wir ein. Auch Anton mit seiner Gitarre ist hier, da er nach Tena fahren will. Er spielt während der Fahrt ein paar Lieder, um sich noch Extra-Sucres zu verdienen. Als wir in Tena ankommen, haben wir eine Stunde Aufenthalt, bevor ein Anschlussbus nach Coca fahren würde. Peter nutzt die Zeit zum Frühstücken, ich sehe ihm dabei zu, da ich mich nicht traue etwas zu essen.

 

Liebes Tagebuch, mich kennst du noch nicht. Mein Name ist Peter und ich bin seit fast einem Jahr mit Nicole verheiratet. Warum ich jetzt schreibe, ist ganz einfach zu erklären: der Autor ist leider nicht mehr im Stande, seine letzten Worte weiterzuführen, da er momentan völlig k.o. im Bett liegt. Ich werde aber trotzdem von diesem furchtbaren Tag berichten (sofort), damit keine Silbe davon verloren geht.

... wir sind also in Tena und ich frühstücke. Anschließend gehen wir zum Busterminal, um mit dem 10-Uhr-Bus nach Coca zu fahren. Man sagt uns, dass dieser erst eine Stunde später – also um 11.00 Uhr fahren wird. Wir müssen noch anderthalb Stunden warten; unsere Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Einen weiteren Beitrag liefert dann Nicole, als sie zum Klo läuft, um sich zu übergeben. Wir warten bis zum letzten Moment, um uns zu entscheiden, ob wir fahren sollen oder nicht.. Nicole will trotzdem weiter und sagt, dass es ihr besser ist. Also begebe ich mich zum Kartenschalter, um die Boletos (Tickets) zu kaufen (10 $ für 2 Personen). Unser Gepäck wird auf das Dach des Busses geladen und mit einer Plane zugedeckt (Regenschutz).

Horrortrip Part II:

Nach etwa 3 Stunden Busfahrt meldet sich Nicoles Magen wieder. Dann hält plötzlich unser Bus, weil Fahrer und Adjudante Hunger verspüren. Sie steigen an einem kleinen Restaurant (!) aus und halten Mittagspause. Nicole verschwindet sofort in Richtung „Banos“, um sich zu erleichtern. Nach dem Essen gehen wir wieder nach draußen, um weiterzufahren. Wir hören aufgeregte Stimmen, aufheulende Motoren und sehen fassungslose Gesichter - 200 m weiter ist die Straße mit LKW’s und Bussen blockiert. Auf der regennassen Piste hat sich ein mit schweren Brettern vollgeladener Mercedes-LKW komplett eingegraben und die Strecke mit seiner ganzen Länge in ein Schlammfeld verwandelt. Ein hinter ihm stehender LKW versucht ihn zweimal durchzuschieben und durch den Schlamm zu drücken.. Mir erscheint es ganz unmöglich, den LKW bei diesen Verhältnissen nochmals zu befreien. So, wie die Leute aussehen, haben sie es schon länger versucht, den LKW aus dem Schlamm zu ziehen: Männer sind über und über mit dickem Schlamm bespritzt. In der Zwischenzeit versucht ein anderer Bus, neben dem LKW vorbei zu fahren. Er nimmt Anlauf und bleibt schon nach einer kurzen Strecke mit durchdrehenden Hinterreifen stecken. Mit Mühe und Not wird er wieder auf festen Untergrund gedrückt. Plötzlich setzt sich unser Fahrer ans Steuer und versucht ebenfalls, durchs Gras am LKW vorbeizufahren. Er bittet uns alle, mitanzupacken, was sowieso für alle Männer selbstverständlich ist. Einmal versuchen wir es vergeblich, dann unterlegen wir die Reifen, die zum Glück sogar Profil haben, mit Brettern, Sand und Gras. Plötzlich werden wir durch lautes Kettengerassel und Motorengeräusch aufgeschreckt. Da kommt doch wirklich eine „Straßenraupe“ angefahren. Schleunigst wird eine Kette an Raupe und Mercedes befestigt. Die Raupe nimmt Anlauf, nachdem sie sich den Weg durch feststeckende Fahrzeuge gebahnt hat. In der Zwischenzeit haben wir alle Räder gut unterlegt und starten einen zweiten Versuch. Es funktioniert mit großer gemeinsamer Anstrengung und wir schieben den Bus durchs Gras. Als wir wieder auf der Straße stehen, sehen wir zu, wie die Raupe den LKW befreit und die Fahrt kann nach anderthalb Stunden Verspätung weitergehen. Zumindest mal theoretisch. Nicole sagt, dass sie nicht mehr weiter kann, da sie schlimme Darmkrämpfe hat. Nun gibt es also schon wieder Probleme – eins gelöst, ein neues da. Eine Frau erkundigt sich nach unseren Schwierigkeiten und läuft davon. Als sie zurück kommt, hat sie eine Flasche Wasser und zwei Tabletten in der Hand. Sie erklärt, eine sei gegen Durchfall, die andere gegen Kübeln. Ich bedanke mich herzlich bei ihr. Nachdem Nicole die Tabletten genommen hat, geht es ihr auch besser. Unsere Busfahrt verläuft nun eine Stunde lang ohne Probleme, dann macht uns ein entgegenkommender Bus darauf aufmerksam, dass mit unseren Reifen etwas nicht in Ordnung ist. Wahrscheinlich hat sich da was gelöst, als wir durch den Schlamm gefahren sind. Also machen wir wieder Pause und der Adjudante steigt aus, um die Schrauben nachzuziehen. Gegen 19.00 Uhr (8 Stunden später) stehen wir am Ufer des Rio Napo und müssen mit einer alten Fähre übersetzen. Als wir am anderen Ufer ankommen, müssen wir durch eine Militärkontrolle. Ein mit Maschinenpistole bewaffneter Soldat besteigt unseren Bus und fordert alle Insassen auf, auszusteigen. Wir steigen aus und müssen unsere Pässe vorzeigen. Bestimmungs- und Abfahrtsort, Name, Land und Beruf müssen angegeben werden. Dann kann unsere Fahrt weitergehen.

Gegen 19.30 Uhr kommen wir endlich in der Ölstadt Coca an, nachdem wir mehrere Militärstützpunkte, Raffinerien und Tankstellen passiert haben. Ein reges Treiben herrscht auf den Straßen. Unser Hotel „El Auca“ finden wir schnell und lassen uns vom Bus vor der Haustür absetzen.

Horror-Trip Part 3:

An der Rezeption erfahren wir zu unserem Schreck, dass die Preise mittlerweile von 4$ auf 7 $ pro Person gestiegen sind. Das finden wir ziemlich teuer und überlegen, was zu tun ist. Draußen ist es schon dunkel und Nicole fühlt sich nicht besonders gut - der Brechreiz ist wieder da. Wir beschließen, uns die Räume erst mal anzusehen und dann zu entscheiden. Uns wird mitgeteilt, dass sie auch noch günstigere Zimmer haben. Die wollen wir natürlich sehen. Der Hotelpage sieht uns verwundert an und als er uns die guten Zimmer gezeigt hat, führt er uns zu den billigeren. Er verschwindet in einer alten Hütte und wir hören Möbelrückerei. Dann werfen wir einen Blick in das Zimmer: der Page ist zwar bemüht, dass wir Dreck und umherflitzende Kakerlaken nicht sehen, aber es ist nicht zu verdecken, der ganze Boden bewegt sich, so viel Ungeziefer ist im Raum. Ein Alptraum! Überzeugt entschließen wir uns dazu, die „gute“ Unterkunft zu nehmen. Wir gehen zurück an die Rezeption und der Page verlangt jetzt 60000 Sucres von uns. So etwas haben wir hier noch nie erlebt, dass wir im Voraus bezahlen sollen! Doch es kommt noch schlimmer: Traveller Cheques werden hier nicht genommen! Wir erklären, dass wir kein Bargeld haben, doch auch die Chefin lässt sich nicht beeindrucken. Nun bin ich stinksauer, wir nehmen unser Gepäck und gehen wortlos zu Tür hinaus. Nicole geht es inzwischen wieder schlechter. Wir gehen in ein anderes Hotel, das auch im Reiseführer steht. Auch dort werden wir abgewiesen, da alle Zimmer schon besetzt sind. Wir müssen also weitersuchen, doch auch im nächsten Hotel gibt es kein freies Zimmer. Nach zwei weiteren vergeblichen Versuchen sehen wir eine Apotheke, in der man Traveller Cheques wechseln kann. Am Fenster hängt ein Schild „cambio cheque dollare“. Wir gehen also hinein und legen unsere Cheques auf die Theke. „Akzeptieren wir hier nicht“ heißt es erneut. Sie würden nur Banknoten wechseln. Ich kann es nicht fassen! Nicoles verzweifeltes Gesicht hilft uns dann weiter. Er wechselt den Cheque zu einem schlechten Kurs (1:4000 statt 1:5000) und gibt uns dann noch ein Mittel gegen Nicoles Durchfall und Übelkeit. Dafür will er dann kein Geld haben und wir bedanken uns. Da wir nun Bargeld haben, entschließen wir uns, wieder zurück zum „El Auca“ zu gehen, um wenigstens eine Unterkunft zu haben. Wir legen die 60000 Sucres auf den Tisch und bekommen dafür Schlüssel und Handtücher. Nicole klagt über Kopfschmerzen und sagt, sie sei hungrig. Sie bittet mich, Salzstangen zu organisieren. Ich trabe los, sie legt sich aufs Bett. Ich frage an der Rezeption nach Essen und werde vom Chef des Hauses in die Küche gebracht. Dort bestelle ich einfach etwas Tee, Brot und Bouillon. In der Küche sind sie sehr nett. Ich bringe alles zu Nicole, und als sie gegessen hat, schläft sie.

Horror-Trip Part 4:

Während ich diese Zeilen schreibe, bemerke ich eine Spinne, die an mir vorüber läuft. Ich denke mir: kleine Spinne – schreibe weiter. Plötzlich entdecke ich viele Moskitos, die ihre Schatten durch das Licht auf die Buchseiten werfen. Zwei Stück kann ich erlegen, als sich plötzlich 10 Zentimeter neben Nicoles Kopf etwas großes, schwarzes bewegt. Ich erschrecke. Als ich näher heran gehe, sehe ich, dass es ein Frosch ist, der flink durch den ganzen Raum springt. Ich lasse ihn laufen – schließlich frisst der ja auch Moskitos. Als ich dann wieder auf Moskitojagd gehe will, sehe ich auf einmal etwas großes am Bett hochklettern: eine riesige Kakerlake! Doch die muss ich erst mal laufen lassen, da nun Nicole von den Moskitos attackiert wird. Nachdem ich keinen Stecher mehr erblicken kann, widme ich meine Aufmerksamkeit der Kakerlake. Sie ist sehr groß und flink. Ein gezielter Schlag, und das Untier fällt angeschlagen aufs Bett. Dort krabbelt sie dann auf Nicole umher, und ein weiterer Schlag mit der Badelatsche befördert sie ins Jenseits. Nun sind wieder die Moskitos an der Reihe. Einen kann ich noch erlegen, dann sehe ich den Frosch wieder. Ich versuche, ihn zu fangen, um ihn nach draußen zu befördern. Ich will ihn nicht anfassen (erkönnte ja giftig sein), deshalb treibe ich ihn mit der Badelatsche zur Tür. Schließlich ist auch das geschafft. Bleiben nur noch wenige Moskitos Rest. Einen erledige ich noch, dann ist es 3.30 Uhr und ich bin todmüde. Ich schalte den Ventilator an und richte ihn aufs Bett. Den Luftzug können die Moskitos nicht leiden, also hoffe ich, dass es sich hier bewährt. Das war ein Tag. ENDE meines Berichts.

 

19. April 98, Mittwoch

Als ich heute morgen wach werde, geht es mir wieder gut. Es ist noch sehr früh und draußen noch dunkel. Ich habe Hunger und greife im Dunkeln nach dem Brot auf dem Nachtschrank, das noch von gestern Abend übrig ist. Ich fühle kurz, ob es noch weich ist, dann nehme ich einen großen Bissen. Noch während ich schlucke, spüre ich Bewegung im Mund. Plötzlich kribbelt es dort überall: auf der Zunge, am Gaumen und hinten im Hals. Ich bin so entsetzt, dass mir die Luft zum Schreien wegbleibt. Schnell renne ich ins Bad und spucke alles ins Waschbecken. Vor mir liegen Hunderte von Termiten. Angeekelt gehe ich zurück zum Bett und sehe mir das Brot genauer an: Vom Teig ist kaum noch etwas zu erkennen, ich sehe nur einen Klumpen Termiten vor mir. Nachdem ich alles nach draußen geworfen habe, dusche ich gründlich. Als Peter wach wird erzähle ich ihm davon, dass mir der Bissen aus dem Mund gekrabbelt ist, und der lacht sich darüber kaputt. Wütend beschäftige ich mich mit dem Gepäck, um keinen Ehekrach zu anzufangen. Das Kribbeln im Mund kann ich jetzt noch spüren. Wir entscheiden uns, so schnell wie möglich nach Quito zu fahren, Geld zu wechseln und die restlichen Tage noch in Banos zu verbringen – als Erholung sozusagen. Doch wie schon so oft ist die Planung gut, versagt aber leider in der Realität. Als wir endlich fertig zum Aufbruch sind, ist der halbe Nachmittag schon vorbei, also werden wir wohl erst in der Nacht in Quito ankommen. Wir eilen Hals über Kopf zum Busterminal. Über die „Ölstraße“ geht es in Richtung Lago Agrio. Unser Schotterweg ist mit Erdöl getränkt, um Stauben zu verhindern. Unterwegs wird es dann auf einmal sehr, sehr dunkel und wir kommen in einen Wolkenbruch, wie wir noch keinen erlebt haben. Der Weg hat sich innerhalb weniger Minuten in einen Bach verwandelt und überall im Bus – durch Dach und Fenster – kommt Wasser hineingeschwappt und fließt vorne zur Tür wieder hinaus. Wir fahren nur noch im Schritt-Tempo weiter, weil wir gar keine Sicht mehr nach vorne haben. Nach etwa zwei Stunden wird es langsam wieder heller und wir kommen in Lago Agrio an. Nach einer Stunde Aufenthalt geht es dann um 14.00 Uhr weiter nach Quito. Als wir in Baeza ankommen, ist es schon stockdunkel und wir machen uns Gedanken, wie es wohl in Quito so spät abends noch weitergehen soll. Doch unsere Pechsträhne ist noch nicht zu Ende: nachdem wir schon eine ganze Weile gefahren sind, hält unser Bus an und macht den Motor aus: Reifenpanne! Wir haben nun wieder eine ganze Stunde Pause, bevor es endlich weitergeht. Als wir endlich in Quito ankommen, ist es schon kurz nach 23.00 Uhr. Zu fuß durch die sehr kriminelle Altstadt laufen, kommt mit dem Gepäck gar nicht in Frage. Nach kurzem Überlegen entscheiden wir uns dafür, ein Taxi zu nehmen, das uns sicher bis direkt vor die Tür des Hotels bringt. Dort angekommen, klingeln wir und werden – wie immer – sehr freundlich empfangen. Todmüde fallen wir in die Betten und schlafen auf den Pritschen, die uns doch in der ersten Nacht so schrecklich unbequem vorgekommen sind, tief und fest ein.

 

30. April 98, Donnerstag

Wir stehen wieder sehr früh auf, um uns nicht länger als unbedingt nötig in Quito aufzuhalten. Nachdem wir noch schnell etwas Geld gewechselt haben, machen wir uns auf den Weg nach Banos. Wieder fahren wir über die Panamericana nach Süden – jetzt schon zum fünften Mal. Mittlerweile kennen wir die einzelnen Streckenabschnitte schon: zuerst kommen wir an den Gebirgspass, der östlich von Quito an der Stadt vorbei aus dem Talkessel hinausführt. Von dort oben können wir heute morgen – da die Sicht sehr gut ist – eine phantastische Aussicht über ganz Quito genießen. Dann geht es weiter durch die Anden nach Süden. Über Latacunga und Ambato fahren wir weiter in Richtung Banos. Unterwegs steigen immer wieder fahrende Händler in den Bus ein, um ihre Ware lautstark anzupreisen. Jedenfalls kommen wir am frühen Nachmittag in Banos an und gehen wieder in unser altes Hotel, das „Plantas y Blanco“. Nachdem wir unser Gepäck im 6-Bett-Dorm abgelegt haben, gehen wir erst mal etwas essen – die erste richtige Mahlzeit für uns nach zwei Tagen, in denen wir uns nur von Powerbars und Keksen ernähren konnten. Den ganzen Nachmittag verbringen wir dann damit, Reisemitbringsel und Kleider zu kaufen. Am Abend geben wir unsere schmutzige Wäsche im Hotel ab, telefonieren mit unseren Familien und gehen dann ins „Lucerna“ essen. Hier haben wir uns während unseres ersten Aufenthalts mit Hans getroffen. Heute Abend haben wir Glück und hören wieder Live-Musik, da die Salsaca-Indianer ins Restaurant kommen, um ihre Kassetten zu verkaufen. Nach dem Essen gehen wir früh schlafen, denn die letzten Tage haben uns sehr mitgenommen.

 

1. Mai 98, Freitag

Die heutige Nacht ist eine Katastrophe! Zuerst kann ich ewig lange nicht einschlafen, da draußen unheimlich viel Lärm ist. Man merkt einfach, wenn in Banos das Wochenende naht. Als ich dann endlich eingeschlafen bin, fliegt die Tür auf und das Licht geht an; zwei Leute samt Gepäck poltern ins Zimmer. Es ist kurz nach zwei und sie erklären entschuldigend, dass der Bus von Quito so lange gebraucht hat, da sie eine Panne gehabt haben. Hierfür habe ich dann auch vollstes Verständnis. Als ich am Morgen wach werde, fühle ich mich wie gerädert. Wir gehen auf die Dachterrasse frühstücken und überlegen, was wir heute tun können. Nach dem Essen wollen wir die Hügel auf der anderen Seite des Flusses erklimmen. Doch zuerst müssen wir uns noch genug Wasser kaufen, denn die Sonne gibt mal wieder ihr Bestes. Dann wandern wir an die Schlucht des Rio Pastaza und überqueren diese auf einer abenteuerlichen Hängebrücke. Etwa 50 Meter unter uns – durch die Lücken zwischen den Brettern sehr gut zu erkennen – tost das schäumende und kakaobraune Wasser. Der Anblick ist ziemlich faszinierend. Auf der anderen Seite der Schlucht führt dann ein steiler und steiniger Pfad etwa 1.000 Höhenmeter weiter nach oben. Wir gehen über zwei Stunden nur steil bergauf und kommen fast an die Wolkengrenze. Weit über Banos können wir den schneebedeckten Gipfel des Vulkans Tungurahua in den Wolken sehen. Unterwegs kommen uns immer wieder Indigenas mit Eseln und Maultieren entgegen – dem einzigsten Verkehrsmittel, das hier in den Bergen funktioniert. Wir treffen sogar einen Mann, dessen Muli ein Notstromaggregat auf dem Rücken nach oben schleppt. Wir gehen noch eine zeitlang weiter nach oben, der Weg wird immer matschiger und es wird immer kälter. Schließlich kehren wir um – wir sind sowieso noch zu weit vom Gipfel entfernt. Der Weg nach unten ist auch nicht ganz stressfrei, denn es ist rutschig und steil. Wir haben etliche schwierige Stellen zu passieren: vorbei an Felsen, Schlammgruben, wütenden Hunden und an Eseln, die uns die Hinterhufe zeigen. Doch wir werden gut entschädigt, da wir tolle Ausblicke auf die Schlucht und auf Banos haben. Das Kreuz, an dem wir vor etwa zwei Wochen mit den Pferden gewesen sind, sehen wir weit unter uns. Wieder unten im Ort angekommen, gehen wir ins „Lucerna“, um eine Kleinigkeit zu essen. Wir bleiben lange am Tisch draußen sitzen und sehen dem Treiben auf der Straße zu. Es laufen unzählige Leute an uns vorüber, etwa zwei Drittel Einheimische und der Rest Touristen. Den ganzen Nachmittag sind wir damit beschäftigt, Reiseandenken zu suchen. Abends gehen wir dann wieder ins „Lucerna“, wo heute die Hölle los ist. Wir finden nur noch mit Mühe einen kleinen, freien Tisch. Draußen ist es mittlerweile schon dunkel, doch auf der Straße herrscht noch immer reges Treiben. Verkäufer haben ihre Ware auf Tüchern auf dem Boden ausgebreitet, überall sind Essensstände aufgebaut und Kinder laufen umher. Irgendwo im Dunkeln hören wir den Rhythmus der Salsaca-Indianer, die in einem der vielen Restaurants spielen und dort ihre Kassetten zum Verkauf anbieten. Nach dem Essen bummeln wir noch ein bisschen durch den Ort und trinken ein „Gute-Nacht-Bier“ in einer Bar. Wir sitzen an der Straße und schauen dem munteren Treiben zu. Später im Hotel packen wir unsere Rucksäcke, die vor lauter Lamapullis fast platzen.

 

2. Mai 98, Samstag

Das Wetter erleichtert uns den Abschied von Banos: es gießt in Strömen, als wir den Rest unseres Krams zusammenpacken. Wir haben Mühe, alles zu finden, da wir nun zu sechst im Zimmer sind und jeder sein Zeug rumfliegen hat. Weil es so regnet, rennen wir bis zum Busterminal – ein Glück, denn sonst hätten wir unseren Bus nicht mehr erwischt. Nun sitzen wir erst mal 3,5 Stunden im Trockenen. Unterwegs frühstücken wir den Rest der Kekse, die wir in Coca gekauft haben. Als wir in Quito ankommen, nehmen wir unseren gewohnten Weg mit der Trole ans Hotel. Dort erwartet uns dann eine unangenehme Überraschung: mühsam teilt uns die spanisch sprechende Angestellte mit, dass die Air France vor einigen Tagen wegen unseres Rückflugs angerufen hat. Wir versuchen, die Fluggesellschaft zurückzurufen, doch man sagt uns, dass dort erst am Montag wieder jemand zu erreichen ist. Was tun? So lange können wir nicht warten, denn am Montag fliegen wir ja schon zurück. Wir rufen etwas beunruhigt in Deutschland an und bitten meinen Bruder Stefan, die Air France in Europa zu kontaktieren, um unseren Rückflug zu regeln. Da wir nun von hier aus sowieso nichts mehr unternehmen können, gehen wir ins Zentrum von Quito. Wir bummeln durch alle Geschäfte, essen eine Kleinigkeit und lassen uns noch ein letztes Mal von den Bettlern der Avenida Rio Amazonas anbetteln. Um 17.00 Uhr sind wir wieder zurück im Hotel, gerade rechtzeitig, um den Anruf aus Deutschland entgegenzunehmen. Stefan hat bei der Air France angerufen und dort unsere Sitzplätze reserviert und bestätigt. Wir würden um 11.00 in Quito mit der SAETA abfliegen. Ein komisches Gefühl haben wir dabei trotzdem, da wir ja auch in Bogota starten und landen müssen. Unsere ursprünglich geplante Maschine ist gleich nach dem Start im Nebel gegen einen Berg der Anden gestoßen und hat alle Insassen in den Tod gerissen. Tolle Aussichten! Nachdem wir also die Sache mit dem Rückflug geklärt haben, gehen wir hoch ins Zimmer, um unsere Koffer und Rucksäcke zu packen – nun endgültig! Zuerst sieht es so aus, als würden wir nur die Hälfte der Sachen unterkriegen, da die Pullis so sperrig sind. Doch als wir fertig sind, haben wir sogar noch Platz übrig. Also beschließen wir, am nächsten Tag auf einen Markt in der Nähe von Quito zu fahren. Am Abend sitzen wir unten im Aufenthaltsraum des Hotels und unterhalten uns mit den Anderen. Im Kamin brennt Feuer und es ist sehr gemütlich.

 

3. Mai 98, Sonntag

Bevor wir an diesem Morgen auf den Markt nach Sangolqui fahren, versuchen wir, in unserem Hotel Traveller Cheques in Sucres zu wechseln. Zu unserem Bedauern teilt uns die Senora mit, dass sie im Moment nicht genug Bargeld hat. Wir sind verzweifelt, denn ohne Geld brauchen wir gar nicht erst loszufahren. Da heute Sonntag ist, haben alle Wechselstuben geschlossen. Mühevoll bekommen wir Sucres für 20 $ zusammen, die übrigen Cheques nehmen wir zur Vorsicht einfach mal mit. Nach zwanzig Kilometern Busfahrt kommen wir in dem kleinen Dorf an. Der Markt ist nicht zu übersehen, da er in allen Straßen stattfindet. Wir wandern eine zeitlang zwischen den Ständen umher und sehen uns alles an. Hier kann man wirklich alles kaufen. Es gibt eine riesige Auswahl an Obst und Gemüse. An einem der Stände kaufen wir eine Kaktusfrucht. Als wir weitergehen, kommen wir zum Tiermarkt. Dort gibt es eigentlich fast nur Nutztiere: Küken, Enten, Hühner, riesige Puter und etliche Hasen und Meerschweinchen. Doch es werden auch einige richtige Haustiere verkauft. In Körben können wir Kätzchen und Welpen begutachten. Als Peter eine Frau mit Meerschweinchen fotografiert, verlangt diese für das Foto 5.000 Sucres – soviel, wie das ganze Tier kostet! Wir verhandeln fast fünf Minuten mit ihr, können den Preis jedoch nur auf 2.000 Sucres drücken. Teueres Foto! Als wir uns am Markt sattgesehen haben, gehen wir zurück zur Hauptstraße, um nach einem Bus in Richtung Quito Ausschau zu halten. Überall an der Straße sind Stände mit Spanferkeln aufgestellt: in den Ohren je eine Peperoni, Im Maul eine Orange – ein absolut grotesker Anblick! In Quito steigen wir am Terminal Terreste aus und fahren mit der Trole bis ins Zentrum der Stadt, da es schon Mittag ist und wir hungrig sind. Auf dem Weg zu unserem Hotel kommen wir am Park vorbei und sehen, dass dort sehr viele Stände aufgebaut sind. Eine große Gruppe Otavalos hat sich hier niedergelassen, um ihre Ware zum Verkauf anzubieten. Das Angebot ist fast so groß wie in Banos: Lamasachen, Stoffkleidung, Schmuck, Musikinstrumente, Taschen und allerhand Kleinkram liegt da auf den Tischen. Die Indigenas ermutigen die wenigen Touristen zum Kauf. Wir werden in einen kleinen Stand hineingeschoben und die Frau zeigt uns wunderschöne Pullis. Wir sagen, dass wir nicht mehr so viele Sucres haben und die Cheques heute nirgends wechseln können. Zu unserem Erstaunen ist die Frau bereit, den Cheque zu nehmen, wenn wir für den vollen Wert bei ihr einkaufen. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und nehmen noch eine Tüte voll mit Kleidern mit. Mittlerweile hat es angefangen zu regnen und wir gehen zurück ins Hotel. Dort verstauen wir erst die neu gekauften Sachen, dann setzen wir uns runter ins Kaminzimmer. Wir vertilgen nun die riesige Ananas, die wir am Morgen auf dem Markt gekauft haben, zusammen mit Jörg, einem anderen Rucksackler aus Deutschland. Der Rest des Abends verläuft sehr ruhig. Ich lese, während Peter und Jörg stundenlang Schach spielen.

 

4. Mai 98, Montag

Heute morgen sind wir schon wach, bevor der Wecker klingelt. Wir packen noch schnell den Rest unseres Gepäcks zusammen und gehen dann an die Rezeption, um uns ein Taxi zu bestellen. Nun verlassen wir das „Hostal L’Auberge Inn“ zum letzten Mal. Wir bekommen mit einiger Mühe unser ganzes Gepäck in ein Taxi reingequetscht, dann geht es los. Wir fahren quer durch Quito zum Flughafen und der Taxifahrer ist so unverschämt, für die Fahrt 35.000 Sucres zu verlangen. Wir legen heftig Einspruch ein, doch da wir vor der Abfahrt vergessen haben, einen Preis auszuhandeln, müssen wir letztendlich doch 30.000 Sucres zahlen – unser Fehler! Wir zücken die Geldbörse und verschwinden dann ins Flughafengebäude. Es ist erst kurz nach 8.00 Uhr, doch es herrscht schon reger Betrieb. Wir gehen sofort zum Schalter der Air France, bekommen dort unser Ticket getauscht und geben das Gepäck auf. Bevor wir unsere Boardingcard ausgehändigt bekommen, müssen wir pro Person 25 $ Flughafengebühr bezahlen – natürlich in bar! Da wir nur Traveller Cheques haben, müssen wir zuerst noch Geld wechseln. Endlich ist alles erledigt und wir machen uns auf den Weg zur Wartehalle. Als wir in Bogota ankommen, fühle ich mich nicht gut, der Magen macht mir wieder Probleme. Wir haben über sechs Stunden Aufenthalt, bevor wir nach Paris weiterfliegen. Peter isst, während ich mal wieder in kurzen Abständen auf die Toilette sprinte. Nach ein paar Stunden fühle ich mich besser. Nun ist es Zeit, in das andere Flugzeug zu steigen. Das ist nun der Moment, wo mir die abgestürzte TAME-Maschine wieder einfällt, die auch vor zwei Wochen hier gestartet ist. Ich fühle mich erst wieder wohl, als wir hoch über den Bergen sind. Nun haben viel Zeit zu überbrücken, bis wir endlich in Paris landen. Von dort aus fliegen wir mit einer zweimotorigen Propellermaschine nach Luxemburg – auch ein Erlebnis. Als wir dann dort aus dem Flughafen gehen wollen, werde ich doch tatsächlich von einem Zollbeamten angehalten und gebeten, meinen Koffer zu öffnen. Glücklicherweise finden sie nichts, was sie beanstanden können. Wir gehen durch die letzte Glastür und sehen meine Eltern warten... unser Urlaub ist beendet.